Die Geschworenen sind ausgewählt, die Klagen eingereicht: Eigentlich hätte heute der Verleumdungsprozess gegen den TV Sender Fox News beginnen sollen. Doch Richter Eric Davis vom Delaware Superior Court erklärte am Sonntagabend überraschend, der Prozess sei um mindestens einen Tag verschoben worden. Eine Begründung dazu gab er nicht ab.
Auch die Anwälte der beiden Streithähne hüllen sich in Schweigen. Trotzdem deutet vieles darauf hin, dass es zu einem Vergleich in letzter Stunde kommen könnte, zu einem Vergleich, bei dem Fox News als Verlierer dastehen wird. Doch zunächst ein kurzer Rückblick:
Donald Trump hat seine Wahlniederlage bis heute nicht akzeptiert und stattdessen die Big Lie – die Verschwörungstheorie, wonach die Wahlen manipuliert worden seien – in die Welt gesetzt. Kernpunkt dieser These war die Behauptung, die Wahlmaschinen seien zugunsten von Joe Biden manipuliert gewesen.
Trumps damalige Anwälte, Rudy Giuliani und Sidney Powell, verbreiteten diese These lauthals immer wieder – und vor allem auf Fox News. In mehreren Formaten des Senders durften sie unwidersprochen ihre These herausposaunen; und dies, obwohl Faktenchecks des Senders selbst ergaben, dass sie völlig aus der Luft gegriffen waren; und dies auch, obwohl die zuständigen Moderatoren Sean Hannity und Tucker Carlson sie in internen Mails als «totalen Blödsinn» bezeichnet hatten.
Dominion, der Hersteller der Wahlmaschinen, verklagte daher Fox News wegen Verleumdung und fordert eine Wiedergutmachung in der Höhe von 1,6 Milliarden Dollar. Ein solcher Zivilprozess ist in den USA jedoch extrem schwer zu gewinnen, da die Medien durch den ersten Zusatz der Verfassung – er garantiert die Meinungsfreiheit – geschützt sind.
Dazu kommt ein Urteil aus dem Jahr 1964 «New York Times Company vs Sullivan», das besagt, dass sich Medien nur dann der Verleumdung schuldig machen, wenn sie mit «actual malice» («vorsätzlicher Boshaftigkeit») handeln. Diesen Tatbestand zu beweisen, ist extrem schwierig. Fox News nahm die Klage daher zunächst auf die leichte Schulter. Die Anwälte des TV Senders liessen denn auch verlauten: «Die Klage von Dominion ist ein politischer Kreuzzug, der zudem auf einen riesigen finanziellen Gewinn abzielt. Die wahren Kosten sind jedoch der Schaden, der am ersten Zusatz der Verfassung angerichtet wird.»
Inzwischen sind die Vertreter von Fox News von ihrem hohen Ross heruntergestiegen. Wie das «Wall Street Journal» berichtet, sind sie offenbar nun zu einem Vergleich bereit. Diese renommierte Zeitung gehört ebenfalls zum Imperium des Verlegers Rupert Murdoch.
Es gibt eine Reihe von Gründen, die für ein Einlenken von Fox News sprechen. Hier sind sie:
Selbst bei einem Vergleich dürfte Fox News Federn lassen, nicht nur finanziell. Die Vertreter von Dominion haben stets darauf bestanden, dass sie einem Vergleich nur dann zustimmen werden, wenn sich der TV Sender in aller Form öffentlich entschuldigt und zugibt, wissentlich falsche Informationen verbreitet zu haben. Mit einer solchen Entschuldigung würde Fox News jedoch seine Trump-hörigen Zuschauer vor den Kopf stossen.
Ob Einigung oder nicht: Die Klage von Dominion gegen Fox News ist der wichtigste Medienprozess der jüngeren Vergangenheit. Es geht um weit mehr als Geld; es geht darum, wo Meinungsfreiheit aufhört und die bewusste Lüge beginnt.
John Culhane, Rechtsprofessor an der Widener University, erklärt denn auch gegenüber der «New York Times»: «Sollte dieser Prozess eine falsche Wendung nehmen, dann wäre dies ein schrecklicher Fehler. Denn einen überzeugenderen Fall von Desinformation wird es so schnell nicht mehr geben.»