Am Montag hat die Europäische Union neue Sanktionen gegen Weissrussland beschlossen, um das Regime «finanziell auszutrocknen», wie es der deutsche Aussenminister Heiko Maas formulierte.
Und während die EU den wirtschaftlichen Schraubstock noch einmal enger anzieht, kommen neue Details zu den brutalen Vorgängen in den Folterkerkern des Langzeitmachthabers Alexander Lukaschenko ans Licht. Der 66-Jährige soll nach der Verhaftung des Journalisten Roman Protassewitsch aus einem Ryanair-Flieger Ende Mai persönlich ins Untersuchungsgefängnis in Minsk gereist sein und den 26-jährigen Blogger dort verprügelt haben.
Das behauptet die Organisation BYPOL, ein Zusammenschluss von mehreren hundert ehemaligen weissrussischen Armeeangehörigen, Polizisten und Geheimdienstmitarbeitern, die dem Regime ihre Treue gekündigt und zur Opposition übergelaufen sind. Ziel der im Jahr 2020 gegründeten Organisation ist laut ihrer Homepage die «Wiederherstellung der Demokratie in Weissrussland», und zwar unter der Führung der Lukaschenko-Herausfordererin Swetlana Tichanowskaja, die die Präsidentschaftswahlen im vergangenen August laut internationalen Beobachtern klar gewonnen hat.
BYPOL schreibt auf der Plattform Telegram:
Um ihre Informanten zu schützen, könne man die Quelle leider nicht offenlegen, sagt BYPOL.
Verifzieren lassen sich die Angaben der Ex-Lukaschenko-Getreuen nicht. Igor Makar aber, der einst als Vize-Kommandant die Anti-Terroreinheit des Regimes angeführt hatte, schreibt auf seinem Telegram-Kanal, dass er die Information über Lukaschenkos Reise in Protassewitschs Gefängniszelle bestätigen könne. Seine eigenen Quellen hätten ihm das am 5. Juni ebenfalls erzählt.
«Lukaschenko hat einen angeborenen Sinn für Rache. Der verzweifelte Diktator sinkt auf ein unglaublich niedriges Niveau, kommt an und schlägt die Inhaftierten», betont Makar. Laut seinen Informanten habe man Protassewitsch einen Deal angeboten: Wenn er sich für die Propaganda-Aktionen der Regierung einspannen lasse und abstreite, dass er gefoltert worden sei, kriege er maximal fünf Jahre Gefängnis für seine Beteiligung an den Regime-kritischen Massenprotesten. Ansonsten könne man für nichts garantieren.
Protassewitsch selber, dem für sein politisches Engagement laut dem weissrussischen Gesetz bis zu 15 Jahre Straflager drohen, dementierte die Foltervorwürfe ans Regime bei einem Auftritt vor den Medien vergangene Woche. Der junge Mann, der mit seiner ebenfalls verhafteten Freundin Sofia Sapega im Mai auf der Rückreise aus Athen in ihre litauische Exilheimat entführt worden war, sagte in betont fröhlichem Tonfall: «Niemand hat mich geschlagen oder auch nur mit dem Finger berührt.»
An seine Eltern gerichtet sagte er: «Mam, Pap, macht euch keine Sorgen. Mit mir ist alles völlig in Ordnung.»
In seinen beiden vorangehenden Medienauftritten wirkte Protassewitsch deutlich weniger zuversichtlich. In einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit kurz nach seiner Verhaftung auf dem Rollfeld des Minsker Flughafens wies das stark gepuderte Gesicht des 26-Jährigen deutliche Gewaltspuren auf. Protassewitschs Vater sagte im litauischen Exil, es sei offensichtlich, dass etwas mit der Nase seines Sohnes nicht stimme und dass er in einer Art und Weise spreche, die ganz und gar nicht ihm entspreche.
Bei einem rund anderthalbstündigen Interview, das Protassewitsch Anfang Juni dem weissrussischen Staatssender ONT gegeben hatte, brach der Journalist emotional zusammen. An seinen Handgelenken waren deutliche Spuren von Handschellen zu sehen.