«Dann sollen sie doch Kuchen essen», soll Marie-Antoinette gespottet haben, als hungrige Massen in den Strassen von Paris nach Brot verlangten. Es war ein dummer Spruch mit fatalen Folgen. Wenig später hatte Frankreich seine Revolution und die Königin landete unter der Guillotine.
Den Kopf wird Donald Trump der folgende Tweet nicht kosten, aber möglicherweise sein Amt. Er ist nicht weniger dumm und lautet wie folgt:
Der Präsident will somit sämtliche Corona-Hilfe bis nach den Wahlen auf Eis legen. Konkret bedeutet dies, dass Millionen von amerikanischen Haushalten und Unternehmen, von Airlines bis zu KMU, ab sofort auf dem Trockenen sind. Familien werden aus ihren Wohnungen vertrieben und Kinder hungern, weil kein Geld mehr da ist.
Selbst alte Polit-Hasen können sich nicht erklären, was sich der Präsident dabei gedacht hat. So erklärt William Hoagland, ein ehemaliger Berater der GOP, im «Wall Street Journal»: «Es scheint beinahe undenkbar, dass die Verhandlungen abgewürgt werden. Beide Seiten mögen Fehler gemacht haben. Aber Ich sehe nicht, wie das Trump politisch nützen könnte.»
Die Demokraten haben umgehend auf den präsidialen Tweet reagiert. Nancy Pelosi, Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, nannte Trumps Vorgehen «einen Akt der Verzweiflung». Präsidentschaftskandidat Joe Biden erklärte derweil:
Auch in den Reihen der Republikaner stiess die präsidiale Ankündigung auf Unverständnis. Sie befürworte keineswegs, dass Coronahilfspaket zu verschieben, erklärte Senatorin Susan Collins. Die demokratische Abgeordnete Elissa Slotkin ergänzte: «Ich kann nicht verstehen, weshalb der Präsident die Verhandlungen einstellen will, es sei denn, es handle sich um einen zynischen Schachzug.»
Nicht nur politisch, auch ökonomisch macht Trumps Vorgehen keinen Sinn. Stunden zuvor hatte nämlich Jerome Powell, der Präsident der amerikanischen Notenbank Fed, genau das Gegenteil gefordert. Man könne derzeit gar nicht genug Geld in die Wirtschaft pumpen, sagte Powell und erklärte weiter:
Auch die Börsen reagierten heftig. Der Dow Jones etwa verlor kurz nach Trumps verhängnisvollem Tweet rund 600 Punkte.
Inzwischen hat der Präsident seine übereilte Ankündigung teilweise widerrufen. Trotzdem hat er Mitch McConnell, dem republikanischen Mehrheitsführer im Senat, geraten, die Wahl der neuen Bundesrichterin Amy Barrett prioritärer zu behandeln als ein Coronahilfspaket.
Dazu kommt, dass der Präsident immer wirrer agiert. Obwohl seit der Veröffentlichung der Tonbänder von Bob Woodward bekannt ist, dass Trump weiss, wie gefährlich das Coronavirus ist, vergleicht er Covid-19 neuerdings wieder mit einer harmlosen Grippe und rät den Amerikanerinnen und Amerikanern, dagegen anzukämpfen.
Im Weissen Haus herrscht derweil blankes Chaos. Täglich werden neue Coronafälle bekannt. Nach der Beraterin Kellyanne Conway hat es nun auch den Berater Stephen Miller und Pressesprecherin Kayleigh McEnany erwischt.
Zudem müssen die USA hoffen, dass niemand einen Krieg gegen sie anzetteln will. Praktisch alle Mitglieder der obersten Militärführung befinden sich derzeit in Quarantäne.
Spätestens seit seinem bizarren, an Mussolini oder Kim Jong Un erinnernden Auftritt auf dem Balkon des Weissen Hauses drängt sich ernsthaft die Frage auf: Ist der Präsident überhaupt noch zurechnungsfähig? Die Antwort ist den zuständigen Spezialisten überlassen. Doch eines macht Thomas Friedman in seiner Kolumne in der «New York Times» bereits klar: «Trump wieder zu wählen, wäre ein Akt kollektiven Wahnsinns.»
Nun können sie erleben, was es bedeutet, wenn sich der Staat möglichst immer aus allem heraushält:
Chaos, Armut und ungerecht verteilter Reichtum für einige wenige mit den stärksten Ellbogen.
Was haben sich nur die US-Amerikaner gedacht, als sie ihn wählten. Das wird man wohl nie wissen.