In Philadelphia haben einst die amerikanischen Gründerväter die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von der britischen Krone verkündet. Im National Constitution Center dieser Stadt hielt Joe Biden seine bisher gewichtigste Rede. Der Kampf gegen repressive Wahlgesetze sei «der bedeutendste Test unserer Demokratie seit dem Bürgerkrieg», so der Präsident und fügte hinzu: «Das ist keine Übertreibung.»
In den letzten Tagen hat sich der Kampf um die US-Demokratie dramatisch zugespitzt. 51 demokratische Abgeordnete aus Texas sind nach Washington geflohen. Auf diese Weise wollen sie verhindern, dass die republikanische Mehrheit im texanischen Parlament die ohnehin schon härtesten Wahlgesetze der USA noch weiter verschärft, und damit vor allem Schwarze und Latinos von den Urnen fernhalten will.
Die Texaner wollen mit ihrer Flucht den Senat in Washington aufrütteln und zum Handeln bewegen. Konkret geht es um den «For the People Act», ein Gesetz, welches für nationale Standards bei den Abstimmungen sorgt und so verhindert, dass die republikanisch regierten Bundesstaaten diskriminierende Gesetze erlassen können.
Das Abgeordnetenhaus hat dieses Gesetz bereits verabschiedet. Der Präsident hat erklärt, er werde es unterschreiben, sobald es auf seinem Pult lande. Doch genau dies verhindert der Senat. Dort gibt es den Filibuster, ein archaischer Brauch, der weder in der Verfassung steht, noch durch ein Gesetz legitimiert ist. Doch er verunmöglicht, dass das Gesetz auch umgesetzt werden kann.
Um den Filibuster auszuhebeln, müssen die Demokraten zwei aus den eigenen Reihen überzeugen: die beiden Senatoren Kyrsten Sinema und Joe Manchin. Sie haben sich bisher strikte geweigert, den Filibuster anzutasten.
Das könnte sich ändern. Biden hat nun erklärt: «Wir müssen den ‹For the People Act› verabschieden. Es ist unumgänglich.» Jim Clyburn, ein sehr einflussreicher Abgeordneter aus South Carolina, hat sich kürzlich in einem Interview dafür ausgesprochen, den Filibuster für dieses Gesetz kurzfristig aufzuheben. Und Vize-Präsidentin Kamala Harris hat durchblicken lassen, dass sie in dieser Angelegenheit mit Senatoren Verhandlungen aufgenommen habe. Senator Manchin hat sich nun bereit erklärt, die Flüchtlinge aus Texas für eine Diskussion zu empfangen.
Der Kampf um die Wahlgesetze ist mehr als ein übliches Polit-Scharmützel. Es geht ums Grundsätzliche. Der Präsident vergleicht die Angriffe der Republikaner mit den Jim-Crow-Gesetzen. Was meint er damit?
Nach dem Bürgerkrieg wurde die amerikanische Verfassung durch den 14. und 15. Zusatz ergänzt, welche den Schwarzen endlich die vollen Bürgerrechte zugestanden haben. Doch diese Gesetze wurden unterlaufen, bevor die Tinte auf dem Papier trocken war. Vor allem in den Südstaaten wurden die Schwarzen von Bewegungen wie dem Ku-Klux-Klan terrorisiert und mit diskriminierenden Gesetzen von den Urnen ferngehalten. Diese sogenannten Jim-Crow-Gesetze verwandelten die USA de facto in einen Apartheid-Staat.
Das änderte sich erst weit nach dem Zweiten Weltkrieg. 1965 verabschiedete der Kongress den Voting Rights Act und sicherte den Schwarzen damit ihr Wahlrecht. 2013 hob der Supreme Court jedoch die Aufsicht Washingtons über die Wahlgesetze der einzelnen Bundesgesetze auf und öffnete damit Tür und Tor für eine neue Welle von Jim Crow.
Die Wahlniederlage von Donald Trump hat dem anti-demokratischen Verhalten der Republikaner einen Turbo-Schub verliehen. Obwohl die Wahlen im vergangenen November zu den saubersten und fairsten der amerikanischen Geschichte zählen, haben die von den Republikanern beherrschten Bundesstaaten eine Flut von Gesetzen eingeführt, welche angeblich dazu dienen sollen, Wahlbetrug zu verhindern.
Wahlbetrug ist das beherrschende Thema der Grand Old Party (GOP) geworden. Trump ist geradezu besessen von der Big Lie, der These, wonach er um seinen Wahlsieg betrogen worden sei. Die Republikaner folgen ihm blind und schrecken vor keinem noch so absurden Manöver zurück. So hat die Führung der GOP in Oklahoma soeben beschlossen, nochmals das Wahlresultat vom 3. November zu überprüfen – und dies, obwohl Trump diesen Bundesstaat mit mehr als 30 Prozentpunkten Vorsprung für sich gewinnen konnte.
Ist Bidens Warnung vor einem neuen Bürgerkrieg masslos übertrieben und reines Polit-Theater? Das zumindest werfen ihm die Republikaner und die Fox-News-Moderatoren vor. Doch die Gefahr ist real. Fast täglich zeigen neu veröffentlichte Videos, dass der Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar tatsächlich ein versuchter Putsch war, der nur knapp scheiterte.
Indem er weiter die Big Lie verbreitet, hetzt Trump zudem pausenlos weiter. Neuerdings bezeichnet er die Kapitolstürmer gar als «friedliche Patrioten» und die Aktion als «Liebesfest mit der Polizei». Viele seiner Anhänger sind überzeugt, dass er schon im August wieder ins Weisse Haus einziehen wird. Anlass dazu soll das Resultat einer grotesken Nachzählung im Bundesstaat Arizona sein.
Trump wird mit Sicherheit nicht ins Weisse Haus zurückkehren. Wie seine enttäuschten Anhänger darauf reagieren werden, ist alles andere als sicher. Das FBI warnt, dass einheimische Terroristen derzeit die grösste Gefahr für die USA darstellen.
Hab als Kind auch feststellen müssen, dass das Münz im Sparschwein nicht mehr wird, wenn man es wieder und wieder zählt..
Böse böse Realität!