Keiner hat mehr Angst vor Donald J. Trump
Derzeit ist kein Gebäude im Umkreis von Washington D.C. vor ihm sicher: Das unscheinbare «Institute of Peace» wurde in das grossspurig klingende «Donald J. Trump United States Institute of Peace» umgetauft. Das Kennedy Center, das grösste Kulturzentrum in der Hauptstadt, soll neu das Trump-Kennedy Center werden. Weil der Flughafen für Inlandflüge den Namen von Ronald Reagan trägt, soll das Pendant für Auslandsflüge, der Dulles Airport, künftig Trump-Airport heissen.
Im kommenden Juni wird Trump seinen 80. Geburtstag feiern. Er befindet sich in einem Alter, in dem man ernsthaft über seinen Nachlass nachdenkt. Deshalb reicht es ihm nicht aus, einen monströsen Ballroom an das Weisse Haus anzubauen. So wie ein Hund an jeden Strassenpfahl pinkelt, ist der Präsident geradezu panisch bemüht, seinen Namenszug an allen möglichen und unmöglichen Orten anzubringen.
Dabei weiss er auch, dass ihm die Zeit davon rennt, nicht nur, weil seine gesundheitlichen Probleme immer offensichtlicher werden. Wie ein alternder Löwe beginnt er zu realisieren, dass seine Macht schwindet, und dass Marjorie Taylor Greene wohl recht hat, wenn sie in der Sendung «60 Minutes» erklärt, dass viele auch in der Grand Old Party (GOP) über ihn lästern, oder noch schlimmer, sich über ihn lustig machen.
Die Anzeichen von Trumps Machtzerfall sind überall zu beobachten. Die konservativen Hardliner im Abgeordnetenhaus wollen auf keinen Fall die Krankenkassen-Subventionen um zwei Jahre verlängern, obwohl Trump genau dies vorgeschlagen hat. Gleichzeitig muss der von ihm gesalbte Speaker, Mike Johnson, einen Zwergen-Aufstand der GOP-Frauen abwehren. Selbst die treuesten Trump-Groupies sind in diesen Aufstand verwickelt.
Nancy Mace, eine Abgeordnete aus South Carolina, schreibt dazu in einem Gastkommentar in der «New York Times»: «Hier ist die Wahrheit, welche die Republikaner nicht hören wollen. Nancy Pelosi (legendäre Speakerin der Demokraten) war effektiver als alle Republikaner in diesem Jahrhundert. Ich war mit ihr in keinem Punkt einig, aber sie hat verstanden, was wir nicht tun: Es gibt keine permanente Mehrheit. Sind die Demokraten an der Macht, peitschen sie eine äusserst progressive Politik durch das Parlament. Sie liefern für die Koalition, die sie gewählt haben.»
Zum Vergleich: Mike Johnson hat die Abgeordneten zwei Monate lang in die Zwangsferien geschickt, um eine Abstimmung über die Herausgabe der Epstein-Files zu verhindern. Trotzdem musste er am Schluss nachgeben. Und wenn wir es gerade von den Epstein-Files haben: Sie sind derzeit für ein paar Wochen in den Hintergrund geraten, aber noch keineswegs vom Tisch. Per Gesetz muss sie das Justizministerium noch vor Weihnachten herausrücken.
Im Vordergrund steht derzeit jedoch Verteidigungsminister Pete Hegseth und sein Verhalten im Karibischen Meer. Am 2. September hat das US-Militär zwei völlig hilflos im Wasser treibende angebliche Drogenschmuggler kaltblütig ermordet und damit sowohl gegen Völker- und Kriegsrecht als auch gegen interne Vorschriften verstossen.
Der Vorfall wurde dokumentiert. Senatoren des zuständigen Ausschusses haben die entsprechenden Videos gesehen und viele von ihnen waren schockiert. Sie verlangen daher, dass sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Trump hat diesem Anliegen zunächst zugestimmt, jetzt aber wieder einen Rückzug gemacht. Doch der Kongress lässt nicht locker. Ein Viertel der Ausgaben für die Reisekosten des Verteidigungsministers sollen gestrichen werden, wenn Hegseth die Videos weiter unter Verschluss hält.
Auch das kürzlich veröffentlichte Strategiepapier zur nationalen Sicherheit wird selbst von konservativen Kreisen scharf kritisiert. Nur in Moskau und Peking hat man Freude daran, denn der schlimmste Feind der USA sind neuerdings nicht mehr China oder Russland, sondern Europa, das angeblich in Dekadenz versinken soll. «Diese Strategie ist voll von Widersprüchen», kommentiert so das «Wall Street Journal». «Es offeriert eine eingeschränkte (und falsche) Geschichte des amerikanischen Niedergangs vor Trump und behauptet gleichzeitig, die USA hätten die beste Wirtschaft der Welt. Es fordert, dass wir gemeinsam gegen den chinesischen Merkantilismus ankämpfen müssen und feiert gleichzeitig die Zölle gegen die Verbündeten der USA.»
Zur eigentlichen Achillesferse für Trump entwickelt sich die «Erschwinglichkeit»-Krise. Der Präsident wird von seinen eigenen Lügen eingeholt. Im Wahlkampf hatte er versprochen, dass er «Amerika wieder erschwinglich machen werde, und zwar am ersten Tag meines Amtsantritts».
Nach bald einem Jahr im Weissen Haus ist diese Krise jedoch nicht behoben. Ja, sie droht gar noch weit schlimmer zu werden, denn am 1. Januar 2026 werden wegen der Coronakrise eingeführte Subventionen wegfallen und deshalb werden die Krankenkassenprämien für Millionen von Amerikanern explodieren.
Dagegen hat Trump noch kein Rezept gefunden, ja nicht einmal ein «Konzept für einen Gesundheitsplan». Deshalb pendelt er zwischen Aussagen, wonach die «Affordability»-Krise eine Erfindung der Demokraten sei, und dem Versprechen, sie demnächst zu lösen.
Zollpolitik wird zum Desaster
Immerhin hat Trump bereits einen Teil seiner Zölle wegen dieser Krise wieder abblasen müssen. Lebensmittel wie Kaffee, Bananen und Rindfleisch dürfen wieder zollfrei eingeführt werden. Gleichzeitig will der Präsident den Bauern mit 12 Milliarden Dollar unter die Arme greifen. Weil die Chinesen ihre Käufe von amerikanischen Sojabohnen drastisch reduziert haben, beklagen die Bauern jedoch Verluste in der Höhe zwischen 35 und 43 Milliarden Dollar.
Generell entwickelt sich Trumps Zollpolitik zu einem Desaster. Die in Aussicht gestellten Jobs in der Industrie bleiben nicht nur aus, im laufenden Jahr sind vielmehr bisher rund 50’000 Arbeitsplätze gestrichen worden. Auch finanziell geht die Rechnung in keiner Art und Weise auf. Mit den Zolleinnahmen wollte Trump eigentlich das nach wie vor grosse Loch in der Staatskasse stopfen. Bisher sind jedoch erst rund 250 Milliarden Dollar dank Zöllen eingenommen worden. Der durch die Steuergeschenke verursachte Ausfall wird jedoch auf rund 2,7 (deutsche) Billionen Dollar geschätzt. Rechne!
Die Amerikaner haben das Vertrauen in Trump verloren. Seine Zustimmungswerte sind gemäss einer soeben veröffentlichten Umfrage der «New York Times» auf einen neuen Tiefpunkt gesunken. Gerade was die Wirtschaftspolitik betrifft, sind die Zahlen besonders schlecht: Lag die Zustimmung im Juli noch bei 43 Prozent – bereits das kein guter Wert – ist sie derzeit auf 36 Prozent gesunken.
Mit seiner Slapstick-Parodie hat einst Charlie Chaplin Adolf Hitler lächerlich gemacht. Dabei musste er gar nicht viel verändern. Diktatoren, die ihr Charisma verlieren, sind lächerlich – und wer die peinliche Verleihung eines «Friedenspreises» der FIFA an den US-Präsidenten gesehen hat, wird unschwer erkannt haben, dass Trump auf dem besten Weg dazu ist, sich in die Reihe dieser Witzfiguren einzureihen.
