Man merkte Lula da Silva die Genugtuung an, als er am Sonntagabend in einem Hotel in São Paulo vor seine Anhänger trat:
Kurz zuvor hatte das Wahlgericht TSE den 77-Jährigen zum Wahlsieger im Ringen um das Präsidentenamt erklärt. Nun wird der frühere Gewerkschaftsführer am 1. Januar sein drittes Mandat antreten. Das hat in Brasilien noch kein anderer Politiker erreicht. Die Rückkehr des linken Präsidenten nach Jahren der juristischen Verfolgung und des Gefängnisses ist eines der bemerkenswertesten politischen Comebacks.
Die Stimme von Luiz Inácio «Lula» da Silva ist noch ein Stück rauer geworden in den Jahren seit seiner ersten Präsidentschaft 2003, der Bart ein bisschen weisser, aber er hat von seinem rhetorischen Talent nichts eingebüsst. Das merkte man am Sonntagabend, als er in einer halben Stunde ein Regierungsprogramm für vier Jahre umriss und dabei viel Hoffnung verströmte. Lula, der Brasilien bis 2011 regierte, nimmt man seine Sorgen um die Demokratie ab, die ja in seinem Land erst 1985 zurückgewonnen wurde.
Lange hat der Politiker, der über die Grenzen Brasiliens als die linke Ikone Lateinamerikas gilt, gezögert, ob er sich dieser Aufgabe stellen soll. Es war schliesslich seine sechste Kandidatur um das höchste Staatsamt. Das Alter, persönliche Schicksalsschläge wie der Tod seiner Frau Letizia 2017 und die anderthalb Jahre im Gefängnis bis November 2019 wegen Vorteilsnahme haben ihn gezeichnet. Doch das Fehlen annähernd aussichtsreicher Bewerber in seiner Arbeiterpartei PT machte die Kandidatur unausweichlich.
Die Haft war Folge einer Verurteilung zu zwölf Jahren Gefängnis wegen Korruption und Geldwäsche. Doch das Oberste Gericht hob das Urteil wegen Verfahrensfehlern und Befangenheit eines Richters auf. Da Silva erhielt seine politischen Rechte zurück.
Tatsächlich blühte in seinen Amtszeiten die Bestechlichkeit in der ohnehin korrupten brasilianischen Politik, aber eine persönliche Bereicherung konnte ihm nie nachgewiesen werden. Dennoch hat Lula Figuren wie den Bauunternehmer Marcelo Odebrecht erst grossgemacht, der seinem Unternehmen in ganz Lateinamerika Projekte über Bestechung sicherte.
Die beiden waren befreundet. Auch war Lula immer ein Freund grosser Megaprojekte im Infrastrukturausbau. Umweltthemen, Nachhaltigkeit und Gender waren nicht so sein Ding. Aber Lula 2.0 hat zumindest sein Wahlprogramm modernisiert und wirkt heute wie der Retter von Demokratie und Klimaschutz im grössten Land Lateinamerikas.
Lula war Brasiliens erster Präsident aus der Arbeiterklasse. Er wurde in eine mittellose Familie in Pernambuco im armen Nordosten geboren. Seine Eltern zog es in die Industriemetropole São Paulo. Als Kind putzte er Schuhe und verkaufte Orangen. Mit 14 heuerte er nach nur drei Jahren Schule in der Metallfabrik an. In der Gewerkschaft stieg er zum Vorsitzenden auf, als er noch keine 20 Jahre alt war.
Ende der 1970-er Jahre wurde Lula landesweit bekannt, als er eine Serie von Streiks anführte und dafür von den Militärmachthabern ins Gefängnis gesteckt wurde. In dieser Zeit entsteht das Bild des charismatischen Kämpfers mit gereckter Faust, wildem Bart und radikalen Forderungen. 1980 ist er Mitbegründer der Arbeiterpartei PT.