Carrie Lam wurde 1957 in Hongkong geboren. Lam wuchs als viertes von fünf Kindern einer Arbeiterfamilie im ehemaligen Fischerviertel Wan Chai in armen Verhältnissen auf. Doch Lam schaffte es bis an die Spitze: 2017 wurde sie zur ersten weiblichen Regierungschefin der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong gewählt. Damit erreichte sie den Zenit ihrer bisherigen Karriere.
Um die Wut der Hongkonger auf ihre aktuelle Regierungschefin zu verstehen, muss man einen Blick auf Lams persönliche Entwicklung werfen. Als Frau des Volkes und Studentin der Soziologie galt sie lange als Idealistin. Die junge Lam demonstrierte gegen die Politik der britischen Kolonialherren, wenn sie diese als ungerecht empfand.
2012 kam der Bruch. Damals wurde sie zur Stellvertreterin des chinatreuen Regierungschefs Leung Chun-ying. Mit harter Hand zwang sie den 7,2 Millionen Einwohnern Hongkongs ein Wahlsystem auf, das primär auf Peking zugeschnitten war. Tagelang demonstrierten Aktivisten in den sogenannten Regenschirmprotesten 2014 gegen die neue Regelung. Die Bevölkerung forderte freie Wahlen.
Lams Beliebtheit sank rapide. Trotz der Proteste und dem Hass, der ihr entgegen schwappte, trat die unbeliebte Lam 2017 in die Fussstapfen ihres Mentors Chun-ying.
Obwohl die Hongkonger für freie Wahlen protestierten, wurde Lam nicht von der eigenen Hongkonger Bevölkerung gewählt. Stattdessen bestimmten 1200 Mitglieder eines Wahlkomitees das neue Hongkonger Regierungspersonal. China wählte einen grossen Teil der Mitglieder selbst aus. Die Wahl fiel auf Carrie Lam. Lam hatte damit zwar das Vertrauen Pekings gewonnen, verlor dabei aber gleichsam das Ansehen eines grossen Teils der Hongkonger Bevölkerung.
Aus ärmeren Verhältnisse stammend, sollte Lam eigentlich wissen, wie es ist, mit wenig überleben zu müssen. Doch auch zu ihren Wurzeln scheint Lam den Bezug verloren zu haben.
Ein Ereignis, von den Hongkonger Medien später als «Klopapier-Gate» bezeichnet, illustriert dies besonders gut. Als Lam 2017 zur Regierungschefin gewählt wurde, zog sie aus ihrer noblen Residenz in eine vergleichsweise bescheidene Unterkunft. Dort merkte sie an einem Abend, dass das Klopapier fehlte. Anstatt es in einem der nahegelegenen Läden zu besorgen, fuhr sie mit einem Taxi zurück an ihre alte Adresse und besorgte dort ein paar Rollen. Die Medien erklärten Lam darauf als «weltfremde Bürokratin».
Fünf Jahre nach den Regenschirmprotesten, finden sich auf den Strassen Hongkongs wieder zahlreiche Aktivisten zusammen. Dieses Mal geht es um ein geplantes Auslieferungsgesetz. Dieses würde es Hongkongs Behörden erlauben, von der chinesischen Justiz verdächtigte Personen an die kommunistische Volksrepublik auszuliefern.
Kritiker argumentieren, dass Chinas Justizsystem nicht unabhängig sei, nicht internationalen Standards entspreche und Andersdenkende politisch verfolge. Auch drohten Folter und Misshandlungen. Es wurde als «Werkzeug der Einschüchterung» in Hongkong beschrieben.
Ungeachtet des massiven Widerstandes will Carrie Lam das Gesetz so schnell wie möglich von der Peking-treuen Mehrheit im nicht frei gewählten Legislativrat absegnen lassen. In Lams Augen sind die Proteste der Hongkonger die «Aufruhr» und «nichts was man tut, wenn man Hongkong liebt.»
In einem Fernseh-Interview bedauerte die 62-Jährige die vielen jungen Demonstranten. Sie sei selbst Mutter von zwei Söhnen. «Wenn ich jedes Mal dem Willen meines Sohnes nachgegeben hätte, hätte es vielleicht kurzfristig weniger Probleme zwischen uns gegeben. Aber wenn ich seinem eigensinnigen Verhalten immer nachgegeben hätte, hätte er bereut, als er erwachsen geworden ist.»
Mit Material von sda
Für die "wahre" Bevölkerung Hong Kongs tut mir die Entwicklung unheimlich leid. Ich bin froh, konnte ich dieses "Land" noch in der wahren Pracht geniessen. Die Veränderung sind je länger je mehr spürbar.