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Das grosse Wettrüsten – China, Russland, Indien und Japan sind dabei

Das grosse Wettrüsten in Asien

Das Treffen des chinesischen Verteidigungsministers mit Putin ist ein fatales Signal für den Westen. Viele asiatische Grossmächte rüsten militärisch auf. Dadurch wächst die Weltkriegsgefahr.
18.04.2023, 09:10
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Ein Artikel von
t-online

Deutschland hat erneut eine Abfuhr bekommen. In der vergangenen Woche hatte die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock in Peking die chinesische Regierung noch betont scharf dafür kritisiert, dass China den Angriffskrieg nicht verurteilt und deshalb «den russischen Präsidenten Wladimir Putin trotz seines Angriffskriegs in der Ukraine unterstützt». Es war ein Appell an das chinesische Verantwortungsbewusstsein. Chinas Antwort fiel deutlich aus: Der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu reiste am Sonntag nach Moskau, um die militärische Zusammenarbeit mit Russland zu stärken.

Das ist ein fatales Signal für den Westen. China verfolgt im Ukraine-Konflikt massgeblich seine eigenen Interessen, und diese gehen weit über Putins Krieg hinaus. Noch liefert Peking zwar keine Waffen nach Russland, aber westliche Regierungen dürfen sich keine Illusionen machen: Xi will nicht, dass Putin verliert.

Dafür hat das chinesische Regime unterschiedliche Gründe. Zum einen braucht Xi Russland als Verbündeten im geopolitischen Konflikt mit den USA. Zum anderen geht es Peking um die Kontrolle in der Region. Der asiatische Kontinent wird immer mehr zum Zentrum der Welt und die Kontrolle über die Handelsstrassen ist existenziell für alle Grossmächte. Deshalb rüstet nicht nur China militärisch massiv auf, sondern auch Länder wie Japan oder Indien. Die Kriegsgefahr in Asien wächst.

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt auf dem asiatischen Kontinent. Während die Bevölkerungszahlen in vielen europäischen Ländern stagnieren oder zurückgehen, leben in Indien und China mittlerweile über 1,4 Milliarden Menschen, in Indonesien über 270 Millionen. Das Vorbild China zeigt: die Werkbänke der Welt liegen in Asien und die bevölkerungsreichen Länder des Kontinents haben ein grosses wirtschaftliches Potenzial.

Aber mit der Bedeutung des Wirtschaftsraums steigen auch die Bestrebungen vieler Mächte, die Region militärisch unter Kontrolle zu bringen. Für China ist der Warenverkehr über die Seewege existenziell und eine theoretische Blockade würde zum wirtschaftlichen Kollaps der aufstrebenden Supermacht führen, weil das Land auch von Rohstoffimporten abhängig ist. Deshalb meldet Peking immer mehr territoriale Ansprüche an – auf Kosten seiner Nachbarstaaten in der Region.

Die Grenzstreitigkeiten und die Aufrüstung Chinas zu einer militärischen Grossmacht führen dazu, dass andere Länder sich bedroht fühlen und infolgedessen ihr Militär nachrüsten. Ein Überblick:

China

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Soldaten der chinesischen Armee: In den letzten Jahren hat China massiv in die eigenen Streitkräfte investiert.Bild: AP/CHINATOPIX

«Versuche von aussen, China zu unterdrücken und einzudämmen, eskalieren», sagte der scheidende Ministerpräsident Li Keqiang Anfang März auf dem Nationalen Volkskongress in Peking. Damit wollte die chinesische Führung die steigenden Verteidigungsausgaben legitimieren, die im Vergleich zum Vorjahr um 7.2 Prozent erhöht wurden. Peking stellt in diesem Jahr 1.55 Billionen Yuan (202 Milliarden Franken) für den Wehretat zur Verfügung.

Auch Chinas Machthaber Xi sagte auf dem Volkskongress, dass er sich auf einen Krieg vorbereite. Dabei verwob er das Thema Kriegsbereitschaft in vier separaten Reden, in einem Fall forderte er seine Generäle auf, «den Kampf zu wagen».

Schon heute ist China die zweitgrösste Militärmacht der Welt. Der Rückstand zu den Vereinigten Staaten ist allerdings beträchtlich, Washington steckt fast viermal so viel Geld in die Streitkräfte wie Peking. Trotzdem arbeitet China seit Jahren an der Modernisierung seines Militärs. Bis 2050 soll es nach den Plänen Pekings in eine «Weltklasse»-Armee umgebaut werden, die sich mit der westlicher Mächte messen kann.

Schon jetzt hat die Volksrepublik – gemessen an der Zahl der verfügbaren Schiffe – die grösste Marine der Welt. Das zeigt, dass die Grossmacht vor allem um die Kontrolle der Seehandelswege kämpft. China möchte durch wirtschaftliche Abhängigkeiten zur dominierenden Supermacht werden, aber den militärischen Schutz der Handelswege möchte Peking nicht dem Westen überlassen. Deswegen rüstet Peking auf.

Aber die Ziele der chinesischen Führung sind mittelfristig gesteckt, der Weg für China zur militärischen Grossmacht ist noch lang. Die chinesische Volksbefreiungsarmee hat kaum operative Erfahrung in Kriegsgebieten und viele chinesische Waffensysteme wurden auf Gefechtsfeldern nicht getestet.

Zwar ist China mittlerweile zum viertgrössten Rüstungsexporteur der Welt aufgestiegen, doch die USA und Russland sind zusammen für 56 Prozent des globalen Handels mit konventionellen Waffen verantwortlich. Die Vereinigten Staaten sind mit 40 Prozent Marktanteil der grösste Waffenhändler, China liegt mit 5.2 Prozent deutlich dahinter.

Russland

Russian President Vladimir Putin, right, and Chinese President Xi Jinping toast during their dinner at The Palace of the Facets is a building in the Moscow Kremlin, Russia, Tuesday, March 21, 2023. (P ...
Bild: keystone

In der Vergangenheit waren Russland und China Konkurrenten um die Vorherrschaft auf dem asiatischen Kontinent. Doch Putins Krieg in der Ukraine hat nun für klare Verhältnisse gesorgt. Zwar ist Russland noch die grösste Atommacht der Erde, aber es ist in hohem Mass von China abhängig, weil der Westen sich grösstenteils wirtschaftlich von Putins Reich abgewendet hat.

Putin hat das Kriegsziel ausgegeben, die Ukraine zu entmilitarisieren. Aber die Folge seiner Invasion ist, dass vor allem Russland an militärischer Stärke verliert. Mittlerweile muss die russische Armee Panzer in den Krieg schicken, die vor 70 Jahren gebaut wurden. Russische Panzer stehen unfertig in den Fabriken, weil wichtige technische Komponenten aus dem Westen nicht mehr geliefert werden. China schickt zwar noch keine Waffen an den Kreml, aber «Dual-Use»-Güter wie Halbleiter. Für die russische Rüstungsproduktion ist der Import von Technologie aus der Volksrepublik mittlerweile existenziell wichtig.

Bild

Das ist wahrscheinlich der Hintergrund des Besuches des chinesischen Verteidigungsministers in Moskau. Die russische Armee ist kriegserprobt und insbesondere im Ukraine-Krieg sammelt sie Erfahrungen im Kampf mit westlichen Waffensystemen. Von diesen Erfahrungen könnte die chinesische Armee profitieren, indem sie zusammen bei Manövern mit russischen Soldaten trainiert. Russland ist zwar militärisch geschwächt, doch es bleibt das flächenmässig grösste Land der Erde.

Deswegen plant China die Sicherheit in Asien mit Putin. Zum einen teilt man sich eine über 4'000 Kilometer lange Grenze, zum anderen blickt die Volksrepublik auf die Nordostpassage in der Arktis, die den Seeweg von China nach Europa in Zukunft deutlich verkürzen könnte, wenn das Eis schmilzt. Die Herausforderung: Die Route führt grösstenteils an russischem Festland vorbei.

Indien

epa10406505 Members of the Indian army take part in the 'Indian Army Day' parade at Madras Engineer Group (MEG) in Bangalore, India, 15 January 2023. The 75th Army Day parade was held in the ...
Soldaten der indischen Armee.Bild: keystone

Die zunehmende militärische Schwäche Russlands wird vor allem zum Problem für Indien. Das bald bevölkerungsreichste Land der Erde ist von russischen Rüstungsimporten abhängig, die der Kreml mittlerweile kaum noch bedienen kann.

Auch Indien ist eine Atommacht und die indische Armee verfügt über 1.45 Millionen aktive Soldaten. Laut dem Index der US-Seite «Global Fire Power» unterhält Neu Delhi das viertstärkste Militär der Welt nach den USA, Russland und China. Im November nahm Indien seinen ersten Flugzeugträger in Betrieb, die Militärausgaben im Jahr 2021 betrugen 77 Milliarden US-Dollar.

Die Aufrüstung ist kein Zufall. Indien befindet sich in einer sehr komplizierten Nachbarschaft. Zwischen indischen und chinesischen Soldaten kommt es immer wieder zu Grenzscharmützeln im Himalaya, das Misstrauen zwischen den beiden Grossmächten wächst. In der Vergangenheit haben indische Führungen Russland als Schutzmacht gegenüber China gesehen, aber der strategische Schulterschluss zwischen Xi und Putin bringt Neu Delhi in ein Dilemma.

Indien muss selbst für seine Sicherheit sorgen und pendelt auch deshalb mehr in Richtung Westen. Der Ukraine-Konflikt ist für die indische Führung zwar weit entfernt, aber die militärische Bedrohung, die von China ausgeht, wird als so gross wahrgenommen, dass Indien zuletzt dem Werben des Westens nachzugeben schien. Für den Westen ist es eine Chance, Indien aus der rüstungspolitischen Abhängigkeit von Russland zu lösen. Aber dafür müssten vor allem die USA einspringen und die Lücken beim indischen Militärnachschub füllen.

Die Lage für Indien ist nicht einfach: Der indische Erzfeind Pakistan und ein weiterer Nachbar Bangladesch erhalten im grossen Umfang Waffen aus China. Die Volksrepublik kontrolliert ausserdem einen Megahafen in Sri Lanka. Indien fühlt sich demnach zunehmend von China umzingelt, der Druck auf die indische Führung wächst.

Japan

SHIGA, JAPAN - FEBRUARY 28 : Japan Ground Self-Defense Force (JGSDF) and Indian Army conduct a joint exercise on February 28,2023, at the Aibano Maneuver Area in Shiga Prefecture, Japan. The Middle Ar ...
Japanische Soldaten auf einer Übung, Februar 2023.Bild: getty/Anadolu

Japan ist nach China und den USA die drittgrösste Wirtschaftsmacht der Welt und viele Jahre hatte eine sehr pazifistisch eingestellte Bevölkerung kein Interesse an Aufrüstung. Das hat sich nun verändert.

Rund 43 Billionen Yen (297 Milliarden Euro) will Japan in den nächsten fünf Jahren für nationale Verteidigung und neue Waffensysteme ausgeben. Das Rüstungsbudget soll künftig von ein auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen.

Im Inselstaat reagiert man damit auf eine Bedrohung, die laut japanischer Regierung die «grösste strategische Herausforderung ist», vor der das Land jemals stand: China. Das Machtstreben der asiatischen Diktatur unter Xi und die chinesischen Militärmanöver im Pazifik werden für Tokio zum ernsten Sicherheitsrisiko. Zudem befürchtet man, dass Peking in naher Zukunft Taiwan militärisch angreifen könnte. Aber darüber hinaus erhebt China auch Ansprüche auf von Japan kontrollierte Inseln und die aggressiven Töne aus Nordkorea machen der japanischen Regierung Sorgen.

June 2, 2022, Taoyuan, Taiwan, Republic of China: Taiwan President Tsai Ing Wen holds a Taiwan-made Kestrel anti-tank rocket launcher during a visit to the 66th Marine Brigade base, June 2, 2022 in Ta ...
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen: Mit ihrer offensiven Diplomatie bringt Taiwans Staatschefin China gegen sich auf.Bild: www.imago-images.de

Mehr als 1'000 Langstreckenraketen will Japan im Süden des Landes stationieren. Das berichteten japanische Medien im August 2022 unter Berufung auf Regierungsvertreter. Es gehe dabei um die Umrüstung bestehender Waffen, deren derzeitige Reichweite von 100 auf 1'000 Kilometer erhöht werden soll. Damit wäre Japan in der Lage, sowohl chinesische Küstengebiete als auch Nordkorea zu treffen.

Zudem würden Japans Schiffe und Flugzeuge in die Lage versetzt werden, die umgerüsteten Raketen abzufeuern. Die Raketen würden dann auf und um Kyushu, der südwestlichsten der japanischen Hauptinseln, sowie auf kleinen Inseln nahe Taiwan stationiert, so die Medien.

Für den Westen ist Japan als G7-Mitglied der wichtigste strategische Partner in der Region. Vor allem die USA setzen auf das Bündnis mit der Inselrepublik, um militärisch in der Region präsent zu sein. Das US-Militär unterhält mehrere Militärbasen auf japanischem Territorium, die vor allem dann wichtig werden, wenn im Ernstfall Taiwan verteidigt werden soll.

Gefährlicher Konflikt um Taiwan

Neben den Grossmächten, die in der Region aufrüsten oder die schon über grosse militärische Fähigkeiten verfügen, gibt es auf dem Kontinent noch weitere Konflikte, die für Unsicherheiten sorgen. Im Südwesten ist der Iran ein Unsicherheitsfaktor, auf der koreanischen Halbinsel sind Süd- und Nordkorea bis an die Zähne bewaffnet. Aber auch in Südostasien kommt es immer wieder zu Grenzkonflikten zwischen den Staaten.

Das Konfliktpotenzial steigt mit der Verfügbarkeit von Waffen in der Region. Besonders das Ringen um Taiwan könnte zu einem globalen Krieg werden, wenn China sich für einen Angriff entscheidet und die USA Taiwan verteidigen. Mit Blick in die Zukunft haben Peking und Washington diese Schritte angekündigt, und die Situation im südchinesischen Meer ist brandgefährlich.

Letztlich könnte vor allem die wirtschaftliche Bedeutung der Region einen grösseren Krieg verhindern. Weder der Westen noch China können sich eine Blockade der wichtigsten Handelswege der Welt leisten. Doch auf dem Kontinent stehen sich in Zukunft immer stärkere Armeen gegenüber und auch die USA bauen ihre Präsenz weiter aus. Asien wird somit zum Pulverfass, jeder Funken ist gefährlich.

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95 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Scrat
18.04.2023 10:26registriert Januar 2016
Hunderte Milliarden, welche mit etwas Vernunft viel gescheiter eingesetzt werden könnten. 🙁
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Fizjak
18.04.2023 10:39registriert Januar 2018
der verteidigungsetat der chinesen ist mit vorsicht zu geniessen. eigentlich ganz allgemein ist es nur eine bedingt gute idee die militärausgaben direkt miteinander zu vergleichen zumal noch zahlreiche faktoren zur ausbeute beitragen. so finanziert china z.b. die armed police nicht übers militärbudget von der ausrüstung her sind die aber eher militär als polizei... ausserdem kriegt china mehr "bang for the buck" die löhne und pensionen sind tiefer als im westen und viele firmen der rüstungsindustrie sind entweder staatsnah oder gehören dem staat das hilft die preise zu drücken.
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Sälüzäme
18.04.2023 11:32registriert März 2020
China und Indien haben jetzt schon mit den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Ihre wirtschaftliche Stärke nützt ihnen da nichts, im Gegenteil, sie kann sogar kontraproduktiv sein.
Entweder sind die zwei mit den Problemen im Inland beschäftigt oder suchen die Lösung im Krieg nach aussen, so wie viele Diktaturen. Beim Letzteren wird es hässlich werden, wir sollten uns jedoch auf beide Fälle vorbereiten, aufrüsten und Industrie zurück holen. Und ja, die Schweiz muss dringenden über ihre Definition von Neutralität nachdenken.
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