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Charlie Hebdo

Charlie Hebdo kritisierte Erdogan – die Aktion ging nach hinten

Charlie Hebdo sorgt mit Trümmer-Karikatur für Entrüstung

Während die Welt in die Türkei und nach Syrien blickt, übt «Charlie Hebdo» Kritik an der Repression in Kurdistan aus. Die Aktion geht nach hinten los.
08.02.2023, 17:5708.02.2023, 22:00
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Die Opferzahlen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien steigen stündlich. Noch immer befinden sich Verschüttete unter den Trümmern. Tausende von Menschen haben ihr Hab und Gut verloren. Es herrscht klirrende Kälte. Die Spitäler kommen an ihre Grenzen. Zwei Nationen leiden, wobei eine noch immer unter den Folgen des Bürgerkriegs leidet.

Am Tag der ersten Beben teilt die französische Satire-Zeitung «Charlie Hebdo» auf Twitter «die Zeichnung des Tages». Diese zeigt beschädigte Gebäude und einen Trümmerhaufen. Beschriftet ist die Zeichnung mit «Séisme en Turquie» («Erdbeben in der Türkei»).

Eine Solidarisierung mit den Opfern? Weit gefehlt.

Unter dem Trümmerhaufen der Zeichnung liegt die Pointe: «Même pas besoin d'envoyer de chars!» («Man muss nicht einmal Panzer schicken»).

Ausgerechnet an einem Tag, der Tausende von Leben fordert, übt «Charlie Hebdo» Kritik an Recep Tayyip Erdoğan, der seit Jahren kurdische Milizen in Nordsyrien angreift. Also in genau jenen Gebieten, die stark vom Erdbeben betroffen sind.

Doch nicht nur der türkische Präsident wird angeprangert, sondern auch die militärische Unterstützung Europas für Kiew sowie der Umgang mit Waffen aus unserem Nachbarland.

Denn: Deutschland hatte zwischen 2006 und 2011 mehr als 350 «Leopard-2-Panzer» in die Türkei geliefert – ohne Bestimmungen für den Einsatz zu erteilen. Einige der deutschen Leopard-Panzer sind bei einem Einsatz der türkischen Offensive gegen syrische Kurden zum Einsatz gekommen. Schon vor der Vereinbarung bezeichneten die Kurden die Lieferung als «misstrauensbildende Massnahme, die nicht in den Reformprozess der Türkei passe».

Inzwischen ist das Thema der Vergabe von Kampfpanzern aus deutscher Produktion infolge des Krieges in der Ukraine in den Medien wieder omnipräsent.

Satire wird missverstanden

Noch hitziger als die aktuelle Leopard-Debatte wird in den sozialen Medien gerade über die Karikatur von «Charlie Hebdo» diskutiert. Viele empfinden die Zeichnung angesichts der Opfer des Erdbebens als respektlos oder geschmacklos. «Sich über so etwas lustig zu machen, ist unmenschlich», kritisiert ein User auf Twitter. Ein anderer: «Es ist unehrenhaft, sich über das Schicksal der Menschen, Kinder und Babys zu amüsieren.»

Auch in der Türkei blieb die Karikatur nicht unbemerkt. Medien aus der Türkei sowie aus dem Nahen Osten berichten, dass die Zeichnung als Verspottung der Türkei und als islamfeindlich angesehen wird. Der prominente amerikanische muslimische Schriftsteller Omar Suleiman schreibt auf Twitter, dass die Karikatur «Muslime entmenschliche».

Die neuesten Berichte über weitere türkische Bombenangriffe auf kurdische Gebiete – trotz Verwüstung durch das Erdbeben – haben den Shitstorm noch nicht gebändigt.

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Die Schäden der schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien
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Die Schäden der schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien
In der türkischen Provinz Idlib wurden zahlreiche Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Zivilschutzangehörige durchsuchen die Trümmer nach Überlebenden.
quelle: keystone / ghaith alsayed
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Videos zeigen einstürzende Gebäude in der Türkei und Syrien
Video: watson
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117 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hösch
08.02.2023 18:37registriert März 2022
Also der Erdogan und der Assad lassen im Erdbebengebiet weiter bomben, aber Charlie Hebdo soll unmenschlich unterwegs sein wenn per Karrikatur darauf verwiesen wird, dass es für Trümmer keine Panzer braucht.

Muss ich das verstehen?
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Max Dick
08.02.2023 18:43registriert Januar 2017
Und was genau soll daran geschmackslos sein? Dass man auf die Tatsache hinweist, dass die Türkei in einem unnötigen Angriffskrieg unzählige Häuser in den Lurdengebieten Syriens in Trümmer gelegt hat?
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Garp
08.02.2023 18:41registriert August 2018
Ich hab das so verstanden. Erdogan hasst die Kurden und würde sie am liebsten auslöschen. Das Erdbeben kommt ihm sehr gelegen, er muss sie dann nicht mit Bomben vernichten.

Man muss dabei den Konflikt von Erdogan mit den Kurden im Kopf haben. Hat man das nicht, ist man natürlich entsetzt.
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