Der «Economist» bringt den Unterschied der Reagan-Konservativen und der nationalistischen MAGA-Meute auf den Punkt: «Die Nationalkonservativen sehen den Westen nicht mehr als leuchtende Stadt auf einem Hügel (wie dies Reagan einmal formulierte, Anm. d. Red.), sondern als Rom vor dem Untergang – dekadent, verdorben und im Begriff, inmitten einer Invasion von Barbaren zu kollabieren.»
In seiner Antrittsrede als Präsident hatte Donald Trump bereits von einem «amerikanischen Gemetzel» gefaselt. Diesen Unsinn wiederholt er jetzt in seinen Wahlkampfreden regelmässig, begleitet mit dem Versprechen, Amerika wieder zu alter Grösse zu führen.
Gleichzeitig will der Ex-Präsident seine Landsleute von der «woken» Elite von Davos-gläubigen Globalisten befreien und sie zurückführen, in einen vermeintlich paradiesischen Zustand der Vergangenheit, einem Zustand, in dem die USA, abgeschirmt von zwei Ozeanen und ausgestattet mit reichlich Land und Rohstoff, dem Rest der Welt eine lange Nase drehte und – abgeschottet und glücklich – sich nur um die eigenen Angelegenheiten kümmerte.
Diese Vorstellung hat eine lange Tradition und wird Isolationismus genannt. Der letzte bedeutende Isolationismus-Schub erfolgte in den Dreissigerjahren. Die Amerikaner bereuten ihr Engagement im Ersten Weltkrieg und kapselten sich von Europa ab. Gegen den internationalen Handel wurden Zollzäune hochgezogen. Die hochfliegenden Träume eines Völkerbundes, die einst Präsident Woodrow Wilson in Umlauf gebracht hatte, wurden stillschweigend begraben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hingegen schien der amerikanische Isolationismus endgültig der Vergangenheit anzugehören. Präsident Harry Truman stellte den Marshall-Plan auf die Beine, ein Hilfspaket zum Wiederaufbau Europas. Gegen die kommunistische Bedrohung aus der UdSSR wurde das atlantische Verteidigungsbündnis NATO gegründet – beides mit grossem Erfolg, wie sich herausstellen sollte. Die USA waren definitiv zum Polizisten zumindest der nicht-kommunistischen Welt geworden, oder wie es die ehemalige Aussenministerin Madeleine Albright formulierte, zur «unverzichtbaren Nation».
Die Konservativen der Reagan-Ära hatten nicht im Sinn, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Im Gegenteil, im Zeitalter des Neoliberalismus wurden Zollschranken abgerissen und der internationale Handel nach Kräften gefördert. Auch bezüglich der NATO liess Reagan nie Zweifel aufkommen, schliesslich galt es, das «Reich des Bösen», die Sowjetunion, in die Knie zu zwingen.
Mit Trump erlebt jetzt der Isolationismus ein Comeback, die Republikaner – einst die glühendsten Befürworter des freien, internationalen Handels – sind zu chauvinistischen Protektionisten geworden. Der Ex-Präsident schürt diese Stimmung nach Kräften, und er hat dazu auch die notwendigen Trümpfe in der Hand. So stellt Simon Kuper in der «Financial Times» fest: «Die Welt braucht die USA, aber die USA brauchen die freie Welt nicht. Das ist die schreckliche Logik hinter Donald Trumps Weltanschauung. Sollte er als Präsident die Ukraine und andere Demokratien im Stich lassen, dann würde das den USA kein bisschen schaden.»
Tatsächlich sind die USA auch nach drei Jahrzehnten Neoliberalismus weit weniger auf Handelspartner angewiesen als andere Nationen. So hat die Weltbank ausgerechnet, dass in den USA bloss 25 Prozent des Bruttoinlandprodukts vom internationalen Handel betroffen werden. Zum Vergleich: In Frankreich und dem Vereinigten Königreich liegt dieses Verhältnis bei 70 Prozent, in Deutschland bei 100 Prozent.
Mit anderen Worten: Anders als etwa das Vereinigte Königreich, das mit dem Brexit einen wirtschaftlichen Schiffbruch erlitten hat, können es sich die USA tatsächlich leisten, dem Rest der Welt eine lange Nase zu drehen. Das nutzt der Ex-Präsident nach Kräften aus. Nochmals Kuper: «Trump realisiert, dass die unangreifbaren USA einen Alleingang stemmen können. Sie können ihre Alliierten zu Klienten degradieren. In seiner Sicht der NATO als amerikanisch geführte Schutzgemeinschaft, betrachtet er Russland als den Muskelprotzen, der Europa Angst und Schrecken einjagen kann.»
Mit seinen Äusserungen bezüglich der NATO hat Trump diese Karte einmal mehr ausgespielt und damit Europa in Aufruhr versetzt. An der Münchner Sicherheitskonferenz – so etwas wie das WEF der Militär- und Verteidigungsminister – sind seine Drohungen, NATO-Mitglieder notfalls den Angriffen Russlands auszuliefern, das Thema Nummer eins. So erklärt etwa Norbert Röttgen, ein führender Sicherheitspolitiker in Deutschland: «Europa wird bald keine andere Wahl mehr haben, als sich selbst zu verteidigen.»
Die Kombination von russischen Aggressionen und einem möglichen neuen, amerikanischen Isolationismus ist ein Schock, der Wirkung zeigt. So fordert die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen via «Financial Times» die EU-Mitglieder auf, ihre Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen. «Wir müssen mehr ausgeben, wir müssen das Geld besser ausgeben, und wir müssen es europäischer ausgeben», erklärt sie.
Damit spielt von der Leyen darauf an, dass die Verteidigungsausgaben innerhalb der EU immer noch viel zu wenig koordiniert und zu stark nach nationalen Interessen erfolgen. Dies, so die EU-Kommissionspräsidentin, sei von den Ereignissen überholt. «Die letzten 20, 30, 40 Jahren ist es darum gegangen, den Frieden innerhalb Europa zu sichern. Zum ersten Mal stammt die Bedrohung jetzt von ausserhalb.»
Immer mehr hohe Militär- und Verteidigungs-Experten warnen vor den Expansionsgelüsten von Wladimir Putin und weisen darauf hin, dass der russische Präsident sein Land bereits auf Kriegswirtschaft umgestellt hat. So glaubt etwa Troels Lund Poulsen, Verteidigungsminister von Dänemark, dass Russland bereits in drei bis fünf Jahren den Verteidigungswillen der NATO auf die Probe stellen könnte. Ähnliche Warnungen gibt es auch von seinen Amtskollegen in Schweden, dem Vereinigten Königreich und Deutschland. Kein Wunder also haben fast alle NATO-Staaten inzwischen ihre Verteidigungsausgaben massiv erhöht.
Politisch spielt sich eine Entwicklung ab, die bis vor kurzem noch undenkbar schien. Waren es früher die Konservativen, welche die NATO durch dick und dünn verteidigten und höhere Militärausgaben einforderten, sind es heute Liberale und Grüne. Die Konservativen haben sich derweil zu Nationalkonservativen gewandelt und versuchen, einen Widerspruch in den Begriffen zu verwirklichen: einer nationalistischen Internationalen.
Dem Vorbild von Viktor Orbáns Ungarn folgend, wollen sie eine globale Front gegen den Liberalismus bilden. Der «Economist» zitiert Steve Bannon, Trumps ehemaligen Chefstrategen dazu wie folgt: «Präsident Trump ist derzeit der Anführer dieser Bewegung, aber sie wird Bestand haben. Wir sind nun im Begriff, die nötigen Institutionen aufzubauen. Die Bewegung wird nicht vorübergehen. Sie wird mächtiger und grösser.»
So gesehen ist klar, weshalb die NATO Trump und den Nationalkonservativen ein Dorn im Auge ist. Wie sie jedoch in einer «nationalistischen Internationalen» die verschiedenen, teils widersprüchlichen Interessen unter einen Hut bringen wollen, bleibt vorläufig noch ihr kleines, dreckiges Geheimnis.
Zuerst 4 Jahre mit Trump, wo jeder dachte, na, das ist jetzt eine Durststrecke, die geht vorüber.
Und bei den letzten 4 Jahren mit Biden atmeten alle auf und wärten sich in Sicherheit.
Jetzt, da sich diese Phase einem weiterem Wendepunkt zuneigt, werden plötzlich alle nervös.
Frage: Denken Politiker auch irgendwann mal über ihre eigene Nasenspitze hinaus und kümmern sich um das Wesentliche?!
Wo bei das Wesentliche nicht die eigene Wiederwahl ist!!!