Kein Zweifel, Fani Willis hat Jurisprudenz im Blut. Ihr Vater war ein bekannter Anwalt und hat sich als Verteidiger von Black-Panther-Mitgliedern, einer radikalen Bürgerrechtsbewegung, einen Namen gemacht. Er war es auch, der seine Tochter weitgehend aufgezogen hat. Daher kannte sich die heute 53-jährige Fani Willis in Gerichtsgebäuden bald besser aus als in Schulhäusern. Logisch, dass auch sie ein Jus-Studium gewählt hat, das sie 1996 an der Emory University Georgia abschloss.
Seit 2018 ist Willis Staatsanwältin in Fulton County, einem Bezirk des Bundesstaates Georgia. Dieser vorwiegend von Schwarzen bewohnte Bezirk geriet nach den Präsidentschaftswahlen 2020 in die Schlagzeilen. Ohne Beweise behauptete das Trump-Lager, es habe in Fulton County massiven Wahlbetrug gegeben. Der Ex-Präsident wandte sich daher persönlich an Staatssekretär Brad Raffensberger und verlangte von diesem in einem denkwürdigen Telefongespräch, er solle ihm doch bitte die 11'780 Stimmen besorgen, die ihm für einen Wahlsieg in Georgia fehlten.
Dummerweise für Trump wurde dieser Telefonanruf von einer jungen Mitarbeiterin des Ex-Präsidenten aufgezeichnet. Nach dem 6. Januar 2021 hatte diese ein so schlechtes Gewissen, dass sie dafür sorgte, dass diese Tonband-Aufzeichnungen an die Öffentlichkeit gelangten. Trump hatte jetzt ein grosses Problem – und Fani Willis einen Fall.
Willis ging in die Vollen. Während der Sonderermittler Jack Smith auf Trump fokussierte, eröffnete sie einen sogenannten Rico-Fall. Diese für das organisierte Verbrechen konzipierte Prozessordnung macht es möglich, dass man mehrere Personen gleichzeitig anklagen und sie gegeneinander ausspielen kann. Gleichzeitig beträgt die Mindeststrafe bei einer Verurteilung in einem Rico-Fall fünf Jahre Gefängnis, ohne Bewährung.
Mehrere namhafte amerikanische Juristen vertraten daher die Meinung, dass der Rico-Fall der Fani Willis die grösste Bedrohung für Trump sei, zumal dieser selbst bei einer Wiederwahl keine Möglichkeit hat, einen allfälligen Schuldspruch aufzuheben. Präsidenten können nur nationale Verbrechen begnadigen, nicht aber solche, die von einem bundesstaatlichen Gericht gefällt worden sind.
Tatsächlich sollte sich bald zeigen, dass Trump in grossen Nöten steckt. Willis gelang es nach fast zweijährigen Untersuchungen und unzähligen Zeugenbefragungen, eine Grand Jury – ein Gremium von Geschworenen, die darüber entscheiden, ob jemand angeklagt werden darf – zu überzeugen, dass nicht nur der Ex-Präsident, sondern mit ihm 18 weitere Personen sich in einem Prozess verantworten müssen.
Anfänglich schien es sehr gut für Willis zu laufen. Wie es bei Rico-Fällen üblich ist, begannen bald erste Angeklagte, sich schuldig zu bekennen, um als Gegenleistung eine milde Strafe zu erhalten. So die Anwältin Sidney Powell, welche die absurde These vertrat, wonach die Wahlmaschinen durch Hugo Chávez, den 2013 verstorbenen Diktator von Venezuela, manipuliert gewesen seien. Ebenfalls schuldig bekannte sich der frühere Trump-Anwalt Kenneth Chesebro und die ehemalige Trump-Anwältin Jenna Ellis, der Sidekick von Rudy Giuliani.
Zudem verwehrte der zuständige Richter dem ebenfalls angeklagten Mark Meadows, Trumps ehemaligem Stabschef, dass sein Prozess separat und vor einem nationalen Gericht stattfinden kann.
Dank Willis kam Trump auch zu seinem berühmten «Mugshot», dem Polizeifoto, das gemacht wird, wenn sich ein Angeklagter zum ersten Mal dem Richter stellen muss.
All diejenigen, die am Vorgehen von Willis Zweifel hatten – und das waren viele – mussten nun Kreide fressen. Statt Willis zu kritisieren, begannen sie zu rätseln, welcher Prozess für Trump bedrohlicher sei: der Prozess in Washington, wo es um dessen Rolle beim Sturm aufs Kapitol geht, oder der Fall in Georgia.
Die Diskussion könnte sich bald erübrigen, denn der Prozess in Georgia droht zu platzen. Schuld daran ist eine fast unerklärliche Dummheit der Staatsanwältin, oder einmal mehr die Erkenntnis, dass im Kampf Unterleib gegen Hirn meist der Unterleib siegt.
Einer der Angeklagten, ein gewisser Michael Roman, hat erfahren, dass Willis eine Affäre mit Nathan Wade, dem Leiter ihres Untersuchungsteams, hatte. Die Staatsanwältin hat diesen privaten Anwalt angeheuert, obwohl er keine Erfahrung in Rico-Fällen hat, und sie hat Zahlungen in der Höhe von insgesamt 650'000 Dollar für seine Dienste genehmigt. Die Affäre ist nicht illegal, die Kosten für den Juristen Wade entsprechen den üblichen Tarifen. Trotzdem hat sich Willis mit ungeschicktem Verhalten in eine prekäre Lage gebracht.
Inzwischen hat sich nämlich ein weiterer Richter eingeschaltet. Er muss abklären, ob Willis ihrem ehemaligen Geliebten – das Verhältnis ist inzwischen passé – einen Job zugeschanzt hat, ob sie selbst davon profitiert hat, und ob die beiden gar Meineid begangen haben.
Der Reihe nach: Willis erklärt, ihre Romanze habe erst nach der Anstellung von Wade begonnen. Die beiden erklären auch übereinstimmend, dass bei den gemeinsamen Ausflügen – unter anderem Ferien in der Karibik – die Kosten aufgeteilt worden seien. Das Gegenteil konnte ihnen bisher nicht nachgewiesen werden. Und was der Zeitpunkt des Beginns der Romanze betrifft, hat Willis gar eine eidesstattliche Erklärung unterschrieben.
Das wird jedoch in Zweifel gezogen. Eine ehemalige Mitarbeiterin und Freundin von Willis hat unter Eid das Gegenteil ausgesagt. Ihre Aussage hat jedoch einen gravierenden Makel: Die Zeugin wurde von Willis wegen mangelnder Leistung gefeuert.
Es gibt jedoch noch weitere angebliche Beweise. Die Anwältin der Klage gegen Willis verweist auf insgesamt 12'000 Telefonanrufe, welche gemäss Angaben der Telefongesellschaft zwischen Willis und Wade stattgefunden hätten. Auch dieser Beweis steht jedoch auf wackligen Füssen, da diese Statistiken notorisch fehlerhaft sind.
Schliesslich ist da noch Wades ehemaliger Partner und Scheidungsanwalt, ein gewisser Terence Bradley, der ursprünglich ebenfalls ausgesagt hatte, das Verhältnis der beiden habe vor dem Zeitpunkt der Anstellung von Wade begonnen. Vor Gericht hat Bradley diese Aussage jedoch wieder zurückgenommen. Jetzt erklärt er auch unter Eid, dass seine ursprüngliche Aussage reine Spekulation gewesen sei.
Meineid ist eine ernsthafte Straftat. Sollte der Richter zum Schluss kommen, dass Willis unter Eid gelogen hat, dann wird es bitter für die Staatsanwältin. Dann wird ihr der Prozess gegen Trump entzogen, und sie wird vom Gericht ausgeschlossen. Das wäre nicht nur das unrühmliche Ende einer äusserst begabten Strafverfolgerin, es wäre auch ein unverhofftes Geschenk an Trump und seine Mitangeklagten.
Das Rechtsverständnis in den USA ist wirklich skurril. Man würde fast denken, es entstammt einem dystopischen Film, aber nein, es ist Realität
Klar, wenn sie Meineid begonnen hat, dann hat sie einen riesigen Fehler gemacht. Aber das ist doch bisher reine Spekulation..
Und da die Vorwürfe von einer Seite her kommt, die bisher noch immer gelogen hat, würde ich da nicht zu viel Gewicht auf solche Behauptungen legen.