Dass Meinungsumfragen auch nicht mehr sind, was sie einmal waren, hat sich herumgesprochen. Aber Wettquoten? Eine ganz andere Geschichte. Schwarm-Intelligenz führt dazu, dass sich das entscheidende Signal aus dem Lärm schält, und wer wettet, der tut dies nicht nur mit seiner Überzeugung, sondern auch mit seinem Geld.
Donald Trump hat derzeit die deutlich besseren Wettquoten als Kamala Harris. Das ist einer der Gründe, weshalb seine Anhänger ihn bereits als Sieger feiern. Auch der Ex-Präsident gibt sich zuversichtlich. «Ich habe zwar keine Ahnung, was zum Teufel dies bedeutet, aber es bedeutet wohl, dass wir gut unterwegs sind.»
Nun ja, vielleicht. In der Vergangenheit hat es krasse Fehleinschätzungen gegeben. 2016 haben die Wettquoten einen Sieg von Hillary Clinton vorausgesagt, 2020 eine Wiederwahl von Trump, und 2022 einen Erdrutsch-Sieg der Republikaner. Auch in vielen regionalen Wahlen lagen die Quoten immer wieder daneben.
Das angesagteste Büro in Sachen Polit-Wetten ist derzeit das Unternehmen Polymarket. Es wurde 2020 von einem 26-jährigen Studienabbrecher namens Shayne Coplan gegründet und wickelt seine Geschäfte in Kryptos ab. Im Sommer 2024 ist der konservative Milliardär und Trump-Fan Peter Thiel als Mehrheitsaktionär eingestiegen.
So gesehen ist es mehr als fragwürdig, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Dieser Verdacht wird genährt durch die Tatsache, dass bei den Polit-Wetten der Markt nicht liquid ist, will heissen, man kann mit relativ kleinen Einsätzen grosse Schwankungen auslösen. Das scheint auch der Fall zu sein.
Trump hat seinen Vorsprung bei Polymarket nur vier Benutzerkonten zu verdanken. Sie tragen exotische Pseudonyme wie Fredi9999 und PrincessCaro, und sie sollen Krypto-Einsätze im Wert von umgerechnet rund 30 Millionen Dollar getätigt haben. Nun ist bekannt geworden, dass diese vier Konten von einer einzigen Person kontrolliert werden, und dass diese Person ein unbekannter Franzose sein soll.
Ähnlich merkwürdig verhält sich auch der Kurs der Aktie von Trump Media & Technology Group, der Holding hinter der Plattform Truth Social. Nüchtern betrachtet ist dieses Unternehmen vollkommen wertlos und börsentechnisch gesehen ein schlechter Witz. Im ersten Quartal 2024 hat es bei einem Umsatz von 770’500 Dollar einen Verlust von 328 Millionen Dollar eingefahren.
Trotzdem ist der Kurs der Aktien in den letzten Tagen von unter 20 auf über 50 Dollar emporgeschnellt. Das ist nur damit zu erklären, dass man auf einen Sieg von Trump spekuliert –, oder dass man von raffinierten Spekulanten über den Tisch gezogen wird. Gestern ist der Kurs der Aktie nämlich wieder um rund 30 Prozent eingebrochen.
Fragwürdige Wettquoten, noch fragwürdigere Sprünge des Kurses der Trump-Aktie, die Republikaner schrecken vor nichts zurück, auch nicht davor, Umfragen zu ihren Gunsten zu verfälschen. In den letzten Tagen hat man eine Flut von Umfragen gesehen, die einen Sieg von Trump prognostizieren. Besonders krass ist eine dieser Umfragen des rechten Influencers Miles Cheong ausgefallen. Er hat 1,1 Millionen Follower auf X.
Diese Umfrage behauptet, Trump werde auf nationaler Ebene 74,3 Prozent der Stimmen einheimsen. Das wäre ein Sieg, den es in der amerikanischen Geschichte noch nie gegeben hat. «Trump gewinnt auf jeden Fall. Die Daten zeigen es», behauptet Cheong unverdrossen.
Was wollen die Republikaner mit dieser offensichtlich gefakten Umfrage erreichen? «Sie setzten diese Informationen in die Umwelt, um den Eindruck zu erwecken, Trump sei stärker», erklärt Joshua Dyck, Direktor des Center for Public Opinion in der «New York Times». Damit sollen die demokratischen Wähler verunsichert und stark deprimiert werden, dass sie nicht mehr zur Urne gehen.
Gleichzeitig drängt sich der Verdacht, dass die gefakten Umfragen auch den Boden vorbereiten sollen für eine Wiederholung der Big Lie, der Lüge, wonach bei einem allfälligen Wahlsieg von Harris die Wahlen zu Ungunsten von Trump manipuliert wurden.
Ein Wahlsieg von Harris wird tatsächlich immer wahrscheinlicher. So meldet die «Washington Post» dass die Vize-Präsidentin bei den frühzeitig abgegebenen Stimmen in den Swingstates deutlich in Führung liegt. Aufgrund von Nachwahl-Befragungen, durchgeführt von Marist, CNN, Fox News und USA Today, liegt Harris aktuell in Arizona mit 9-12 Prozentpunkten in Führung. In Georgia sind es 7-10, in Michigan 26-39, in North Carolina 2-6 und Pennsylvania 17-35 und in Wisconsin 22-60 Prozentpunkte.
Selbstverständlich dürfen auch diese Zahlen nicht überbewertet werden. Das Rennen bleibt ein «toss up», will heissen, der Ausgang ist genauso ungewiss, wie wenn man eine Münze aufwirft. Doch die Zahlen deuten darauf hin, dass die Strategie von Harris aufgeht. Sie richtet sich ganz gezielt an weisse Frauen. Diese stellen rund 30 Prozent der Wählerschaft dar.
Bei den letzten beiden Wahlen haben die weissen Frauen sich mit einer knappen Mehrheit für Trump entschieden. 47 Prozent waren es bei Hillary Clinton, 53 Prozent bei Joe Biden. Dieses Jahr liefern sich Harris und Trump bei den weissen Frauen gemäss den jüngsten Zahlen der New York Times/Siena College ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Um die letzten Unentschlossenen zu überzeugen, haben sich die demokratischen Wahlstrategen etwas Neues einfallen lassen. In öffentlichen Toiletten werden pinke Post-It-Zettelchen angeklebt, mit der Botschaft; «Von Frau zu Frau – deine Stimme ist geheim. Unterstütze deine Rechte im November! Wir gehen nicht zurück.»