Samstag war der erste schöne Frühlingstag in vielen Teilen Deutschlands, doch er endete in einer Tragödie, als ein 48-Jähriger einen Campingbus vor einem Münsteraner Traditionsrestaurant in eine Menschengruppe steuerte.
Viele Menschen in Münster stehen am Tag danach unter Schock. Die Frage nach dem Motiv des Täters bleibt auch am Sonntag unbeantwortet: Warum mussten eine Frau und ein Mann sterben, ehe sich der Täter selbst in dem Wagen erschoss?
Die Ereignisse im Überblick:
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— Paul Fegmann (@Pauli_Feger) 7. April 2018
Am Samstagnachmittag um 15:27 Uhr fuhr ein silbergrauer Campingbus in der Altstadt von Münster direkt in eine Personengruppe auf der Restaurantterrasse der Gaststätte «Großer Kiepenkerl». Da es sich um den ersten richtig sommerlichen Tag in der nordrhein-westfälischen Stadt handelte, war das Lokal gut besucht.
Zwei Menschen wurden getötet, 20 weitere teilweise lebensgefährlich verletzt. Der Täter erschoss sich unmittelbar danach in seinem Auto.
Polizei und Rettungskräfte waren innerhalb kürzester Zeit vor Ort und sperrten den Tatort weiträumig ab. Ermittler hatten am Tatfahrzeug mehrere Drähte erkannt, die auf einen Sprengsatz hätten hindeuten können. Sie wollten eine weitere Gefährdung von Passanten ausschließen.
Experten des Landeskriminalamts prüften das Fahrzeug und fanden neben der bereits sichergestellten Tatwaffe auch noch eine Schreckschusswaffe, sowie mehrere sogenannte Polenböller im Campingbus. Die Spurensicherung war nachts um 1.30 Uhr mit der ersten Arbeit am Tatort fertig.
Den Ermittlern zufolge handelt es sich bei dem Amokfahrer um Jens R., einen 48-jährigen Industriedesigner aus dem Sauerland. Demnach besaß er vier Wohnungen – zwei davon in Münster, zwei weitere in Ostdeutschland. Diese Wohnungen waren noch Samstagnacht durchsucht worden. In einer der Wohnungen, nur zwei Kilometer vom Tatort entfernt, fanden die Beamten eine weitere, jedoch unbrauchbar gemachte Waffe – eine Maschinenpistole vom Typ AK47.
Schon am Samstag hieß es, dass die Tat nach ersten Erkenntnissen keinen terroristischen oder islamistischen Hintergrund habe. Ermittler und Politiker bekräftigten das am Sonntag. Mittäter schließt die Polizei derzeit aus.
Nach DPA-Informationen war der Täter womöglich psychisch labil. Die Ermittler gehen davon aus, «dass die Motive und Ursachen in dem Täter selber liegen». Was genau sie damit meinen, sagten sie zunächst nicht. Laut Berichten der «Westfälischen Zeitung» verabschiedete er sich bereits am 29. März von all seinen Bekannten in einer E-Mail.
Jens R. war der Polizei in Münster bereits bekannt. Gegen ihn waren 2015 und 2016 Verfahren eingeleitet und wieder eingestellt worden, wie die leitende Oberstaatsanwältin Elke Adomeit am Sonntag berichtete. Die Vorwürfe gegen ihn: Bedrohung, Sachbeschädigung, Verkehrsunfallflucht und Betrug.
Jens R. riss zwei Menschen in den Tod, bevor er sich selbst tötete. Die Todesopfer sind eine 51-jährige Frau aus dem Kreis Lüneburg und ein 65-jähriger Mann aus dem Kreis Borken.
20 weitere Menschen wurden – zum Teil lebensgefährlich – verletzt. Das Uniklinikum Münster hatte am Samstagnachmittag alle verfügbaren Mitarbeiter (250 Ärzte und Pfleger) zur Arbeit gerufen. Auch die Anwohner von Münster waren direkt nach dem Amoklauf zahlreich am Krankenhaus erschienen, um Blut zu spenden.
Blutspenden Schlange in #Münster an der Uniklinik pic.twitter.com/0rPIl86iWs
— » pxssııı (@Pxssiii) 7. April 2018
Die Ärzte führten mehrere Notoperationen an den Betroffenen durch, vier von ihnen waren schwer verletzt. Der kritische Zustand dieser Patienten sei bislang leider noch unverändert, meldete die Klinik.
Am Sonntag erschienen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, Landesinnenminister Herbert Reul und Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (alle CDU) am Tatort, um den Opfern des Anschlags zu gedenken und Stellung zu den Geschehnissen zu nehmen. Sie legten Blumen nieder und trugen sich ins Kondolenzbuch der Stadt ein.
Laschet lobte die Besonnenheit der Anwohner und wünschte sich, dass «diese Erfahrung einer Friedensstadt auch alle die erreicht hätte, die gestern ganz schnell bei Twitter und anderswo wieder das Hetzen begonnen haben».
Im Anschluss bekundeten sie auch mit einem Eintrag in das Kondolenzbuch der Stadt im #Rathaus am #Prinzipalmarkt ihr Mitgefühl mit den Opfern. (2/2) #kiepenkerl pic.twitter.com/rCtlReFYOH
— Stadt Münster (@muenster_de) 8. April 2018
Seehofer sagte, die Tat habe einmal mehr gezeigt, «dass bei allen Bemühungen einer staatlichen Gemeinschaft leider eine absolute Sicherheit nicht möglich ist.»
Weltweit sprachen Politiker und Prominente den Betroffenen ihr Beileid und ihre Bestürzung aus. Darunter auch die Schauspieler Jan Josef Liefers und Axel Prahl, die das Münsteraner Ermittlerteam im «Tatort» darstellen, aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Donald Trump und der französische Premier Emmanuel Macron.
In den sozialen Netzwerken waren die Worte nicht ganz so friedlich: Neben zahlreichen Trauerbekundungen unter dem Hashtag #Münster, entbrannte auf Twitter auch ein Streit um die Herkunft und das Motiv des Täters.
Entwarnung. Alles wird gut. Wir haben keine Probleme mit islamischen Terror und 700 Gefährdern. Alles aufgebauscht. Jeder Verdacht die pure Hetze. An den Haaren herbeigezogen. Weil es diesmal (wohl) ein kranker Deutscher war. #HerrWirfHirnVomHimmel
— Beatrix von Storch (@Beatrix_vStorch) 7. April 2018
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Beatrix von Storch, postete ein ironisches Statement, nachdem bekannt wurde, dass es sich bei dem Täter nicht um einen Islamisten handelte. Und auch andere Nutzer stiegen in die Diskussion ein.
Bestürzung über die Tat zeigte sich schon am Samstag, als Münsteraner zusammen kamen, um Kerzen für die Opfer des Anschlags zu entzünden.
Auch das betroffene Restaurant meldete sich mit einer Beileidsbekundung auf Facebook zu Wort: «Wir sind fassungslos» und «Wir wünschten, wir könnten sie trösten.»
Am Sonntag legten viele Menschen weitere Blumen und Kerzen an der Kiepenkerl-Statue nieder, nahe des Tatorts. Am Abend ist ein großer Trauergottesdienst zum Gedenken an die Opfer im Paulus-Dom geplant. Das Bistum teilte mit, er solle dort «für all diejenigen gebetet werden, deren Leben durch die Vorfälle am Samstag auf so schreckliche Weise aus den Angeln gehoben wurde».