Über das Wochenende wurde bekannt, dass sich das ursprüngliche Anwaltsteam von Donald Trump getrennt hat. Offenbar konnte man sich nicht auf eine gemeinsame Verteidigungsstrategie einigen – und die Anwälte hatten die berechtigte Angst, dass sie keinen Rappen für ihre Arbeit erhalten würden.
Donald Trump hatte grosse Mühe, überhaupt Anwälte für seine Verteidigung zu finden. Jay Sekulow und Pat Cipollone, die ihn im ersten Impeachment vertraten, lehnten ab, es auch ein zweites Mal zu tun. Alle prestigeträchtigen Anwaltskanzleien winkten ebenfalls dankend ab. Der Ex-Präsident musste sich daher zunächst mit der B-Klasse begnügen.
Mit seinem jüngsten Team ist Trump nun gar in die Kreisklasse abgestiegen. Zwei Nobodys namens Bruce Castor und David Schoen haben das Mandat übernommen. Schoen hat einst Trump-Kumpel Roger Stone vertreten und gilt als Mafia-Anwalt.
Gestern mussten die beiden Parteien in groben Zügen ihre Strategie darlegen. Die neun Impeachment-Manager – demokratische Abgeordnete – legten in 80 Seiten klar, weshalb Trump verurteilt werden muss. Sie gingen methodisch vor, wie der Ex-Präsident mit der Big Lie – dem Vorwurf eines angeblichen Wahlbetrugs – seine Anhänger systematisch in einen Wutrausch getrieben hat, der sich mit dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar entladen hat.
Der Abgeordnete Jamie Raskin, der die Impeachment-Manager anführt, erklärt dazu:
Die Trump-Anwälte antworten darauf mit einer 14 Seiten umfassenden Replik. Okay, sie musste unter extremen Zeitdruck verfasst werden. Aber trotzdem ist es mehr als peinlich, wenn bereits im Titel «Unites States Senate» anstatt «United States Senate» steht.
Der Inhalt ist nicht besser als der Tippfehler. Castor/Schoen haben dem Drängen von Trump zumindest teilweise nachgegeben und versuchen tatsächlich, die Big Lie zu verteidigen. Der Ex-Präsident hat bekanntlich stets behauptet, er habe die Wahlen gewonnen – und zwar «erdrutschartig». «Die Beweislage ist zu dünn, als dass ein vernünftiger Jurist schliessen könnte, dass die Aussagen des 45. Präsidenten nicht zutreffend gewesen sein sollten», heisst es im Schreiben von Castor/Schoen.
Dazu kann man ihnen nur viel Glück wünschen.
Kurz vor dem 6. Januar hat Trump versucht, Brad Raffensperger, den Staatssekretär des Bundesstaates Georgia, dazu zu bewegen, «11’000 Stimmen für ihn zu finden». Das sei keineswegs eine Aufforderung zum Wahlbetrug gewesen, behaupten nun Castor/Schoen. Der Präsident habe damit einzig zum Ausdruck bringen wollen, dass die Stimmen nochmals überprüft werden müssen.
Den Schwerpunkt legen Castor/Schoen erwartungsgemäss darauf, dass der Impeachment-Prozess verfassungswidrig sei. Da Trump nicht mehr im Amt sei, könne der Senat auch nicht über ihn richten, lautet das Argument. Es wird von den meisten Verfassungsjuristen im hohen Bogen verworfen.
Schliesslich berufen sich die Trump-Anwälte auf den ersten Zusatz der Verfassung. In seiner Rede kurz vor dem Sturm auf das Kapitol habe der Präsident keineswegs zu einem Aufstand aufgerufen. Er habe lediglich von seinem Recht zur freien Meinungsäusserung Gebrauch gemacht. Das stehe dem Präsidenten wie jedem amerikanischen Bürger zu, so Castor/Schoen.
Die Senatoren der Grand Old Party stürzen sich auf die beiden letzten Punkte. In einer Vorabstimmung wollten sie bereits mit 45 Stimmen verhindern, dass der Prozess überhaupt stattfindet. Sie wähnen sich im Glauben, dass sie so elegant aus dem Schneider seien, im Wissen, dass die Beweislage gegen Trump überwältigend ist.
«Die (Impeachment-Manager) haben stundenlanges Material zusammengestellt – Botschaften aus Parler, Twitter und anderswo –, das sie nächste Woche im Senat vorlegen wollen», stellt die «New York Times» fest. «So wollen sie die Republikaner zwingen, Trumps Handlungen ins Auge zu sehen, und verhindern, dass sie sich weiterhin hinter prozessualen Ausreden verstecken können.»
Die 45 Stimmen der Republikaner in der Vorabstimmung werden als deutliches Signal gewertet, dass Trump auch in seinem zweiten Impeachment freigesprochen wird. Für eine Verurteilung braucht es nämlich eine Zweidrittels-Mehrheit. Dazu fehlen mindestens 12 republikanische Senatorenstimmen.
Doch die Würfel sind noch nicht gefallen. Die GOP befindet sich derzeit nämlich in der wohl schlimmsten Krise seit Jahrzehnten. Zwei Frauen stehen dabei im Mittelpunkt: die beiden Abgeordneten Liz Cheney und Marjorie Taylor Greene.
Liz Cheney ist die Tochter des ehemaligen Vize-Präsidenten Dick Cheney. Sie gilt als stramm konservativ im traditionellen Sinn und sitzt in der Rennleitung der GOP. Sie hat sich jedoch im Repräsentantenhaus für ein Impeachment gegen Trump ausgesprochen und damit den heiligen Zorn seiner Anhänger auf sich gezogen. Verschiedene Hinterbänkler fordern, dass sie deswegen ihren Sitz in der Geschäftsleitung aufgeben muss.
Bei Marjorie Taylor Greene handelt es sich um die inzwischen berüchtigte Abgeordnete aus Georgia. Sie ist mehr als eine eingeschworene Trump-Anhängerin. Sie vertritt auch QAnon-Verschwörungstheorien, will Nancy Pelosi erschiessen, hält die Schulmassaker von Sandy Hook und Parkland für vorgetäuschte Manöver und glaubt, dass die Waldbrände in Kalifornien von jüdischen Lasern entfacht wurden (kein Witz).
Cheney und Greene stehen stellvertretend für die Zukunft der GOP. John Thune, die Nummer zwei der Republikaner im Senat, bringt es wie folgt auf den Punkt: «Wollen wir eine Partei sein, die für einen schlanken Staat, den freien Markt und ein Verbot der Abtreibung einsteht? Oder eine Partei, welche die Verschwörungstheorien von QAnon vertritt? Diese Entscheidung müssen wir jetzt treffen.»
Der Ausgang des Impeachment-Prozesses wird zeigen, wie sich die GOP entschieden hat.