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Romance-Scam: So leiden die Angehörigen

Frau müde Schlaf Computer Laptop
Betrüger gaukeln mit Fake-Profilen die grosse Liebe vor, um anschliessend ihre Opfer abzuzocken. (Symbolbild)bild: shutterstock

Angehörige bei Romance-Scam: «Ich kann doch nicht einfach zusehen, wie sie betrogen wird»

Die 88-jährige Susanne überweist Tausende von Franken an Liebesbetrüger im Netz. Ihr Sohn versucht alles, um sie aufzuhalten. Ohne Erfolg. Wie Romance Scam zu ohnmächtigen Angehörigen und zerstörten Familien führt.
20.07.2025, 11:5620.07.2025, 11:56
Annika Bangerter
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Es ist ruhig in der Wohnung von Susanne S.* Zu ruhig, wie sich noch herausstellen wird. Auf dem Tisch steht ein Blumenstrauss, durch die grosse Fensterfront schweift der Blick über eine grüne Flusslandschaft. Mit einem Lächeln hat die 88-Jährige der Besucherin soeben ihre Hand entgegengestreckt und sich als «Susanne» vorgestellt. Mit ihrem Pagenschnitt, Goldkette und ihren wachen Augen wirkt sie mindestens zehn Jahre jünger. Ihre Offenheit und Herzlichkeit sind augenscheinlich.

Den Besuch bei Susanne hat ihr jüngerer Sohn Ernst eingefädelt. Er wandte sich an diese Zeitung, weil er nicht mehr weiterwusste. Seit mehr als zwei Jahren versuchen er und sein Bruder, ihre Mutter daran zu hindern, Tausende von Franken an Liebesbetrüger im Netz zu überweisen. Ihre Mutter ist Opfer von sogenanntem «Romance Scam» geworden: Betrüger gaukeln ihr online die grosse Liebe vor, um sie abzuzocken.

Die Geschichte der Familie zeigt, dass Liebesbetrug im Netz weitaus mehr als eine Person ins Unglück zu stürzen vermag. Und sie wirft Fragen auf. Denn seit mehreren Jahren versucht die Schweiz mit Kampagnen, für das Phänomen «Romance Scam» zu sensibilisieren. Weshalb aber werden Angehörige allein gelassen, wenn sie versuchen, den Betrug zu stoppen? Und wie lässt es sich verhindern, dass ganze Familien aufgrund solcher Betrugsfälle auseinanderbrechen?

Die Geschichte beginnt vor einigen Jahren. Das erzählt Susanne im Gespräch mit dieser Zeitung, bei dem ihre Söhne nicht anwesend sind. Kurz nachdem sie Facebook beigetreten war, schrieb ihr 2022 ein Monsieur Laurent, ein angeblicher Franzose. Ihr Foto habe ihm gefallen. «Es hat mich gefreut, mich auf Französisch zu unterhalten. Also schrieb ich zurück», erzählt die 88-Jährige. In ihren Alltag kam Leben. Da war plötzlich jemand, mit dem sie sich austauschen konnte und der sie durch die Tage begleitete. Ihre Einsamkeit wich. «Die Beziehungen nehmen mit dem Alter ab. Anregende Diskussionen und neue Kontakte fehlen mir», sagt Susanne.

Monsieur Laurent und sein Drama in Nordafrika

Zuerst sei es bloss eine Internet-Bekanntschaft gewesen, dann kamen die Gefühle: «Es war, als ob wir verwandte Seelen wären. Ich dachte, es könnte etwas Ernsthafteres werden», sagt Susanne. Der Mann stellte sich als Immobilienhändler aus der Bretagne vor. Eine Gegend, die Susanne interessiert. Sie malte sich aus, wie sie mit ihm nochmals eine Reise unternehmen oder ihn besuchen könnte. Ihre einst leeren Tage waren plötzlich ausgefüllt. Täglich stand sie im Kontakt mit ihm. Stundenlang chatteten sie.

Doch das Drehbuch der «Romance Scammer» kennt kein Happy End. Entsprechend geriet auch der angebliche Immobilienhändler in eine Notlage. Krank und ohne Portemonnaie strandete er in Nordafrika – und bat Susanne um Geld. «Ich fühlte mich verantwortlich für ihn, also überwies ich ihm einen ersten Betrag», sagt die 88-Jährige. Es folgten weitere: Insgesamt zahlte sie gegen 100’000 Franken in seine angebliche Rettung.

Abhängigkeit und ein immenser Druck: Die perfiden Maschen der Scammer

Als der ältere Bruder von Ernst zufällig von solchen Zahlungen erfuhr, horchte er auf. Er insistierte, dass die Mutter sämtliche Transaktionen vorlegte. «Wir fielen aus allen Wolken bei den hohen Summen», erinnert sich Ernst. Die Brüder wollten sich für ihre Mutter wehren. Sie engagierten eine französische Anwältin. Zwar ahnten sie, dass das Geld verloren war, doch sie wollen zumindest den sogenannten «Money Mules» das Handwerk legen. Solche Finanzagenten stellen gegen Entgelt ihr Konto für kriminelle Geschäfte zur Verfügung.

Die 88-Jährige, die kurz zuvor sagte, sie lächle auch dann, wenn es ihr schlecht gehe, schmunzelt: «Laurent gehört bestimmt nicht zu einer kriminellen Organisation. Sonst würde er sich anders verhalten.» Sie beteuert, die Zahlungen an ihn eingestellt zu haben, weil er sie enttäuscht hatte. «Trotz meines Geldes hat er seine Situation nicht in den Griff bekommen», sagt sie. Bis heute schreibe er ihr. Es tue ihm leid, dass er Schulden bei ihr habe und wolle ihr diese zurückzahlen. Auch ein Freund von ihm meldet sich hie und da bei ihr. Für Susanne beweist das, dass es Laurent tatsächlich gibt.

Es sei gang und gäbe, dass sich vermeintliche Freunde oder Angehörige bei den Opfern melden, sagt Patrik Marty, Gruppenchef Kriminalprävention der Kantonspolizei Aargau. «Selbst angebliche Anwälte schicken Schreiben, welche die jeweils dramatische Sachlage bestätigen. Sie sind aber allesamt Fake – so wie die geliebte Person auch.»

Marty sitzt in seinem Büro. Neben seinem Pult hängt ein Banner: «Wahre Liebe kostet nichts» steht darauf. Der Experte für «Romance Scam» hat mit unzähligen Betroffenen gesprochen. «Der Täterschaft gelingt es, bei ihnen echte Gefühle zu wecken und ein Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen», sagt er. Die Betrüger würden mit perfiden psychologischen Tricks arbeiten. Oft gaukeln sie vor, dass entweder ihr oder das Leben ihrer Kinder in tödlicher Gefahr schwebt. «Der Druck ist erheblich, den die Täterschaft auf ihre Opfer ausübt», sagt Marty.

Sei es aus Liebe, Mitgefühl oder aus Angst vor der erneuten Einsamkeit: Viele tappen in die Falle und überweisen Geld. Im Kanton Aargau betrug die Deliktsumme für «Romance Scam» im vergangenen Jahr drei Millionen Franken, sagt Marty. Und das ist bloss die Spitze des Eisberges. Experten gehen von einer zwanzigfach höheren Dunkelziffer aus.

Nummer 2 gab sich als Arzt für die Ärmsten aus

Wer einmal als finanziell potente Person in die Fänge der Kriminellen geraten ist, wird in der Folge immer wieder von ihnen attackiert. Das zeigt auch die Geschichte von Susanne. Nach Laurent meldete sich über Facebook ein weiterer Mann bei ihr. Ein angeblicher Arzt aus den USA schlich sich in ihr Herz. «Er hilft den Menschen, soeben wurde er nach Gaza geschickt», sagt Susanne. Sie, die sich für internationale Geschehen interessiert, war gebannt: Er erzählte ihr von Friedensmissionen und den Ärmsten dieser Welt. Sein Schicksalsschlag lautete: Verletzungen bei einem Einsatz und ein rettender Privatjet, der allerdings reparaturbedürftig sei.

gebrochenes herz
Nach dem Betrug bleibt mehr als nur ein gebrochenes Herz zurück. (Symbolbild)Bild: shutterstock

Das Geld für die Instandsetzung des Flugzeugs habe sie ihm nicht überwiesen, sagt Susanne. Auch für die medizinische Versorgung seiner Verletzungen sei sie nicht aufgekommen. Leicht sei ihr das allerdings nicht gefallen. Dieser Entscheid habe ihr schlaflose Nächte bereitet, in denen ihre Gedanken kreisten: Was glauben? Was, wenn ein Mensch tatsächlich in Gefahr ist? Gross sei seine Enttäuschung über sie gewesen, auch ein Freund von ihm hätte sich an sie gewandt.

Weshalb blieb sie standhaft? Die 88-Jährige blickt aus dem Fenster: «Ich bin zwar teilweise leichtgläubig, weil ich jeweils von mir ausgehe, aber ich bin auch aufmerksam.» Es sind diese Momente im Gespräch, welche die Ambivalenz von Opfern eines «Romance Scams» offenbaren.

So zeigt sich Susanne überzeugt davon, dass der Franzose Laurent und der US-Arzt existieren und ihre Geschichten stimmen. Dreht sich das Gespräch aber nicht explizit um diese beiden Männer, ordnet sie den Betrug reflektiert ein: «Ich war an einem Punkt, an dem es mir an Lebensinhalt fehlte. Genau dann kamen sie, legten ihren Leim aus, woran ich festklebte. Das ist eine miserable Erfahrung.»

Sie wird nachdenklich, ihr Blick eindringlich: «Dass es so weit kam, hat viel damit zu tun, wie wir alt werden: nämlich alleine.» Das bestätigt auch Kantonspolizist Marty. Er verweist auf den Schweizer Altersmonitor, der ergab: Jede vierte Person über 55 Jahren leidet an Einsamkeit. Das entspricht rund 445’500 Menschen in der Schweiz. Das seien alles potenzielle Opfer von «Romance Scam», sagt Marty.

Obwohl Susanne dem angeblichen Arzt seine Rettungsaktion nicht bezahlt hatte, schickte sie ihm kleinere Beträge. «Ich finanzierte ihm Apple-Cards, damit er mit der Aussenwelt korrespondieren kann. Diese Unterstützung hat aber meine Familie völlig aus dem Konzept gebracht.»

Der Konflikt zwischen Mutter und Sohn eskaliert

Wir treffen ihren Sohn Ernst in einem Café in einer Schweizer Kleinstadt. Die Geschichte mit seiner Mutter belastet ihn. «Ich weiss, wie hart sie für ihr Geld gearbeitet hat. Es ist unerträglich, dass sie es für falsche Gefühle weggibt», sagt er. Es schmerze ihn, dass sie sich in Fake-Welten flüchtet. Spricht er über ihre Biografie, schwingt viel Achtung mit.

Er erzählt von einer starken Frau, welche die Familie zusammenhielt. Seinen Vater, einen Alkoholiker, habe sie verlassen, als die Kinder ausgezogen waren. Er wünsche sich nichts mehr als reale Beziehungen und echte Gefühle für sie. «Aber stattdessen füttert sie kriminelle Netzwerke und alle schauen zu. Das ist ihr unwürdig», sagt er.

Ernst versuchte, seine Mutter von weiteren Zahlungen abzuhalten. Doch die Gespräche scheiterten. «Spreche ich das Thema behutsam an, weicht sie aus. Gehe ich es konfrontativ an, streiten wir uns», sagt Ernst. Susanne wirft ihm dann vor, einzig am Haus und am Erbe interessiert zu sein. «Das ist absurd. Für mich wäre es in Ordnung, wenn sie das Geld spenden würde», sagt er.

Weil er nicht zu ihr durchdrang, schaltete er seine erwachsene Tochter und eine alte Freundin der Familie ein. Sie sollten seiner Mutter den Betrug aufzeigen. «Doch statt diesen einzusehen, kündigte sie uns an, dass wir ihren neuen Geliebten bald kennenlernen würden», sagt Ernst. Wegen dessen bevorstehendem Besuch sagte Susanne eine Rom-Reise mit ihrer Familie ab. Für ihre Söhne ein Affront. Und der Geliebte tauchte nie auf.

Sohn sucht Hilfe bei der Polizei und den Behörden

Ernst suchte externe Hilfe: Was tun, fragte er die Kantonspolizei und den zuständigen Gemeindeschreiber. Beide hätten zwar einfühlsam reagiert, doch konkrete Antworten bekam er von ihnen nicht. Die Polizei wies darauf hin, dass sie nichts unternehmen könne, solange keine Strafanzeige vorliege. Diese kann jedoch einzig Susanne einreichen. Und der Gemeindeschreiber antwortete: Eine Klärung innerhalb der Familie sei am erfolgversprechendsten.

Als Ernst über seine Mutter eine Nachricht von einem Betrüger bekam und dieser ihn nun ebenfalls um Geld bat, riss sein Geduldsfaden. Er reichte bei der zuständigen Kesb-Stelle eine Gefährdungsmeldung ein. Auch die Schweizerische Kriminalprävention rät, diese Behörde einzuschalten, wenn man nicht mehr weiterweiss. Doch Ernst sollte auch dort nicht jene Unterstützung finden, die er sich wünschte. Vielmehr eskalierte der Konflikt zwischen ihm und seiner Mutter.

In den Gesprächen mit Susanne und Ernst wird deutlich, welche Sprengkraft Liebesbetrüger haben. Das bestätigt auch Kantonspolizist Patrick Marty: «Ein kann Familien zerrütten. Es ist brutal: Eine völlig fremde, gar gefakte Person drängt sich in eine Familie und zerstört jahrzehntelange Beziehungen.» Er kennt viele Fälle, die deswegen in Kontaktabbrüchen mündeten. Die Folgen sind fatal: Die Betrogenen sind noch isolierter und einsamer. Das spielt den Scammern wiederum in die Hände.

Bei Susanne und Ernst kam es nicht zu diesem Ende. Die beiden sprechen weiterhin miteinander. Doch aus den täglichen Telefonaten und den regelmässigen Besuchen wurden gelegentliche Treffen. Der vergiftete Pfeil steckt bei beiden tief. Susanne sagt, sie fühlt sich von ihren Söhnen angeschwärzt. «Sie haben überall meinen Ruf beschädigt», sagt sie. Viel schlimmer sei für sie aber der Vertrauensbruch, weil Ernst die Kesb eingeschaltet habe. «Das werde ich nur schwer verzeihen können», sagt sie.

Erschüttert ob der Entwicklung zeigt sich auch ihr Sohn. Er fühlt sich von seiner Mutter ungehört, missverstanden und zurückgewiesen. «Es verletzt mich enorm, dass sie mein Anliegen nicht sieht. Ich kann doch nicht einfach zusehen, wie sie betrogen wird», sagt er. Inzwischen fühle er sich nur noch ohnmächtig – und von den staatlichen Stellen hängengelassen. Er sagt: «Seit mehr als zwei Jahren drehe ich mich im Kreis.»

Enttäuschter Sohn wirft Kesb «Täterschutz» vor

Susanne hat dieser Zeitung Einblick in den Abschlussbericht der Kesb gewährt. Darin steht: «Die Betroffene erkennt, dass sie vor einigen Monaten einem Betrug zum Opfer fiel, jedoch könne sie nicht garantieren, dass ihr dies nicht erneut passiere.» Aus moralischer Sicht seien diese Zahlungen nicht vertretbar. Aber Susanne wisse, was sie tue, und sei sich der Konsequenzen bewusst. Einschränkungen durch die Kesb könnte sie nur schwer ertragen. Die Gefährdungsmeldung sei wie ein Weckruf für sie gewesen.

Gegenüber Ernst sagte die Kesb, er solle sich melden, falls sich die Situation verändere oder Susanne erneut hohe Beträge überweise. Für ihn ist damit die letzte Hoffnung auf Hilfe zerplatzt. «Durch ihre Untätigkeit betreiben die Behörden Täterschutz», sagt er.

Anruf bei Diana Wider. Sie ist Professorin an der Fachhochschule Luzern und Generalsekretärin der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz. Macht es sich die Kesb bei einem solchen Betrugsfall zu einfach? Sollte sie nicht Opfer vor einem Betrug schützen? Nicht in jedem Fall, sagt Wider. «Rein rechtlich kann die Kesb den Betroffenen zwar die Handlungsfähigkeit entziehen und damit Geldüberweisungen verunmöglichen. Doch dann stellt sich eine andere Frage: Ist dieser Eingriff gegen den Willen der Betroffenen tatsächlich verhältnismässig?»

Die Kesb müsse jeden Fall aus der Perspektive der betroffenen Person betrachten. Hat diese einen Schutzbedarf? Braucht sie Unterstützung? «Es ist nicht der Auftrag der Kesb, ein Vermögen zu schützen», sagt Wider. Im Fokus der Kesb stehe einzig die betroffene Person und ihr Wille, das Leben so zu führen, wie sie es möchte. Die Behörde müsse in solchen Fällen antizipieren, ob die Person in einem halben Jahr die Überweisungen bereut.

«Überwiegt dieser Eindruck, spricht es eher für einen Schutzbedarf der Person. Zahlt hingegen jemand bewusst Geld, um Zuneigung zu erhalten, ist dies als selbstbestimmtes Handeln zu verstehen und von einer Intervention abzusehen», sagt Wider. Und dies selbst dann, wenn wie beim «Romance Scam» kriminelle Organisationen dahinterstecken. «Man muss sich als Kesb immer gut überlegen, ob Zwangsmassnahmen gerechtfertigt sind, um etwas Unrechtes zu korrigieren», sagt Wider. An einem staatlichen Eingriff könnten Betroffene unter Umständen stärker leiden als am Vermögensverlust. Zwangsmassnahmen würden mitunter ganz neue Probleme eröffnen, sagt Wider.

Mit Misstrauen, Resignation und Verletzungen weiterleben

Das zeigt ein Fall, den Kantonspolizist Marty miterlebt hat. Bei einem Opfer von «Romance Scam» setzte die zuständige Kesb einen Beistand ein. Dieser verwaltete die Finanzen der Betrogenen; sie selbst erhielt monatlich ein Sackgeld. Weil sie der Täterschaft aber hörig war, verschuldete sie sich in der Nachbarschaft und wurde im ÖV ohne Ticket erwischt. «Sind die Opfer nicht einsichtig, sind nicht nur die Angehörigen, sondern auch die Behörden machtlos», sagt Marty.

Und bei Susanne und Ernst? Sie mag nicht mehr mit ihren Söhnen über ihre Chat-Bekanntschaften sprechen. «Ich fühle mich von ihnen vorverurteilt. Für sie ist es eine Todsünde, wenn ich auch nur einen einzigen Betrag überweise», sagt sie. Es sei ihre Sache, was sie mit ihrer Rente mache. «Einen Kredit oder ein Darlehen würde ich dafür aber nie aufnehmen», sagt die 88-Jährige.

Ernst hingegen will sich von der Geschichte so weit distanzieren, dass sie seinen Alltag nicht mehr überschattet. Gleichwohl will er den Kontakt mit seiner Mutter aufrechterhalten und mit ihr im Gespräch bleiben. Seine Sorge ist, dass sie einen grösseren Rückfall erleben könnte. «Ich glaube ihr nicht mehr. Vielfach hat sie uns gegenüber gesagt, dass sie die Konten löschen würde. Gemacht hat sie es bis heute nicht.» Diese Männer kämen ihm vor wie eine Sucht.

Und tatsächlich: Ähnlich wie bei einer Droge schaffen es viele Scam-Opfer nicht, sich aus ihrer Abhängigkeit zu lösen. Sie betäuben ihre Einsamkeit weiterhin mit der Illusion des Geliebtwerdens. «Teilweise wissen die Betroffenen, dass sie einem Betrug aufsitzen. Doch die Einsamkeit fühlt sich für sie schlimmer an als der finanzielle Schaden. Lieber zahlen sie, als keine Herzen und Smileys mehr zu bekommen», sagt Polizist Marty. Ernst überlegt sich deshalb, seiner Mutter einen Besuchsdienst zu organisieren. Um echtes Leben in den ruhigen Alltag von Susanne zu bringen.

*Die Namen aller Personen sind geändert (aargauerzeitung.ch)

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145 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Salmasin
20.07.2025 13:19registriert Februar 2019
Ich werde auch immer wieder angeschrieben. Erst habe ich die Anfragen gelöscht, jetzt spiele ich jeweils mit; vermögend, Singe, ... Nur die Menschen selber an der Nase herumzuführen, in der Hoffnung, dass sie in dieser Zeit niemand anders belästigen und jemandem wirklich schaden. Am Ende schlage ich ihnen die Kontakte, teilweise mit dem selben Namen oder Profilbild, gegenseitig vor und dass sie ja alle ein sehr ähnliches Schicksal haben - da lässt sich gegenseitig viel helfen/trösten. Da werden sie richtiggehend sauer. Oder ich behaupte, dass ich n einem armen Mann kein Interesse hätte ;)
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code-e
20.07.2025 12:16registriert November 2018
Gewisse Menschen sind von Natur aus beratungsrestent, naiv oder wie in diesem Fall, beides gleichzeitig 🤷🏼‍♂️
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auloniella
20.07.2025 12:59registriert Mai 2016
Das zeigt wie wichtig neben Aufklärung und Erkennung die Erhaltung sozialer Netze sind. Das ist einfacher als gesagt, mit 88 hat man sofern man keine Kinder hat schon viele überlebt.

Die Söhne haben alles richtig gemacht, jetzt fehlt einfach nur eine bessere, attraktivere,reale Ablenkung von diesen Scammern. Leider ist das leichter alsgesagt.
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