International
China

In Xinjiang boomt der Tourismus – trotz Chinas Repressionen gegen Uiguren

Mehr als eine Million Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten sollen in China in Umerziehungslagern inhaftiert sein.
Mehr als eine Million Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten sollen in China in Umerziehungslagern inhaftiert sein.bild: shutterstock

Uiguren in China: So erschafft das Regime ein Paralleluniversum für Touristen

21.07.2019, 17:4618.11.2019, 11:15
Mehr «International»

Die Taklamakan-Wüste, die schneebedeckten Berge von Tianshan oder der Karakul-See: Das Bild, das China offiziell von der Provinz Xinjiang zeichnet, entspricht dem eines touristischen Idylls. Dabei herrschen in der im Nordwesten des Landes gelegenen Provinz Diskriminierung und Unterdrückung.

Der Karakul-See auf 3600 Metern über Meer ist beliebtes Ziel für Abenteuerreisende.
Der Karakul-See auf 3600 Metern über Meer ist beliebtes Ziel für Abenteuerreisende. bild: shutterstock

«Umerziehungslagern» für Uiguren

Menschenrechtsorganisationen werfen China vor, muslimische Uiguren in Internierungslagern festzuhalten und ein beispielloses Überwachungssystem installiert zu haben.

FILE - In this July 8, 2009, file photo, paramilitary police walk past an elderly ethnic minority man a day after Han Chinese mobs attacked Uighur in retaliation for earlier attacks in neighbourhoods  ...
Die Polizei gehört in Xinjiang seit Jahren zum Strassenbild. Bild: AP

Mehr als eine Million Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten sollen in Xinjiang in Umerziehungslagern inhaftiert sein, um sie zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache zu zwingen und zu «guten» chinesischen Staatsbürgern zu machen. Peking bestreitet dies und spricht von «Bildungszentren», die dem Kampf gegen islamistische Radikalisierung dienten.

China erschafft Paralleluniversum

Die von Uiguren bewohnte Provinz Xinjiang liegt ganz im Nordwesten Chinas.

Gleichzeitig boomt der Tourismus in der Provinz, die unter anderem an Afghanistan und Pakistan grenzt. Für die - meist chinesischen - Touristen haben die Behörden allerdings ein Paralleluniversum geschaffen, in dem von den gewaltigen Repressionen gegen die muslimischen Bewohner nichts zu spüren ist.

«Auf mich persönlich wirkte es nicht so, (...) als lebten die uigurischen Gemeinschaften in Angst», sagt der Tourist William Lee der Nachrichtenagentur AFP. Der Dozent unterrichtet seit zehn Jahren an chinesischen Universitäten und besuchte Xinjiang im Juni.

Fast nirgendwo sonst in China wächst der Tourismus so schnell wie in Xinjiang. Auch die massive Präsenz bewaffneter Polizei und die zahllosen Überwachungsstellen konnten dieses Wachstum nicht bremsen: 2018 lag die Zahl der Touristen im Vergleich zum Vorjahr nach offiziellen Angaben um 40 Prozent höher.

Bild
bild: shutterstock

2020 will die Region nach Angaben des Tourismusbehörde 300 Millionen Besuche von Touristen verbuchen - und damit doppelt so viele wie 2018. 600 Milliarden Yuan (85 Milliarden Franken) an Einnahmen soll die Tourismusbranche dann erzielen.

«Xinjiang ist sehr stabil», sagt Wu Yali, Betreiberin eines Reisebüros, AFP. Zwar seien die Touristen nicht an die straffen Sicherheitsbedingungen gewöhnt, doch «nach ein paar Tagen passen sie sich an».

Unsichtbare Gewalt

Der Zuwachs an Touristen ist von China gewollt - was sie in Xinjiang sehen, wird allerdings von den Behörden gesteuert. Die ausserhalb der touristischen Hochburgen gelegenen Internierungszentren für Uiguren bekommen Besucher nicht zu Gesicht. Während einer sechstägigen Reise durch Xinjiang stiessen AFP-Journalisten in der Nähe solcher Internierungslager immer wieder auf Strassensperren und wurden von Sicherheitskräften weggeschickt.

«Die Gewalt, mit denen Institutionen der uigurischen und anderer muslimischen Minderheiten unterdrückt werden, ist so gut wie unsichtbar», sagt Rachel Harris, Expertin für uigurische Kultur und Musik an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London. Für Touristen sei diese Gewalt aber nicht zu sehen. «Es ist alles sehr ruhig, weil ein gegen die Lokalbevölkerung gerichtetes Regime herrscht», fügt die Expertin an.

In this photo taken Tuesday, July 7, 2009, a Uighur woman protests before a group of paramilitary police when journalists visited the area in the aftermath of riots in Urumqi in western China's X ...
Bild: AP

«Ethnische» Reiseerlebnisse

Zwar bieten offizielle Reiseagenturen in Xinjiang sogar «ethnische» Reiseerlebnisse an. Touristen besuchen dabei meist traditionelle uigurische Tanzaufführungen. Manche Reiseagenturen bieten sogar Besuche bei uigurischen Familien an.

Experten werfen den chinesischen Behörden jedoch vor, die komplexe Kultur der Uiguren auf wenige Aspekte zu reduzieren. «Die uigurische Kultur wird auf Tanzen und Singen reduziert», kritisiert der US-Autor Josh Summers, der seit zehn Jahren in Xinjiang lebt. Jene Aspekte der uigurischen Kultur, die dem Tourismus nicht dienten, würden hingegen ausgeblendet oder sogar bekämpft.

A man who is about to be executed is escorted by riot policemen in this still image taken from video in an unknown location in the Xinjiang Uighur Autonomous Region, June 16, 2014. China executed 13 p ...
Uiguren verschwinden oft spurlos. Sie werden inhaftiert oder exekutiert.

Immer wieder sind in den vergangenen Jahren prominente Uiguren spurlos verschwunden. Kritiker der chinesischen Minderheitenpolitik fürchten, dass sie in den Internierungszentren gefangen gehalten werden.

Rote Linien für Touristen

Doch selbst unter den Bedingungen des strikt kontrollierten Tourismus in Xinjiang kommt es immer wieder vor, dass Reisende in Berührung mit den vom Staat gezogenen roten Linien kommen.

Ein muslimischer Tourist aus Südostasien schilderte der AFP, wie er von Sicherheitskräften daran gehindert wurde, in der Idkah-Moschee in Moschee in Kaschgar zu beten. «Sie wollen die Touristen von der Lokalbevölkerung fernhalten», sagt er.

(oli/sda/afp)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die unterdrückten Uiguren in China
1 / 10
Die unterdrückten Uiguren in China
In der Region Xinjiang im Westen Chinas, wo die muslimische Minderheit der Uiguren lebt, kommt es immer wieder zu Unruhen.
quelle: x01481 / kyodo
Auf Facebook teilenAuf X teilen
China testet ein Punktesystem für Bürger
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
giandalf the grey
21.07.2019 18:57registriert August 2015
Waaaas? China unterdrückt Minderheiten? Neeeeein. Sowas kann ich mir nicht vorstellen. China? Nicht doch... Zu blöd dass die so wichtig für die Weltwirtschaft sind, sonst hätte die USA denen doch längst ein bisschen Freiheit und Demokratie gebracht. Ach wie ich die Welt liebe.
130
Melden
Zum Kommentar
avatar
Heinzbond
21.07.2019 19:02registriert Dezember 2018
So gross, so repressiv, auch die Tage der selbstherrlichen chinesischen Führung sind bereits gezählt. Und dann? Hunderte Kleinstaaten wie auf dem Balkan? China eine Demokratie nach europäischem Vorbild? Das wird viel Leid geben...
41
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gender Bender
21.07.2019 18:58registriert Mai 2017
pro memoria: Das berner Oberland lebt hauptsächlich vom Tourismus und vom Krieg. Die arbeiten alle entweder in einem Hotel oder bei der Raug.
65
Melden
Zum Kommentar
24
Donald Trump hat sich entschieden: Darum kommt er nicht ans WEF
Deutschlands Kanzler Scholz, Argentiniens Präsident Milei und ein Putin-Versteher treten am WEF auf, wie die «Schweiz am Wochenende» erfahren hat. Was aber ist mit dem künftigen US-Präsidenten Trump?

Erst wenige Tage vor dem Jahrestreffen, das vom 20. bis zum 24. Januar 2025 stattfindet, veröffentlicht das Weltwirtschaftsforum seine Gästeliste. Dennoch liegen der «Schweiz am Wochenende» verlässliche Angaben zu den Teilnehmern vor.

Zur Story