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US-Mamis, die Hitler zitieren

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US-Mamis, die Hitler zitieren

Die Frauen von Moms for Liberty sind zur bedeutendsten Lobby-Gruppe der amerikanischen Rechten geworden.
07.07.2023, 06:0207.07.2023, 06:02
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Regelmässig warnt das FBI davor, dass rechter Extremismus zur grössten Bedrohung der inneren Sicherheit in den USA geworden sei. Rechter Extremismus, da denkt man unwillkürlich an paramilitärische Gruppierungen wie die Proud Boys oder die Oath Keepers, an Männer, die bis zur Nasenspitze tätowiert sind, die sich in Pseudo-Kampfausrüstung kleiden, sich halbautomatische AR-15s umhängen und gelegentlich auch Nazi-Embleme schwenken.

Das ist zu kurz gesprungen. Die derzeit wichtigste Lobby-Gruppe der Rechtsextremen in den USA besteht vornehmlich aus Frauen. Diese bezeichnen sich selbst als «Joyful Warriors», als fröhliche Kriegerinnen, die sich nicht auf der Strasse mit Mitgliedern der Antifa prügeln, sondern in Schulbehörden dafür sorgen, dass Kinder nicht mit der Critical Race Theory (CRT) – leider lässt sich der Begriff nicht sinnvoll auf Deutsch übersetzen –, Homosexualität oder gar Transgender-Themen konfrontiert werden.

epa08605937 Far-right groups, including militias and white supremacists, demonstrate on Main Street during a rally in Stone Mountain, Georgia, USA, 15 August 2020. The rally was suppopsed to be held a ...
Das übliche Bild von Rechtsextremen: Männer in Pseudo-Kampfuniformen.Bild: keystone

Wir sprechen von den Moms for Liberty, einer Organisation, die gerade mal rund zwei Jahre alt ist, die jedoch bereits mehr als 100’000 Mitglieder in 45 Bundesstaaten hat, die von Donald Trump, Ron DeSantis, Nikki Haley und anderen Präsidentschaftskandidaten heiss umworben wird, und die wohl potente Geldgeber im Hintergrund weiss. Aber der Reihe nach:

Moms for Liberty sind ein Nebenprodukt der Pandemie. Gegründet wurde die Organisation 2021 im Brevard County im Bundesstaat Florida. Anlass war die Schliessung der Schulen aus Angst vor Covid, eine Massnahme, die vor allem bei den Konservativen auf grosse Ablehnung gestossen ist. Die beiden Gründerinnen heissen Tina Descovich und Tiffany Justice. Beide wollten in die lokale Schulbehörde gewählt werden, beide verloren gegen progressive Kandidatinnen, beide sind überzeugt, dass Eltern zu wenig Mitsprache beim Lehrstoff ihrer Kinder haben. Daher wandten sie sich an Marie Rogerson, eine Aktivistin der Republikaner.

Descovich und Justice hatten den Nerv der Zeit getroffen. Der Kulturkampf an den Schulen ist zu einem zentralen Thema in der US-Politik geworden. Kinder vor der CRT und vor Homosexualität und Transgender-Themen zu schützen, ist inzwischen so wichtig geworden wie im Kalten Krieg der Kampf gegen den Kommunismus.

Die fröhlichen Kriegerinnen wählten daher die Schulbehörden und die Bibliotheken als ihr Schlachtfeld aus. Sie sorgen dafür, dass progressive Lehrer gefeuert und vermeintlich pornografische Bücher entfernt werden. Sie fügen sich damit bestens in den Kampf gegen den vermeintlichen Woke-Wahnsinn ein. Weil das FBI begann, sie genauer unter die Lupe zu nehmen, können sie sich auch als Opfer eines von Sozialisten unterwanderten Deep States präsentieren.

Former President Donald Trump speaks at the Moms for Liberty meeting in Philadelphia, Friday, June 30, 2023. (AP Photo/Matt Rourke)
Donald Trump
Auch er gab sich die Ehre: Donald Trump an der Tagung der Moms for Liberty.Bild: keystone

Inzwischen sind die Moms for Liberty eine mächtige Organisation geworden. Als sich die führenden Vertreterinnen kürzlich zu einer Convention in Philadelphia trafen, tanzten daher gleich fünf Präsidentschaftskandidaten der Grand Old Party an: Donald Trump, Ron DeSantis, aber auch Nikki Haley, Tim Scott und Vivek Ramaswamy. Dabei ist die Organisation vor rund einem Monat vom Southern Poverty Law Center, einer Menschenrechts-Organisation, als «extremistische Gruppe» eingestuft worden, eine Gruppe, die Hetze und Botschaften gegen Integration verbreite.

Anlass dieser Einstufung war ein im zustimmenden Sinn gemeintes Hitler-Zitat auf der Website der Organisation. «Wer die Jugend hat, hat die Zukunft», hatte der Führer 1938 in einer Rede erklärt. Inzwischen ist das Zitat gelöscht worden. Die Moms haben sich dafür entschuldigt.

Die Moms for Liberty werden mit anderen mächtigen Lobby-Gruppen der Vergangenheit verglichen, beispielsweise der Moral Majority, der Tea Party oder der John Birch Society. «Ich glaube, die Mamis werden bei den Wahlen 2024 eine Schlüsselrolle spielen», erklärt denn auch Ron DeSantis und lobt sie als «Mami-Bären».

Obwohl unklar ist, wer die Organisation finanziert, scheinen die Mamis keine finanziellen Sorgen zu kennen. Schon in ihrer Steuerrechnung von 2021 weisen sie Spenden in der Höhe von 370’000 Dollar aus, ein Betrag, der sich noch deutlich erhöht haben dürfte.

Demonstrators gather outside the Moms for Liberty meeting in Philadelphia, Friday, June 30, 2023. (AP Photo/Nathan Howard)
Progressive Frauen protestieren gegen die Moms for Liberty. Bild: keystone

Die Moms for Liberty fügen sich perfekt in den Zeitgeist ein. Konservative Vordenker wie Friedrich Hayek oder Politiker wie Ronald Reagan haben sich dereinst primär für freie Märkte und liberale Werte in der Gesellschaft eingesetzt. Die modernen Konservativen hingegen wollen das Rad der Zeit zurückdrehen. So stellt Charles King in einer Besprechung von drei Büchern von Vertretern der neuen Rechten in «Foreign Affairs» fest, dass sich diese neuerdings von den Errungenschaften der Aufklärung ab- und sich älteren, geradezu mythischen Gesellschaftsformen zuwenden. Sie wollen, so King, zurück in eine Zeit, in der «die Natur, die Gemeinschaft und das Göttliche eine unsichtbare Einheit gebildet haben».

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158 Kommentare
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rumpelpilzli
07.07.2023 07:22registriert November 2015
Leider gewinnen aktuell weltweit solche bedenklichen gruppierungen an einfluss. In 40 jahren wird man dann sagen, sowas darf nie wieder passieren. Wie es schon nach 1945 gesagt wurde
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Händlmair
07.07.2023 06:43registriert Oktober 2017
Die grössten Finanzierer der Moms for Liberty ist das "Council for National Policy", Darin sind Investoren wie Leadership Institute und die Heritage Fondation.

Das Council for National Policy wurde 1981 vom Evangelikalen Tim LaHaye gegründet mit dem Zeil der Föderung der politischen und christlichen Rechten. Es ist ein politisches Netzwerk Rechter und Religiöser Milliardäre.
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Händlmair
07.07.2023 06:50registriert Oktober 2017
Die Heritage Foundation ist ein Think Tank in Washington. Auch hier ist das Ziel; Föderung von konservativer Politik, Freie Marktwirtschaft, Minimaler Staat, traditionelle amerikanische Werte und starke nationale Verteidigung.
Die Organisation arbeit aktiv für Privatisierung, Deregulierung, Rückgang der Sozialleistungen und ist für militärische Präventivschläge. Sie hatte auch eine Schlüsselrolle bei der politischen Entwicklung zum Irakkrieg!

Die Stiftung unterstützte die Regierung Reagan, Georg W. Bush und Trump.
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