Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat seine Macht gefestigt und Gefolgsmänner um sich geschart. Auf seiner ersten Plenarsitzung bestätigte das neue Zentralkomitee der Kommunistischen Partei den 69-Jährigen am Sonntag in Peking für eine dritte fünfjährige Amtszeit als Generalsekretär und Chef der Militärkommission. Er setzt sich damit über bisher respektierte Alters- und Amtszeitgrenzen hinweg – und knüpft mit seiner Alleinherrschaft an den Staatsgründer und Revolutionär Mao Tsetung an, der allerdings Chaos über das Land gebracht hatte.
Der nur alle fünf Jahre stattfindende Parteikongress hatte zum Abschluss seiner einwöchigen Sitzung am Samstag das Gedankengut von Xi Jinping für den «Sozialismus chinesischer Prägung in einer neuen Ära» und seine dauerhafte Führungsrolle tief in der Parteiverfassung verankert. Ausländische China-Experten warnten einhellig, dass künftig noch mehr Ideologie statt Pragmatismus, mehr Abschottung statt Globalisierung und weniger Widerspruch oder interne Debatten zu erwarten seien, weil vor allem Loyalität gefordert werde.
Die sorgfältig orchestrierte, einwöchige Sitzung wurde am Ende von einem Zwischenfall um den früheren Staats- und Parteichef Hu Jintao überschattet. Der gebrechlich wirkende 79-Jährige wurde kurz vor den Verfassungsänderungen von zwei Saalordnern offensichtlich gegen seine Willen von seinem Platz neben Xi Jinping vom Podium in der Grossen Halle des Volkes geführt.
Den viel beachteten Zwischenfall um den früheren Parteichef haben chinesische Staatsmedien in der Folge mit Unwohlsein des 79-Jährigen erklärt. Der Vorfall hatte viele Spekulationen ausgelöst.
Was wirklich hinter dem Vorfall steckte, ist aber nach wie vor unklar. In den Abendnachrichten waren prominent Bilder von Hu Jintao zu sehen, wie er noch der Sitzung beiwohnte. Die Erwähnung spricht gegen eventuelle politische Hintergründe, über die unmittelbar spekuliert worden war. Hu Jintao gehört nicht unbedingt zu den Unterstützern von Xi Jinping. Der Ex-Parteichef schien auch sichtlich irritiert und griff an einem Punkt zu Papieren von Xi Jinping.
Als einer der ersten gratulierte ihm Russlands Präsident Wladimir Putin zur Wiederwahl und lobte seine «grosse Autorität». Gerade vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow, wo laut Xi Jinping «niemand Manns genug» war, den Untergang zu verhindern, glaubt der Parteichef an die Notwendigkeit einer starken Führung. Auf dem Kongress stimmte Xi Jinping das Milliardenvolk auf schwere Zeiten ein und warnte vor «gefährlichen Stürmen». Kämpferisch wandte er sich mit Blick auf die USA gegen «Schikane und Machtpolitik» und rief zu einer Eroberung des als Teil der Volksrepublik betrachteten demokratischen Taiwans auf.
In der Grossen Halle des Volkes stellte Xi Jinping am Sonntag seine neue Führungsmannschaft vor, die nur noch aus Gefolgsmännern besteht. Überraschend trat im mächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros Shanghais Parteichef Li Qiang an zweiter Stelle auf das Podium. Der Aufstieg des 63-Jährigen deutet darauf hin, dass der Weggefährte von Xi Jinping im März neuer Regierungschef werden soll, obwohl er keinerlei Erfahrung in der Zentralregierung hat. Der Parteichef der Hafenmetropole war auch wegen des Chaos beim zweimonatigen Corona-Lockdown in Shanghai in die Kritik geraten. Es gab Unverständnis, dass er jetzt mit dem Aufstieg belohnt wird.
Regierungschef Li Keqiang, der nicht immer auf einer Linie mit Xi Jinping zu liegen schien, zieht sich vorzeitig aus der Führung zurück. Er gehört dem Zentralkomitee schon nicht mehr an, obwohl er erst 67 Jahre alt ist. Er hatte angekündigt, auf der Jahrestagung des Volkskongresses im März als Premier abzutreten, galt aber als möglicher Anwärter für das Amt des Parlamentschefs. Li Keqiang gehört aber einem anderen Parteilager als Xi Jinping an und hatte als Regierungschef nie die gleiche Macht wie seine Vorgänger.
Wer Premier wird oder sich um die Wirtschaft kümmert, spielt aus Sicht des China-Experten Richard McGregor vom australischen Lowy-Institut allerdings keine grosse Rolle mehr. «Ist das wichtig, wenn all diese Leute einfach Marionetten von Xi Jinping sind?», fragte McGregor. «Er hat jede Fähigkeit von jemanden an seiner Seite beseitigt, nicht nur Widerstand gegen ihn zu organisieren, sondern auch nur gegen seine Position zu argumentieren.»
Die neue Führung verabschiedet sich endgültig vom früheren «kollektiven» Modell mit verschiedenen Fraktionen und Altersgrenzen. Damit sollte verhindert werden, dass kein Führer wieder so mächtig wird wie einst Mao Tsetung: Geschichte sollte sich nicht wiederholen können. Doch habe Xi Jinping diese Institutionalisierung abgeschafft und ein personalisiertes System geschaffen, indem ihm keiner zu nahe kommen könne, stellte der bekannte US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in «The Atlantic» fest. «Die Konzentration der Autorität durch eine Person hat zu schlechten Entscheidungsprozessen geführt.»
Dem siebenköpfigen Ständigen Ausschuss gehören neben Xi Jinping unverändert der Chef der mächtigen Disziplinkommission, Zhao Leji (65), und der Chefideologe Wang Huning (67) an. Neu im innersten Zirkel sind ausser Shanghais Parteichef auch sein Pekinger Amtskollege Cai Qi (66), der Stabschef und enge Xi-Vertraute Ding Xuexiang (60) sowie der Parteichef der Provinz Guangdong, Li Xi (66).
Der Personalwechsel in der Führung enttäuschte auch deswegen, weil keine einzige Frau mehr im jetzt 24-köpfigen Politbüro vertreten ist. Auch fehlen im neuen Zentralkomitee trotz der Krise der zweitgrössten Volkswirtschaft erfahrene Mitglieder des bisherigen Wirtschaftsteams – obwohl nicht alle die Altersgrenze erreicht haben. Hingegen ist mit einer Fortsetzung der forschen Aussenpolitik Chinas zu rechnen. So gehört Aussenminister Wang Yi (69) trotz seines fortgeschrittenen Alters dem neuen Zentralkomitee an. Er könnte den 72-jährigen Yang Jiechi als obersten Aussenpolitiker der Partei ersetzen. (yam/con/sda/dpa)
Erklärt uns Herr Köppel nun auch noch, dass die chinesische Regierung missverstanden wird?