Er soll laut geworden sein im Kreml. Nach ihrem gescheiterten Putschversuch soll Wladimir Putin Jewgeni Prigoschin und die Kommandeure der Wagner-Söldner im Juni nach Moskau bestellt haben. Der russische Präsident habe «die ganze Bande drei Stunden lang angeschrien», sagte ein Wagner-Kommandant in einem Interview mit der Nachrichtenplattform «Meduza» im August.
Nach allem, was man weiss, war es das letzte Treffen zwischen Putin und seinem ehemaligen Chefkoch. Knapp einen Monat später stürzte der Wagner-Chef mit seinem Flugzeug ab – und die Söldnertruppe wurde mit einem Schlag enthauptet.
Zwar gibt es noch immer keine Beweise, dass Putin für den mutmasslichen Tod von Prigoschin verantwortlich ist. Aber die Botschaft des Flugzeugabsturzes war eindeutig: Es ist nicht gut für die Gesundheit, wenn eine Privatarmee eine Meuterei anzettelt und die dann abbricht. Wenn Putin wütet und schreit, war nicht einmal Prigoschin sicher.
Doch was passiert nun mit den Wagner-Söldnern? Prigoschins Kämpfer könnten weiter für den Kreml kämpfen – sie könnten sich aber auch von Putin abwenden. In Russland brodelt in jedem Fall die Gerüchteküche, Prigoschins mutmasslicher Tod verbreitet noch immer grosse Unruhe.
Vor allem ein irre anmutendes Video von Prigoschin schlägt in Russland noch immer grosse Wellen. Es wurde vor allem auch in zahlreichen Telegram-Gruppen wie «Grey Zone» geteilt, denen nachgesagt wird, dass sie Wagner nahestehen.
«Für diejenigen, die aktuell darüber streiten, ob ich noch lebe oder nicht: Wie geht es mir?», sagt Prigoschin in dem Video. «Es ist jetzt Wochenende, die zweite Augusthälfte 2023. Ich bin in Afrika. Meine Fans diskutieren über meine Beseitigung, es ist aber alles in Ordnung.»
Experten bewerten dieses Video als Fake, aber es trifft einen Nerv. Denn in Russland gehen viele Menschen davon aus, dass Prigoschins Tod inszeniert wurde. Laut Umfragen sind viele Menschen davon überzeugt, dass der Wagner-Chef tatsächlich noch lebt.
Prigoschin ist noch tief in den Köpfen vieler Russen verankert. «Es würde mich nicht wundern, wenn in ein paar Wochen jemand beschliesst, Prigoschins Leiche aus dem Grab auszugraben, um der Wahrheit ein für alle Mal auf den Grund zu gehen», schreibt der russische Blogger Andrej Okun auf Telegram.
Ähnlich wie Prigoschin haben auch seine Wagner-Söldner in Teilen der russischen Bevölkerung Heldenstatus. Sie waren bei der Krim-Annexion im Einsatz, kämpften in Syrien und in vielen afrikanischen Ländern. Und zuletzt waren es Prigoschins Kämpfer, die Anfang 2023 Bachmut in der Ukraine eroberten. Auch aufgrund dieser Verdienste lässt Putin sie nicht als Verräter brandmarken, gibt ihnen die Chance, sich in die Armee zu integrieren.
Trotzdem stehen die Wagner-Söldner nach Prigoschins mutmasslichem Tod im Abseits. Tausende Kämpfer sind noch immer in Belarus oder in einigen afrikanischen Ländern wie Mali stationiert – und sie stehen nun vor einer ungewissen Zukunft.
Prigoschins Armee soll vor der Meuterei im Juni um die 25'000 Kämpfer umfasst haben. Weniger als die Hälfte der Söldner gingen nach dem gescheiterten Aufstand offenbar nach Belarus, einige unterschrieben schon Verträge des russischen Verteidigungsministeriums und sollen wahrscheinlich in die russische Armee integriert werden. Im vergangenen Monat sollen den Söldnern ihre schweren Waffen abgenommen worden sein, und sie sollen vom Kreml auch nicht mehr bezahlt worden sein.
Es könnten die ersten Anzeichen dafür sein, dass es für Wagner langsam zu Ende geht. Die Gruppe scheint führungslos zu sein, denn neben Prigoschin starben offenbar auch Wagner-Mitgründer Dmitri Utkin und Sicherheits- und Logistikchef Waleri Tschekalow. Und auch die Rekrutierungs-Hotline in Sankt Petersburg ist nach Angaben der russischen Zeitung «Fontanka» nicht mehr in Betrieb.
Putin könnte Wagner nun einfach austrocknen, denn die Söldner müssen bezahlt werden. Das passiert offenbar nicht, und einen Nachfolger für Prigoschin scheint der Kreml auch nicht zu präsentieren. «Der Heldenmut dieser Menschen wird unvergessen bleiben, darüber sprach der Präsident», sagte Putin-Sprecher Dimitri Peskow. «Ich kann jetzt nicht sagen, was in Zukunft passiert.»
Das alles klingt so, als sei Wagner schon tot. Doch ist dem so? Fest steht nur: Die Söldnertruppe könnte auseinanderfallen.
Daran ändern auch die Aussagen von Alexander Lukaschenko nichts. «Wagner hat gelebt, Wagner lebt und Wagner wird in Belarus leben, egal ob es jemandem gefällt oder nicht», erklärte der belarussische Machthaber. «Prigoschin und ich hatten bereits ein System erstellt, wie wir arbeiten werden.» Doch auch Lukaschenko scheint nicht für den Verbleib der Söldner zahlen zu wollen, denn für Belarus sind zahlreiche wütende Söldner auch ein Sicherheitsrisiko.
Die Stimmung im Wagner-Lager scheint nämlich aktuell nicht besonders gut zu sein. Laut dem Recherchenetzwerk «Istories» soll innerhalb der Gruppe eine Audiobotschaft kursieren. Die angebliche Nachricht:
Aber auch dort sei es schwierig. «Wir stehen in harter Konkurrenz zum Verteidigungsministerium und der Russischen Garde, die ebenfalls versuchen, dort mitzumischen», heisst es weiter.
Die Söldner sollen nun laut der verbliebenen Führung nach anderen Möglichkeiten suchen, Geld zu verdienen. Wenn Lukaschenko also nicht für die Wagner-Truppen bezahlt, bliebe für die Kämpfer nur die Option, sich anderen russischen Einheiten anzuschliessen, so der Duma-Abgeordnete Viktor Sobolew Ende August. «Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder findet man sich im zivilen Leben wieder oder wird Vertragssoldat.»
Vor allem das russische Verteidigungsministerium unter Minister Sergei Schoigu möchte wahrscheinlich nach all der Kritik an der russischen Kriegsführung in der Ukraine von Prigoschin möglichst zügig einen Schlussstrich unter Wagner ziehen. Das militärische Gewaltmonopol könnte demnach wieder vollständig zum Kreml wandern.
Doch orientierungslose Söldner sind auch immer ein Risiko, weil unterschiedliche Gruppen laut Informationen der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) um die Kämpfer buhlen. Darunter sei auch das Russische Freiwilligenkorps, das aus russischen Staatsbürgern besteht und an der Seite der Ukraine gegen Russland kämpft.
Das Russische Freiwilligenkorps wandte sich öffentlich an die Wagner-Söldner, die Botschaft im Wortlaut:
Das könnte vor allem die Wagner-Kämpfer ansprechen, die davon ausgehen, dass Putin Prigoschin ermordet hat. Schliesslich galt der ehemalige Wagner-Chef bei seinen Soldaten als äusserst beliebt.
Deswegen ist es durchaus möglich, dass ein Teil der Wagner-Gruppe sich am Ende gegen Putin wendet, auch wenn Experten aktuell nicht von einer grösseren Zahl ausgehen. Entscheidend wird sein, was Putin nun unternimmt. Eigentlich müsste er ein Interesse daran haben, zumindest das Wagner-Modell wiederzubeleben, selbst wenn er Wagner sterben lässt.
Prigoschin zeigte, dass Söldnertruppen russische Interessen im Ausland durchsetzen können. Während der Kreml öffentlich eine Beteiligung an Konflikten leugnen konnte, waren Wagner-Söldner in vielen Ländern aktiv. Deswegen ist aus Perspektive des Kremls reizvoll, zumindest teilweise wieder auf Privatarmeen zu setzen. Das bringt in Russland laut ISW unterschiedliche Akteure ins Spiel, die die Wagner-Geschäfte unter einem anderen Namen fortsetzen könnten. Der Kampf um Prigoschins Erbe hat gerade erst begonnen.
(t-online/dsc)
Der Rest ist stochern im Nebel.
Mögen sich die potenziellen Erben gegenseitig zerfleischen.
Aber die Wagner Söldner sind wohl kaum die mutigen Helden, als die sie sich inszenieren, sondern üblicherweise feige Schläger, welche zwar äusserst brutal gegen Unbewaffnete vorgehen, aber nur unter Androhung von Gewalt in den Kampf ziehen.
Von daher erwarte ich, dass nur wenige für die Ukraine kämpfen werden. Die Klügeren werden wohl ins organisierte Verbrechen wechseln, während die Dümmeren in die Armee wechseln