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Verleumdungsprozess gegen Fox News: Jetzt wird ein Vergleich angestrebt

epa10495778 Sandy R., of New York, holds a sign while participating in a protest organized by the group Rise and Resist outside of Fox News headquarters in New York, New York, USA, 28 February 2023. A ...
Proteste vor dem Fox-Hauptquartier in New York.Bild: keystone
Analyse

Warum Fox News den Schwanz einzieht

Alles deutet darauf hin, dass der Murdoch-TV-Sender einen Vergleich anstrebt.
17.04.2023, 19:5917.04.2023, 20:08
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Die Geschworenen sind ausgewählt, die Klagen eingereicht: Eigentlich hätte heute der Verleumdungsprozess gegen den TV Sender Fox News beginnen sollen. Doch Richter Eric Davis vom Delaware Superior Court erklärte am Sonntagabend überraschend, der Prozess sei um mindestens einen Tag verschoben worden. Eine Begründung dazu gab er nicht ab.

Auch die Anwälte der beiden Streithähne hüllen sich in Schweigen. Trotzdem deutet vieles darauf hin, dass es zu einem Vergleich in letzter Stunde kommen könnte, zu einem Vergleich, bei dem Fox News als Verlierer dastehen wird. Doch zunächst ein kurzer Rückblick:

epaselect epa08829694 Lawyer to US President Donald J. Trump and former mayor of New York City Rudy Giuliani and Trump Campaign Senior Legal Advisor Jenna Ellis (not pictured) speak about the presiden ...
Hat die Big Lie verbreitet: Rudy Giuliani.Bild: keystone

Donald Trump hat seine Wahlniederlage bis heute nicht akzeptiert und stattdessen die Big Lie – die Verschwörungstheorie, wonach die Wahlen manipuliert worden seien – in die Welt gesetzt. Kernpunkt dieser These war die Behauptung, die Wahlmaschinen seien zugunsten von Joe Biden manipuliert gewesen.

Trumps damalige Anwälte, Rudy Giuliani und Sidney Powell, verbreiteten diese These lauthals immer wieder – und vor allem auf Fox News. In mehreren Formaten des Senders durften sie unwidersprochen ihre These herausposaunen; und dies, obwohl Faktenchecks des Senders selbst ergaben, dass sie völlig aus der Luft gegriffen waren; und dies auch, obwohl die zuständigen Moderatoren Sean Hannity und Tucker Carlson sie in internen Mails als «totalen Blödsinn» bezeichnet hatten.

Dominion, der Hersteller der Wahlmaschinen, verklagte daher Fox News wegen Verleumdung und fordert eine Wiedergutmachung in der Höhe von 1,6 Milliarden Dollar. Ein solcher Zivilprozess ist in den USA jedoch extrem schwer zu gewinnen, da die Medien durch den ersten Zusatz der Verfassung – er garantiert die Meinungsfreiheit – geschützt sind.

Dazu kommt ein Urteil aus dem Jahr 1964 «New York Times Company vs Sullivan», das besagt, dass sich Medien nur dann der Verleumdung schuldig machen, wenn sie mit «actual malice» («vorsätzlicher Boshaftigkeit») handeln. Diesen Tatbestand zu beweisen, ist extrem schwierig. Fox News nahm die Klage daher zunächst auf die leichte Schulter. Die Anwälte des TV Senders liessen denn auch verlauten: «Die Klage von Dominion ist ein politischer Kreuzzug, der zudem auf einen riesigen finanziellen Gewinn abzielt. Die wahren Kosten sind jedoch der Schaden, der am ersten Zusatz der Verfassung angerichtet wird.»

Inzwischen sind die Vertreter von Fox News von ihrem hohen Ross heruntergestiegen. Wie das «Wall Street Journal» berichtet, sind sie offenbar nun zu einem Vergleich bereit. Diese renommierte Zeitung gehört ebenfalls zum Imperium des Verlegers Rupert Murdoch.

Es gibt eine Reihe von Gründen, die für ein Einlenken von Fox News sprechen. Hier sind sie:

  • Noch nie hat es in einem Verleumdungsprozess so viele und so starke Beweise gegeben. Dominion ist es gelungen, Zeugenaussagen und interne E-Mails von den Fox-Starmoderatoren und gar von Verleger Murdoch zu sammeln. Daraus geht unmissverständlich hervor, dass diese wussten, dass die These von den manipulierten Wahlmaschinen totaler Blödsinn war. «Sidney Powell lügt» schrieb etwa Tucker Carlson an seinen Produzenten. Selbst Verleger Murdoch distanzierte sich von der Berichterstattung seines Senders.
  • Richter Davis hat den Anwälten von Fox News schon vor Prozessbeginn den Tarif durchgegeben. So hat er sie gerügt, weil sie wichtiges Beweismaterial vorenthalten haben. Ebenso hat er ihnen angedroht, sie sofort zu unterbrechen, sollten sie sich fälschlicherweise auf den ersten Zusatz der Verfassung berufen.
  • Die Dominion-Klage hat die bestehende Kluft zwischen den News-Journalisten und den Star-Meinungsmachern vertieft. Das News Desk hatte immer wieder davor gewarnt, die absurden Thesen zu verbreiten. Die Starmoderatoren reagierten darauf gereizt. «Fox News hasst uns», klagte beispielsweise Laura Ingraham.
  • Sollte der Prozess über die Bühne gehen, müsste auch Rupert Murdoch in den Zeugenstand. Das wollte der Verleger mit allen Mitteln verhindern und machte sein Alter von 92 Jahren geltend. Weil er jedoch gleichzeitig seine vierte Verlobung bekannt gab, winkte der Richter ab.
  • Auch wenn er seine eingeschworenen Fans nicht verlieren wird, droht dem Sender ein gewaltiger Prestigeverlust. Sollte es zu keiner Einigung in letzter Stunde kommen, wird der Prozess wahrscheinlich rund sechs Wochen dauern und täglich für sehr unvorteilhafte Schlagzeilen für Fox News sorgen. Finanziell hingegen dürfte der Schaden verkraftbar sein. Gemäss «Wall Street Journal» sass der Sender im letzten Quartal auf einem Cash-Berg von vier Milliarden Dollar.

Selbst bei einem Vergleich dürfte Fox News Federn lassen, nicht nur finanziell. Die Vertreter von Dominion haben stets darauf bestanden, dass sie einem Vergleich nur dann zustimmen werden, wenn sich der TV Sender in aller Form öffentlich entschuldigt und zugibt, wissentlich falsche Informationen verbreitet zu haben. Mit einer solchen Entschuldigung würde Fox News jedoch seine Trump-hörigen Zuschauer vor den Kopf stossen.

Ob Einigung oder nicht: Die Klage von Dominion gegen Fox News ist der wichtigste Medienprozess der jüngeren Vergangenheit. Es geht um weit mehr als Geld; es geht darum, wo Meinungsfreiheit aufhört und die bewusste Lüge beginnt.

John Culhane, Rechtsprofessor an der Widener University, erklärt denn auch gegenüber der «New York Times»: «Sollte dieser Prozess eine falsche Wendung nehmen, dann wäre dies ein schrecklicher Fehler. Denn einen überzeugenderen Fall von Desinformation wird es so schnell nicht mehr geben.»

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66 Kommentare
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Scrat
17.04.2023 21:08registriert Januar 2016
Bitte kein Vergleich! Dieser Prozess ist zu wichtig, als dass er nicht geführt werden sollte.
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balzercomp
17.04.2023 21:08registriert Januar 2016
Anscheinend hat Fox auch vor Gericht nachweislich falsche Aussagen gemacht. Das wird extrem teuer.
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International anerkannter Experte für ALLES
17.04.2023 20:35registriert Juli 2021
Als alter Star Trek Fan bin ich erfreut auf eine neue Auflage der "Dominion Wars", wenn ich auch dieses Mal ganz klar auf der Seite des Dominions bin 😁
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