Nach Massenprotesten der Bevölkerung wegen der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten beugt sich die Führung Sri Lankas dem Druck der Strasse: Präsident Gotabaya Rajapaksa und Premier Ranil Wickremesinghe kündigten am Wochenende ihren Rücktritt an.
Ein Überblick:
Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern erlebt die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Grossbritannien 1948.
Darum gehen die Menschen in Sri Lanka auf die Strasse und protestieren gegen die Regierung. Die Demonstranten werfen der Politiker-Dynastie der Rajapaksas vor, Milliarden Dollar für überdimensionierte und unprofitable Prestigebauten verschwendet zu haben (etwa einen Seehafen oder den 350 Meter hohen Lotus-Tower-Aussichtsturm in Colombo) während die Bevölkerung täglich mehr unter Mangel leidet.
Die Menschen in Sri Lanka darben aufgrund eines Mangels an Treibstoff, Gas zum Kochen, Medikamenten und Lebensmitteln. Zudem ist die Inflation aktuell sehr hoch und täglich drohen stundenlange Stromausfälle.
Ein Grund dafür ist, dass die Einnahmen aus dem Tourismus aufgrund der Pandemie eingebrochen sind. Darum fehlt dem stark verschuldeten Land Geld, um wichtige Güter zu importieren.
Jüngst wurde sogar der Verkauf von Treibstoff an Privatpersonen für zwei Wochen verboten, was zusätzlichen Unmut in der Bevölkerung auslöste. Am Freitag hatte die Regierung noch versprochen, die Versorgung mit Sprit zu verbessern, doch dies besänftigte die Demonstranten nicht.
Auch am Samstag hatten zehntausende Menschen in der Hauptstadt Colombo den Rücktritt des Präsidenten und des Premiers gefordert. Medien schätzten die Zahl der Teilnehmer auf mehr als 100 000.
Die Polizei setzte Tränengas ein, Soldaten gaben Warnschüsse in die Luft ab, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Dennoch gelang es zahlreichen Menschen am frühen Samstagnachmittag, die Absperrungen zum Amtssitz des Präsidenten und dem Präsidialamt zu durchbrechen.
Videos im Fernsehen und in sozialen Medien zeigten Demonstranten im Pool des Präsidentenpalastes und in luxuriös dekorierten Fluren. Am späten Samstagabend setzten Demonstranten dann die Residenz des Premiers in Brand, wie die Polizei berichtete. Dieser habe sich aber nicht in dem Gebäude aufgehalten. Die Gebäude waren auch am Sonntag noch besetzt.
Der Staatschef werde sein Amt aber erst am 13. Juli räumen, teilte der Parlamentspräsident des südasiatischen Landes mit.
Angesichts der Krise hat die Regierung unter anderem den Internationalen Währungsfonds sowie mehrere Länder, etwa Indien, China und Russland, um Hilfe gebeten. Das UN-Nothilfebüro (OCHA) warnte im Juni, die schwere Wirtschaftskrise könne eine sich anbahnende Hungerkrise in Sri Lanka verschärfen. Das Land war zuvor zehn Jahre lang auf gutem Entwicklungsweg und benötigte keine humanitäre UN-Hilfe.
US-Aussenminister Antony Blinken unterstrich das Recht auf friedliche Proteste. Bei einem Besuch in Bangkok sagte er am Sonntag:
Er forderte zugleich eine strafrechtliche Verfolgung aller Personen, die an Gewalt im Zusammenhang mit den Protesten beteiligt seien.
(yam/sda/dpa)