Ein Video, das auf den Sozialen Medien kursiert, welches wir nicht zeigen möchten, hält den fatalen Moment fest.
Es zeigt eine Gruppe von Menschen, welche während des Protests vom 9. Februar Deckung in einem Wartehäuschen sucht. Unweit davon sind Polizisten mit Schutzschildern und Schlagstöcken zu sehen.
Dann beginnen sich die Polizisten vorwärts zu bewegen und Wasser zu versprühen. Schüsse sind zu hören. Plötzlich fällt Mya Thwe Thwe Khaing zu Boden.
An der Hand hielt sie ihre Schwester, Mya Tha Toe Nwe, die gegenüber BBC Burmese sagte:
Im ersten Moment realisierte die Mya Tha Toe Nwe nicht, dass ihre Schwester von einer Kugel getroffen worden war. Erst nachdem ihr Leute zu Hilfe geeilt waren und der zusammengesackten Frau den Helm ausgezogen hatten, sah sie das Blut und realisierte, dass es sich um eine Schusswunde handelte. Sofort wurde Mya Thwe Thwe Khaing von der Menge weggetragen. Sie wurde ins Spital gebracht, wo erhebliche Hirnschäden festgestellt wurden. Kurz darauf kursierten im Internet die Neuigkeiten, dass sie gestorben sei.
Doctors have confirmed that Ma Mya Thwe Thwe Khaing, who was shot in the head during protesting against Military Coup in Naypyidaw, died at a 1,000-bed hospital in Naypyidaw today.
— News from Myanmar (@NewsfromMyanma1) February 12, 2021
The junta has denied that any live ammunition was used in the crackdown that day. pic.twitter.com/AstaDV3wB3
Zu diesem Zeitpunkt wurde sie zwar als hirntot erklärt, war aber noch an das Beatmungsgerät angeschlossen.
Zwei Tage nach dem fatalen Ereignis, am 11.2. wurde sie 20 Jahre alt, heute um 11:15 Uhr (Ortszeit) wurden die lebenserhaltenden Geräte ausgeschaltet:
With regret, I confirm Mya Thwate Thwate Khaing (also known as Mya Thwe Thwe Khine) died this morning. I spoke to her doctor, who told me she was taken off life support at 11.15am, with her family's permission.
— Manny Maung (@mannymaung) February 19, 2021
1/3#WhatsHappeningInMyanmar
Die Armee behauptet, während den Protesten stets nur Gummigeschosse und keine richtigen Kugeln zu verwenden. Doch sowohl Mya Thwe Thwe Khaings Kopfwunde, als auch ein mutmassliches Bild ihres Helms stellen dies infrage.
Mya Thwe Thwe khaing and her helmet! pic.twitter.com/pgPcZe2KVz
— Nantigks (@nantigks) February 12, 2021
Die forensische Expertin Dr. Kate Hewins glaubt nicht, dass es sich in diesem Fall um Gummigeschosse gehandelt habe, wie sie gegenüber BBC erklärte:
Auch die Art und Weise wie sie gestürzt sei, weise darauf hin, dass es sich um einen Schuss mit Kleinwaffenmunition gehandelt habe. Ein Aufprall oder Schock durch ein nicht-tödliches Projektils hätte sich anders ausgewirkt.
Ausgehend vom vorliegenden Video, scheint es so, als sei das Geschoss aus der Richtung der Polizei abgefeuert worden. Dies löste im Internet eine grosse Fahndung nach dem Verantwortlichen aus. Die Wut konzentrierte sich dabei vor allem auf einen Mann, der ein Maschinengewehr mit sich getragen hatte, wie das Foto eines Reuters-Fotografen zeigt.
Er war allerdings nicht der Einzige, welcher an diesem Tag bewaffnet war, weshalb eine eindeutige Identifikation nicht möglich ist. Nichtsdestotrotz tauchten innerhalb kürzester Zeit zwei Namen auf, welche von Internet-Detektiven als die vermeintlichen Schützen verdächtigt wurden. Von den Verdächtigten wurden Fahndungsplakate erstellt und ihre Facebookseiten wurden Zielscheibe wütender Kommentare. Während der eine Mann die Anschuldigungen bestritt, ging die Facebookseite des anderen nach kurzer Zeit offline.
Als erstes bekanntes Todesopfer der Proteste in Myanmar erlangt Mya Thwe Thwe Khaing traurige Bekanntheit. Noch bevor sie offiziell für tot erklärt wurde, fanden sich zahlreiche Menschen zusammen, um ihrer zu gedenken.
These pictures are a tribute to the hero Ma Mya Thwe Thwe Khaing, who was shot in the head while protesting on the streets to liberate our country from this military dictatorship.
— Pho Thi Ha MG (@PhoThiHaMG1) February 14, 2021
Rest in peace, hero of our country🙏🙏#WhatsHappeningInMyanmar #Feb14Coup #JusticeForMyanmar pic.twitter.com/wLVjKqVai2
Auch im über 300 km entfernten Yangon (auch Rangun genannt) fand eine Gedenkfeier für sie statt:
A memorial service for Mya Thwe Thwe Khaing, who died of gunshot wounds in Naypyidaw, was held at the Hledan intersection in Yangon.
— G.Bunny97 (@GBunny970901) February 14, 2021
Rest in peace , little sister.
We will always remember you.
JUNTA STARTS VIOLENCE#WhatsHappeningInMyanmar#Feb14Coup pic.twitter.com/OJmBG0Qs97
Diese Person erinnert sich an ähnliche Szenen im Jahr 1988 als das Schulmädchen Ma Win Maw Oo bei Protesten der demokratischen Bewegung ums Leben kam:
In 1988, Ma Win Maw Oo died while fighting for democracy.
— Hngyot Seacer (@Hngyot29) February 12, 2021
In 2021, Ma Mya Thwe Thwe Khaing died while fighting for democracy, too.
We don't want to loose youth's precious lives anymore. Please help our journey, fighting for democracy. #CDM_IsTheAnswer#WhatsHappeningInMyanmar pic.twitter.com/Fm7lkVfBfX
Die Kugel sei nicht nur in den Kopf von Mya Thwe Thwe Khaing gedrungen, sondern in die Köpfe der gesamten Nation, schreibt diese Twitter-Userin. Nur CDM – die zivile Ungehorsamkeits-Bewegung – könne diese Kugel wieder entfernen:
The bullet did not only went into Ma Mya Thwe Thwe Khaing's head. It went into the heads of the whole country. CDM is the only way to retrieve a bullet.#WhatsHappeningInMyanmar #Feb17Coup pic.twitter.com/cFzeXIed5H
— Keren Khin (@keren_khin) February 17, 2021
Auch die Schwester der verstorbenen Mya Thwe Thew Khaing denkt nicht ans aufgeben, wie sie gegenüber BBC Burmese sagte:
Warum sind das oft ältere Herren? Die sollten sich in einen schönen Lebensabend verabschieden. Sich ein Denkmal als Diktator hinstellen muss international so stark geächtet werden, dass das nicht mehr erstrebenswert ist.