Das Jahr 2016 war ein mieser Jahrgang. Ich will all die Kriege und Katastrophen nicht aufzählen, wir haben sie noch bestens in (schlechter) Erinnerung.
Es scheint fast so, als hätte sich der christliche Gott an den Menschen gerächt. Grund genug hätte er gehabt. Die rasche Säkularisierung in der westlichen Welt kratzt arg an seinem Nimbus.
Die Glocken der Kirchtürme, die hoch in den Himmel ragen, läuten zwar unvermindert laut, um die Menschen in den Gottesdienst zu rufen, doch sie verhallen zunehmend ungenutzt. Die übernächtigten Partygänger ärgern sich höchstens darüber, dass sie das laute Gebimmel aus dem Schlaf reist.
Ungemach erfährt der christliche Gott auch durch Allah, dessen Gläubige den Christen die irdischen Territorien streitig machen, sie verfolgen und nicht selten umbringen – im Namen ihres Gottes. Tobt allenfalls ein Streit unter Göttern? Oder ist es die Rache Allahs für die Kreuzzüge vor vielen hundert Jahren? Schliesslich hat Gott ein anderes Zeitverständnis als wir Menschen, wie uns die Bibel lehrt.
Dieser angeblich allmächtige Gott schaut auch tatenlos zu, wie Aleppo dem Erdboden gleichgemacht wird und Zivilisten umgebracht werden – nicht selten im Namen Allahs. Er lässt auch zu, dass rechtsradikale und populistische Parteien und Strömungen die politischen und kulturellen Errungenschaften der Neuzeit zerstören.
Es scheint ihm auch egal zu sein, dass Egomanen und Narzissten wie Trump, Putin, Assad, Erdogan, Orban, Duterte und Co. in ihrem krankhaften Machtdrang seine Position streitig machen, weil sie sich in ihren Allmachtsphantasien als gottähnlich verstehen. Und sich leider auch so gebärden. So bestimmen immer mehr Psychopathen den Lauf der Welt – und nicht Gott.
Christen erklären diese Dekadenzerscheinungen mit dem Argument, Gott habe uns Menschen einen freien Willen gegeben. Das ist zynisch. Der freie Wille ist weitgehend den skrupellosen Machthabern vorbehalten.
Denn: Wo liegt der freie Wille der Bevölkerung von Aleppo und in anderen Kriegs- und Krisengebieten? Wo liegt der freie Wille von Kindern, die in Dürregebieten verhungern? Sie haben einzig die Wahl, nichts zu essen und rasch zu sterben. Oder die kümmerlichen Reste zu essen und langsam zu sterben.
Da ist weit und breit kein Gott. Und schon gar kein freier Wille.
Selbst wenn er uns damit ausgestattet hätte, müsste er sich die Frage gefallen lassen, weshalb er es getan hat. Er hätte doch voraussehen müssen, dass es damit ganz schief herauskommt mit uns, seinen Kindern.
Vielleicht müsste man Gott wieder einmal an seine eigenen Worte erinnern: «Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.» (1. Johannes 4,16).
Da von seiner Liebe in weiten Teilen der Welt wenig zu spüren ist, muss er sich nicht wundern, dass immer mehr Zweifel darüber aufkommen, ob es ihn denn überhaupt gibt. Oder ob er so beschaffen ist, wie ihn die Bibel darstellt.
Eher machen die menschen für sich ihren eigenen gott, wie er ihnen passt.