Stell dir vor, deine Familie und dein Land sind durch faschistische Nachbarn von der Vernichtung bedroht.
Du wehrst dich trotz massiver Unterlegenheit erfolgreich. Und dann gehst du selbst in die Offensive, um die besetzten Gebiete zu befreien, in denen die Invasoren töten, vergewaltigen und plündern.
Trotzdem häufen sich aus sicherer Distanz im Ausland ketzerische Stimmen, die behaupten, die Rückeroberungen kämen viel zu langsam voran. Als Tüpfelchen auf dem i sind einige der lautesten Kritiker ausgerechnet aus den Staaten, die dir nur zögerlich die benötigten Waffen liefern. (Oder die sich hinter der «Neutralität» verstecken, wie die Schweiz).
Willkommen in der Ukraine.
Kein Wunder, liegen die Nerven blank. Das zeigte sich an den undiplomatischen Äusserungen, die der ukrainische Aussenminister am Donnerstag nach einem Treffen mit Vertretern der Europäischen Union (EU) machte.
Angesichts der existenziellen Bedrohung durch Putins Russland und zaudernden Partnern wie dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz sind die Äusserungen nachvollziehbar. Doch in der Sache dürften sie nicht hilfreich sein.
Dass es anders besser geht, stellte das ukrainische Verteidigungsministerium in der Nacht auf Freitag unter Beweis. Über die Online-Plattform X (vormals Twitter) hatten die Verantwortlichen die perfekte Botschaft. Per Video.
Everyone is now an expert on how we should fight. A gentle reminder that no one understands this war better than we do. pic.twitter.com/TIwssQjiFh
— Defense of Ukraine (@DefenceU) August 31, 2023
Das kurze Video, auf dessen Pointe wir noch zurückkommen, erzielte allein in den ersten 12 Stunden nach Veröffentlichung bereits über 1,5 Millionen Views.
Und mit dieser PR-Aktion beweist die Ukraine einmal mehr, dass sie gegen Russland auch im Informationskrieg bestehen kann. Ihre wichtigsten Waffen: Herz und Humor.
Natürlich reagierte die NAFO umgehend – also das weltweite Internet-Kollektiv, das russische Troll-Armeen und Propagandisten mit ihren eigenen Waffen schlägt.
— Joe Ben Placє 🇬🇧🇺🇦 (@joseph__place) August 31, 2023
Die Ukraine sollte überkritischen «Sofa-Kämpfern» keine Beachtung schenken, fanden denn auch viele Online-Kommentatorinnen und -Kommentatoren, und bewiesen, dass die Botschaft der Armeeführung angekommen ist.
Und damit kommen wir zur Pointe des viralen Armee-Videos: Es ist eine direkte Anspielung auf das berühmte 2022er-Zitat von Wolodymyr Selenskyj, wonach er keine Mitfahrgelegenheit (zur Flucht) brauche, sondern Munition.
Tatsächlich ist der Spruch aktueller denn je.
Derweil läuft auch der russische Informationskrieg unvermindert weiter. Putins Propagandisten versuchen mit allen Mitteln und schmutzigen Tricks, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Ziel ist es, die Ukraine und ihre Unterstützer zu demoralisieren und die Militärhilfe zu sabotieren.
Die Desinformations-Kampagnen verlaufen dem Anschein nach vor allem dank grosser Social-Media-Plattformen wie Facebook, X (vormals Twitter) und TikTok relativ erfolgreich. Dies belegt eine aktuelle Fake-News-Meldung zu angeblich hohen ukrainischen Opferzahlen, die sich über dubiose Kanäle in Windeseile verbreitete. Betroffen war der ukrainische Mobilfunk-Provider Kyivstar, der daraufhin klarstellte:
Eine kürzlich von der EU-Kommission veröffentlichte Studie bestätigt, dass die Betreiber der grossen Online-Plattformen Putin in die Hände spielen. Zwar existieren Regeln zur Löschung von problematischen Inhalten, doch diese werden nicht konsequent oder gar nicht durchgesetzt.
Insbesondere Facebook und Instagram, aber auch YouTube (Google) und Telegram steigern so die Fähigkeit des Kremls, einen Informationskrieg gegen uns zu führen.
Eine besonders schlechte Falle macht offenbar auch X (vormals Twitter), das unter Elon Musk die aktive Bekämpfung von Desinformation und Fake-News praktisch eingestellt hat.
Die russischen Bemühungen beschränken sich gemäss Untersuchung nicht darauf, die Meinungsbildung über die russische Aggression in der Ukraine zu manipulieren.
Ziel ist es, Europa und Nordamerika politisch und sozial zu destabilisieren, indem ethnische Konflikte geschürt, Isolationismus gefördert und die Aufmerksamkeit von der Ukraine auf innenpolitische Angelegenheiten gelenkt wird.
Dieser Beitrag soll aber positiver enden als mit der Bedrohung, die russische Desinformation für unsere demokratischen Gesellschaften darstellt: Eine Social-Media-Nutzerin aus den Vereinigten Staaten drückte das aus, was viele Menschen im (vermeintlich) sicheren Westen angesichts des anhaltenden russischen Angriffskrieges umtreibt:
Was hältst du von der relativ laut gewordenen Kritik aus dem Westen, die ukrainische Offensive sei zu langsam?
Schreib uns via Kommentarfunktion!
Die haben mit sozial etwa so viel am Hut, wie wir Schweizer mit der Neutralität.
Eigentlich müsste man nur ein "a" davor setzen...