Einfache Häuser in Trümmern, verzweifelte Menschen: Bei einem schweren Erdbeben in Nepal sind mindestens 157 Menschen gestorben. Dutzende weitere seien verletzt worden, sagte ein Sprecher der Polizei in der Hauptstadt Kathmandu der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag.
Das Beben hatte nach Messungen der Nationalen Erdbebenwarte (NEMRC) eine Stärke von 6,4 und ereignete sich am Freitagabend um 23.47 Uhr Ortszeit, als viele Menschen schliefen. Aufnahmen beim örtlichen Fernsehsender Kantipur TV zeigten am Tag darauf Menschen, die in zerstörten Häusern ihr Hab und Gut suchten und verletzte Opfer aus den Trümmern zogen.
An einigen Orten begannen die Rettungsarbeiten bereits kurz nach dem Beben, in anderen Orten in dem bergigen Himalaya-Land dauerte dies deutlich länger, wie der Verwaltungsvertreter Harischandra Sharma aus dem Distrikt Jajarkot, wo das Zentrum des Bebens geortet wurde, sagte.
Teils seien Strassen durch Erdrutsche blockiert gewesen, teils könnten Helfer die abgelegenen Orte ohnehin nur zu Fuss erreichen. Die betroffenen Gebiete gehören zu den ärmsten in dem armen Land in Südasien. Aufnahmen von Kantipur TV zeigten auch, wie Dorfbewohner etwa ohne Schutzausrüstung sich selbst und ihren Mitmenschen halfen. Sie nutzten Spaten und Stirnlampen.
Balbir Bishwakarma, ein Einheimischer von Jajarkot, der bei dem Beben sein Haus verlor, sagte dem Fernsehsender, dass seine engen Verwandten glücklicherweise überlebt hätten. Aber einige seiner Freunde seien gestorben und er glaube, dass sie vielleicht hätten überleben können, wenn sie schneller gerettet worden wären.
Premierminister Pushpa Kamal Dahal besuchte am Samstag Jajarkot per Hubschrauber und traf Verletzte in einem örtlichen Spital, wie Medien berichteten. Einige Verletzte wurden zudem für eine Notfallbehandlung per Luftweg in Krankenhäuser gebracht – unter anderem in die Hauptstadt Kathmandu –, da die betroffenen Gebiete über keine entsprechende Infrastruktur verfügen, hiess es.
Nach Angaben der nepalesischen Polizei wurden 910 Häuser ganz und 2861 teils zerstört. «Viele Häuser waren traditionell gebaut – aus Stein und Lehm», sagte Sete Giri, ein Dorfvertreter in Jajarkot. «Das könnte der Grund für die Schäden sein.» Dem Dorfvertreter zufolge sind derzeit viele Menschen, die ansonsten regelmässig als Wanderarbeiter im reicheren Nachbarland Indien arbeiteten, für wichtige hinduistische Festtage wie das anstehende Lichterfest Diwali in ihrer Heimat. Im Norden Indiens war das Beben auch zu spüren.
Viele Bewohner hätten die Nächte seit dem Beben im Freien verbracht, viele ohne Zelte, sagte Purna Bahadur Khatri, ein Einwohner in Jajarkot. «Wir haben gehört, dass Hilfsgüter von der Regierung und dem Roten Kreuz angekommen sind», sagte er. «Verteilt werden sie wohl nach einer Masseneinäscherung.» Die nepalesische Regierung beschloss am Samstag, Familien, die ein Mitglied verloren haben, je 200'000 Rupien (rund 1411 Euro) zu zahlen.
Die Deutsche Welthungerhilfe teilte am Sonntag mit, sie schicke gemeinsam mit europäischen Partnern erste Hilfsgüter auf den Weg. Im Distrikt Jajarkot sollten Matratzen, Planen und Wasserfilter an die Menschen verteilt werden. «Die betroffenen Regionen gehören zu den ärmsten Gebieten Nepals. In den Dörfern sind viele Menschen schlecht ernährt und die Ernährungssituation wird sich durch das Erdbeben noch zuspitzen. Es ist dort in den Bergen bereits jetzt sehr kalt und die Menschen werden dringend weitere Hilfe brauchen, um durch den Winter zu kommen», wurde der Landesdirektor der Welthungerhilfe in Nepal, Shakeb Nabi, in der Mitteilung zitiert.
Das Erdbeben verursachte die meisten Todesopfer in Nepal seit dem schweren Beben im Frühjahr 2015, bei dem rund 9000 Menschen ums Leben kamen und Millionen weitere obdachlos wurden. Damals wurde die Gegend um die Hauptstadt Kathmandu erschüttert. Zahlreiche Gebäude stürzten ein, darunter auch UNESCO-Welterbestätten. Die Himalaya-Region, in der auch Nepal liegt, ist geologisch äusserst aktiv. Dort schiebt sich die Indische Kontinentalplatte unter die Eurasische Platte. Dies führt zu Beben, es gab auch mehrere in den vergangenen Wochen. (sda/dpa)