Warum Belgien die höchste Todesrate weltweit hat
In Belgien sorgen die aktuellen Corona-Zahlen für Beunruhigung. Denn sieht man sich die Zahlen der Johns-Hopkins-Universität an, sterben in Belgien trotz strikter Ausgangsbeschränkungen pro Kopf so viele Menschen am Coronavirus wie in keinem anderen Land.
- Von etwa 40'000 bestätigten Fällen starben rund 6000 Menschen.
- Konkret liegt die Mortalität (Sterberate) in Belgien so bei mehr als 14 Prozent.
- Pro eine Million Einwohner sind also gut 500 Menschen am Coronavirus gestorben.
Zum Vergleich: In der Schweiz beträgt die Mortalität derzeit 5.3 Prozent. Doch wie kommen diese Zahlen zustande? Warum sterben in Belgien anscheinend so viel mehr Menschen als in allen anderen Ländern?
Regierung verspricht «grösstmögliche Transparenz»
Premierministerin Sophie Wilmès nannte im «Spiegel» die unterschiedliche Zählweise als einen Grund. So würden nicht nur die positiv auf Corona getesteten Todesfälle in die Statistik in Belgien einfliessen, sondern auch die Verdachtsfälle. Menschen, die beispielsweise in Pflegeheimen oder Krankenhäusern sterben und vorher mit Corona-Patienten Kontakt hatten, werden somit automatisch als Corona-Opfer mitgezählt. Die Regierung wolle dadurch sicherstellen, gegenüber den Bürgern mit «grösstmöglicher Transparenz» zu arbeiten, so Wilmès.
In Frankreich und Grossbritannien wurden Todesfälle in Pflegeheimen lange Zeit gar nicht berücksichtigt. Der belgische Virologe Steven Van Gucht sagte gegenüber «Politico», Vergleiche mit anderen Ländern seien daher nicht möglich.
Der Virologe betont:
Pfleger arbeiteten wochenlang ohne Schutzkleidung
Ein weiterer Grund für die erschreckenden Todeszahlen in Belgien könnten aber auch die mangelnden Schutzvorkehrungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen sein. Laut einem Bericht der belgischen Tageszeitung «Le Soir» arbeitete das Pflegepersonal auch Wochen nach dem Ausbruch noch ohne wirkliche Schutzausrüstung.
Vielerorts mangele es an geeigneter Kleidung und Masken – mit verheerenden Folgen. Denn vor allem die Pflege- und Altenheime sind vom Coronavirus betroffen. Mehr als die Hälfte der Corona-Toten in Belgien sind in Alten- und Pflegeheimen aufgetreten.
Sechs Millionen Masken vernichtet
Wie belgische Medien kürzlich berichteten, wurden im Jahr 2019 zudem sechs Millionen FFP2-Atemschutzmasken vernichtet, weil das Verfallsdatum überschritten war. Allerdings wurden aus Kostengründen keine Masken nachbestellt. Diese fehlen nun im Kampf gegen das Coronavirus.
Der «Spiegel» nennt ausserdem die hohe Luftverschmutzung als einen weiteren möglichen Grund. Ähnlich wie New York und Madrid seien Orte mit hoher Luftverschmutzung oftmals auch Corona-Hotspots. Belege für einen Zusammenhang gibt es jedoch nicht.
Auch die hohe Bevölkerungsdichte Belgiens sowie die zentrale Lage inmitten von Europa, die für hohen Durchgangsverkehr sorgt, gelten als mögliche Erklärungen für ein besonders starkes Corona-Auftreten.
In Expertenkreisen ist die belgische Zählweise der Todesopfer übrigens durchaus umstritten. Zwar reduziert diese die Dunkelziffer, doch ob die Realität dadurch besser abgebildet wird, bleibt unklar. (watson.de)
