Die brasilianische Abgeordnetenkammer hat eine vom rechtsgerichteten Präsidenten Jair Bolsonaro befürwortete Wahlreform abgelehnt.
Statt der benötigten mindestens 308 Ja-Stimmen erhielten die Verbündeten Bolsonaros nur 229 Stimmen. 218 Abgeordnete votierten dagegen, und es gab eine Enthaltung, wie aus einer Mitteilung der Kammer am Dienstagabend (Ortszeit) hervorging.
Damit scheiterte eine Verfassungsänderung, nach der die elektronischen Wahlmaschinen zusätzlich mit gedruckten Wahlscheinen ergänzt werden sollten. Stunden zuvor war ein Militärkonvoi mit Dutzenden Fahrzeugen unter anderem am Präsidentenpalast und am Kongress vorbeigefahren - was Beobachter als Einschüchterungsversuch der Regierung angesichts der sich abzeichnenden Abstimmungsniederlage werteten.
Das Wahlsystem in Brasilien - mit 210 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas - ist vollständig elektronisch. Seit den Präsidentschaftswahlen 2018 sät Bolsonaro immer wieder Zweifel an der Verlässlichkeit des Wahlsystems.
Wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump warnt auch er ohne Belege vor einer möglichen Manipulation. Bolsonaro fordert, dass die Stimmabgabe auch auf einem Ausdruck festgehalten werden müsse, andernfalls werde er das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2022 möglicherweise nicht anerkennen. Mit seinem Vorstoss versucht er politischen Analysten zufolge, angesichts schlechter Umfragewerte seine Anhänger zu mobilisieren.
Der Marine zufolge war der Konvoi lange geplant gewesen. Bolsonaro, Hauptmann der Reserve, bekam Medienberichten zufolge eine Einladung zu einer Militärübung überreicht.
Der deutsche Politikwissenschaftler und Militärexperte Kai Michael Kenkel von der «Pontifícia Universidade Católica do Rio de Janeiro» (PUC) sagte der Deutschen Presse-Agentur dazu, es sei aus seiner Sicht der Versuch gewesen, Macht zu demonstrieren. «Die Frage ist nur: Ist die Order von Bolsonaro gekommen oder nicht?» Solche Konvois habe es in den Vorjahren nicht gegeben. «Und diese ganzen Fahrzeuge waren schon angekommen am Ort des Trainings - und sind zurückgefahren nach Brasília.»
Die Zustimmung zu Bolsonaros Amtsführung ist im Laufe der Corona-Pandemie immer mehr gesunken. Anfang Juli lehnten 51 Prozent der Befragten die Politik des Präsidenten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Datafolha ab. Das war das schlechteste Ergebnis seit Bolsonaros Amtsantritt 2019.
«Wir waren direkt dabei, grosses Vertrauen in die Fähigkeit der brasilianischen Institutionen auszudrücken, eine freie und faire Wahl mit angemessenen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor Betrug durchzuführen», sagte Juan Gonzalez, Nationaler Sicherheitsberater für die Westliche Hemisphäre der USA, nach einem Besuch in Brasília am Montag zu Journalisten.
«Und wir haben betont, wie wichtig es ist, das Vertrauen in diesen Prozess nicht zu untergraben, zumal es bei früheren Wahlen keine Anzeichen für Betrug gab.» Nach den wiederholten Attacken hatte der Oberste Gerichtshof Brasiliens Bolsonaro zuletzt ins Visier genommen und in die bereits laufenden Ermittlungen zur Verbreitung von Fake News eingeschlossen. (aeg/sda/dpa)