Okay, der nächste US-Präsident wird erst in dreieinhalb Jahren gewählt werden. Jetzt schon darüber zu spekulieren, mag daher ein bisschen früh sein. Mögliche Favoriten gehen jedoch bereits in Stellung: Mike Pence wird in den kommenden Tagen ein Buch veröffentlichen. Dass Ted Cruz und Marco Rubio antreten wollen, ist ein offenes Geheimnis. Die ehemalige Uno-Botschafterin Nikki Haley hofft, als Frau zu punkten, Josh Hawley mit seiner Jugend.
Die besten Chancen werden jedoch einem Mann eingeräumt, den bisher noch niemand auf dem Zettel hatte: Ron DeSantis. Der 42-jährige Gouverneur von Florida wird neuerdings als Superstar der Grand Old Party (GOP) gehandelt. Wer also ist dieser DeSantis?
Bei seiner Wahl zum Gouverneur 2018 hat sich DeSantis als typischer «Florida Man» aufgeführt. In den USA ist das kein Kompliment. Der Ausdruck steht für überkandidelte Machos mit begrenzter Intelligenz. DeSantis entsprach diesem Klischee fast vollständig: In Wahlkampf-Videos las er seinem Sohn aus einem Trump-Bilderbuch vor und liess ihn mit Bauklötzen eine Mauer bauen. DeSantis ist verheiratet und hat drei Kinder.
Doch die Masche hatte Erfolg: DeSantis schlug seinen demokratischen Herausforderer Andrew Gillum, wenn auch nur sehr knapp.
Als Gouverneur hingegen überraschte DeSantis seine Kritiker. Er handelte sehr pragmatisch und verabschiedete beispielsweise ein Programm zur Rettung der Everglades. Dieses für den Tourismus so wichtige Sumpfgebiet ist in Gefahr. DeSantis handelte umsichtig, ohne je den Begriff «Klimawandel» ins Spiel zu bringen, ein Reizwort innerhalb der GOP.
Profil gewann DeSantis primär, weil er sich in der Coronakrise als Gegenpol der demokratischen Gouverneure positionierte. Während etwa Andrew Cuomo in New York einen strikten Lockdown verordnete, blieben in Florida Küsten und Bars weitgehend offen. DeSantis schützte vor allem die zur Risikogruppe gehörenden Rentner, von denen es im «Sunshine State» bekanntlich sehr viele gibt.
Allen Unkenrufen zum Trotz kam es bisher zu keiner Katastrophe. Die Fallzahlen in Florida bewegen sich im amerikanischen Durchschnitt. Der einst gefeierte Cuomo hingegen steht inzwischen in der Kritik. Sein mangelnder Schutz der Altersheime hat überdurchschnittlich viele Opfer gefordert. (Zudem hat Cuomo auch noch ein Frauen-Belästigungs-Problem, aber das ist eine andere Geschichte.)
DeSantis ist inzwischen zum Vorzeige-Politiker der Konservativen in Sachen Corona geworden. Regelmässig wird er auf Fox News gefeiert, oft gemeinsam mit Scott Atlas, dem umstrittenen Radiologen, der sich einst im Krisenstab von Trump für die Herdenimmunität starkgemacht hatte.
Zudem spielt das ungeschickte Verhalten der liberalen Medien DeSantis in die Hände. Lange wurde er als Verkörperung aller Fehler, die man in Sachen Covid-19 machen kann, dargestellt. Kürzlich hat ihm die renommierte TV-Sendung «60 Minutes» gar unterstellt, er habe einer Apotheker-Kette ungerechtfertigte Privilegien eingeräumt.
Der Vorwurf erwies sich als falsch, der Bericht als manipuliert. DeSantis konnte sich als Medien-Opfer darstellen. Diese Rolle ist bei Republikanern äusserst beliebt. Schon Ronald Reagan und natürlich Donald Trump haben darin brilliert.
DeSantis ist jedoch kein Trump-Double. Es gibt gewichtige Unterschiede zwischen den beiden. DeSantis stammt aus einfachen Verhältnissen. Trotzdem kann er Abschlüsse von gleich zwei Elite-Universitäten vorweisen, von Yale und Harvard. Anders als Trump gilt DeSantis zudem als jemand, der Bücher und Fachartikel liest, und zwar intensiv. Die «New York Times» bezeichnet ihn deshalb als Vertreter eines «kompetenten Trumpismus».
Für das republikanische Establishment ist dieser «kompetente Trumpismus» eine Art Erlösung. Mit DeSantis hoffen sie, die Trump-Fans bei der Stange zu behalten und gleichzeitig die so wichtigen Wählerinnen in den Vorstädten wieder zurückzugewinnen.
«Kompetenter Trumpismus» ist auch deshalb gefragt, weil sich Teile der GOP immer weiter nach rechts bewegen. So haben radikale Kongress-Abgeordnete wie Marjorie Taylor Greene, Paul Gosar und Matt Gaetz die Gründung eines «American First Caucus» verkündet, einer Fraktion innerhalb der Fraktion der GOP.
Das Ziel dieser Fraktion ist unverhüllter Rassismus und Verherrlichung der weissen Rasse. Amerika soll von Nicht-Weissen-Immigranten geschützt werden. Selbstverständlich kommt auch die bei europäischen Faschisten beliebte Theorie des «Grossen Austauschs» ins Spiel. Sie besagt, dass die Weissen in Europa und in den USA Zug für Zug durch farbige Zuwanderer ersetzt werden sollen. Davor wollen die Vertreter des American First Caucus die USA bewahren.
Dieser offene Rassismus wird selbst der Rennleitung des GOP langsam unheimlich. Kevin McCarthy, der Minderheitsführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, hat sich dagegen ausgesprochen: «Amerika ist auf der Vorstellung aufgebaut, dass wir alle gleich geschaffen worden sind und dass der Erfolg eines jeden auf harter ehrlicher Arbeit beruht», tweetete er.
Ron DeSantis mag sich als Erbe Trumps verstehen, ob der das auch so sieht, ist fraglich. Trump will Chef der GOP und deren Königsmacher sein. Er duldet keine Götter neben sich und pflegt, alles niederzumähen, was ihm gefährlich werden könnte.
Ob Trump selbst 2024 nochmals in den Ring steigen will, lässt er bewusst offen. Er wird jedoch noch länger mit dieser Idee flirten und es damit allen anderen sehr schwer machen, Profil zu gewinnen.
Das grösste Problem des Trump-Fans DeSantis ist daher ironischerweise Trump selbst. Ross Douthat formuliert es in der «New York Times» wie folgt:
Leowind Pilz
YvesM
smartash
Was kommt als nächstes? Ein gerade Kurve?
Trumpismus zeichnet sich doch auch durch Inkompetenz aus