Ali Chameneis Leben hängt am seidenen Faden. Irans oberster geistlicher Führer versucht sich in einem Blutbad vor dem Ertrinken zu retten, in dem er nach einem Henkersknoten greift.
Dies ist eine von mehr als 300 eingereichten Karikaturen des #MullahGetOut-Wettbewerbs, welcher die französische Satirezeitung Charlie Hebdo ins Leben gerufen hatte.
Acht Jahre nach dem islamistisch motivierten Anschlag, der am 7. Januar 2015 auf die Redaktion von Charlie Hebdo verübt wurde, veröffentlichte die Zeitung eine Sonderausgabe. Diese blickt nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Gegenwart: die Proteste im Iran.
Wegen Karikaturen über den Propheten Mohammed ist die Redaktion damals fast ausgelöscht worden, nun solidarisiert sich die nach wie vor unter Polizeischutz stehende Zeitung mit der Protestbewegung im Iran – und schiesst mit geballter Ladung gegen die Religionsführer des Irans.
Die Titelseite zeigt eine splitternackte Frau in Gebärstellung, in deren Vagina kleine Zwerg-Ajatollahs hineinspazieren. Neben dem Bild steht: «Mollahs, retournez d'où vous venez» (Mullahs, geht dahin zurück, wo ihr herkommt). Der Nachrichtendienst Twitter hat die Karikatur als «sensibler Inhalt» eingestuft.
Numéro spécial du 7 janvier !
— Charlie Hebdo (@Charlie_Hebdo_) January 3, 2023
Retrouvez :
👉 Les gagnants de notre concours international de caricatures #MullahsGetOut
👉 Reportage avec les mutazilites, ceux qui veulent réformer l'islam
👉 La révolution iranienne va-t-elle inspirer le Moyen-Orient ?
En vente mercredi ! pic.twitter.com/HFmo9GGyzK
Die Publikation ist das Resultat der Kampagne #MullahsGetOut. Seit Dezember sammelte die Redaktion Karikaturen von Menschen aus aller Welt. Die einzige Anforderung: Sich über die religiöse Führung im Iran lustig zu machen – und sie in den «Mülleimer der Geschichte zu schicken».
Bis zum Druck des Heftes habe die Zeitung mehr als 300 Karikaturen erhalten – sowie Tausende von Drohungen. Die 35 «ausgereiftesten, originellsten und treffendsten» Karikaturen hat die Zeitung veröffentlicht. Viele der Karikaturen stammen angeblich von Iranerinnen und Iranern, die im Exil leben.
Die Aktion kommt nicht von ungefähr. Die Initiative zielt auf eine Aktion im Jahr 1993, als die iranische Revolutionsgarde dazu aufrief, Salman Rushdie, den Autor des Romans «Die satanischen Verse», zu karikieren.
Bereits im Jahr 1989 erliess der iranische Ajatollah und Revolutionsführer Ruhollah Chomeini mittels einer Fatwa (ein islamisches Edikt) auf, den Schriftsteller zu töten. Grund: Der Roman beleidige den Islam. 2016 ist das Kopfgeld für die Tötung des Autors von rund 600'000 Dollar auf 4 Millionen Dollar erhöht worden. 2022 ist Rushdie in New York auf offener Bühne von einem schiitischen Extremisten niedergestochen worden. Er überlebte den Anschlag nur knapp.
Im Gottesstaat blieb die Aktion nicht unbemerkt. Die erste Reaktion liess nicht lange auf sich warte. Das Aussenministerium kündigte nach Publikation die Schliessung des französischen Forschungsinstituts (Ifri) in Teheran an. Die Franzosen hatten Mitte des 19. Jahrhunderts im Iran archäologische Ausgrabungen durchgeführt, die Funde sind im Institut beherbergt. Erst 2021 ist das Forschungszentrum nach jahrelanger Schliessung als Zeichen einer Annäherung der bilateralen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Iran wiedereröffnet worden.
Bei der erneuten Schliessung handle es sich dem Aussenministerium zufolge um «einen ersten Schritt». In einer Erklärung warf das Ministerium «Untätigkeit in Bezug auf Anti-Islamismus sowie die Verbreitung von rassistischem Hass in französischen Publikationen» vor.
Die französische Aussenministerin Catherine Colonna wies die Kritik zurück und machte klar, dass in Frankreich Pressefreiheit gelte, «wovon man im Iran wohl keine Kenntnisse habe».
In einer zweiten Erklärung sagte der Sprecher des iranischen Aussenministeriums, Nasser Kanani, dass die «Meinungsfreiheit nicht als Vorwand benutzt werden dürfe, um eine Religion zu beleidigen». Frankreich müsse die «grundlegenden Prinzipien der internationalen Beziehungen einhalten, darunter gehöre der gegenseitige Respekt sowie die Einhaltung, sich nicht in innere Angelegenheiten einzumischen».
Nicht nur die Regierung fühlt sich durch die Veröffentlichung der Karikaturen provoziert. Vor der französischen Botschaft in Teheran haben der Nachrichtenagentur AFP zufolge am Sonntag zahlreiche Iranerinnen und Iraner gegen die satirische Zeitung protestiert. Die Anhänger der Mullahs hätten französische Flaggen angezündet und Plakate mit Aufschriften wie: «Ich werde mein Leben für den Führer opfern» und «Schande über Charlie Hebdo» hochgehalten.
Doch die Kritik kommt nicht nur aus den eigenen Reihen. Die in Deutschland lebende iranische Aktivistin Sanaz Azimipour findet die Karikaturen geschmacklos. Gegenüber «Deutschlandfunk Kultur» sagt die gebürtige Iranerin, dass die Bewegung im Iran feministisch und progressiv sei, die Karikaturen finde sie hingegen sexistisch.
Insbesondere eine Karikatur kritisiert sie: ein Cowgirl, das versucht Ali Chamenei mit einem Lasso einzufangen. Dieses würde nur die Gewalt verharmlosen, die Frauen im Iran angetan werden.
Ich mag @Charlie_Hebdo_ zu #IranRevolution2023 pic.twitter.com/drtRV4BEcW
— Markus Sulzbacher (@msulzbacher) January 5, 2023
Alle weiteren Karikaturen sind hier zu finden.
Hahaha. Guter Witz. Vor der eigenen Türe wischen, gibt genug Dreck da.