Was eigentlich ein Routineeinsatz wegen der Sorge über einen Anwohner in einem Hochhaus in Ratingen in NRW sein sollte, entpuppt sich zu einem schrecklichen Drama: «Es kam sofort zu einer Explosion, unmittelbar, also ein Feuerball kam auf die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr und Polizei zu». Der Sprecher der Polizei in Düsseldorf gibt am Donnerstagnachmittag eine drastische Schilderung zu dem Geschehens.
Die Beamten waren aus Sorge über eine «hilflose» Person in einem Hochhaus in Ratingen in NRW ausgerückt. Doch dann werden bei einer Explosion mehrere Einsatzkräfte teils schwer verletzt. Ein 57-Jähriger wird festgenommen, in seiner Wohnung finden Beamte später eine Leiche.
Wie kam es zu dem Vorfall und warum? Die Polizei ermittelt in einem ominösen Fall, in dem viele Fragen noch offen sind. Ein Überblick über das, was wir bisher über die Tat wissen:
Die Einsatzkräfte seien gegen zehn Uhr morgens von der Wohnungseigentümergesellschaft wegen eines überquellenden Briefkastens gerufen worden. Man habe sich Sorgen um eine Bewohnerin in dem Hochhaus gemacht, schildert der Sprecher der Polizei Düsseldorf. Die Beamten gingen demnach davon aus, dass sich in der Wohnung in der zehnten Etage eine «hilflose Person» befinde. Eine Frau lebe dort mit ihrem 57-jährigen Sohn: Frank P.
Gegen 11. 15 versuchten die Einsatzkräfte die Tür im obersten Stockwerk des Hauses zu öffnen. Wegen eines Brand- und Verwesungsgeruches sei laut «Spiegel»-Informationen die Feuerwehr hinzugezogen worden.
Doch dann sei plötzlich die Tür von einem Mann, offenbar der Sohn der Anwohnerin, aufgerissen worden. Nach Informationen des «Spiegel» soll Frank P. den Einsatzkräften einen Stofflappen entgegengehalten und ihn dann angezündet haben. Damit wurde offenbar eine Explosion oder Verpuffung ausgelöst. Der Polizeisprecher berichtete später von einem «Feuerball».
Eine 25-jährige Polizeibeamtin und ein 29-jähriger Polizist wurden bei dem Vorfall lebensgefährlich verletzt. «22 weitere trugen leichte Verletzungen davon», teilte die Polizei mit. Von den Einsatzkräften der Feuerwehr seien sieben Personen verletzt worden, davon drei lebensgefährlich und vier schwer.
Nach der Explosion rückten zahlreiche Spezialkräfte der Polizei zum Tatort an der Berliner Strasse an. Beamte sperrten den Bereich weiträumig ab, bewaffnete Polizisten betraten das Hochhaus. Auch Scharfschützen brachten sich in Stellung. Videoaufnahmen zeigen Spezialeinsatzkräfte beim Zugriff. Laut Polizei waren insgesamt 110 Kräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst aus Ratingen und dem Umland im Einsatz.
Bei dem Polizeieinsatz wurde die Leiche einer Frau gefunden. Aufgrund ihres Zustandes sind die Einsatzkräfte sicher, dass die tot aufgefundene Person schon vor längerer Zeit gestorben ist. In der Wohnung habe es einen starken Verwesungsgeruch gegeben, berichteten sie. Zu der Identität der Toten wurden zunächst offiziell keine Angaben gemacht. «Spiegel» berichtete, die Tote könnte die Mutter des mutmasslichen Täters sein.
Die Detonation wurde nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei von Frank P., einem 57-jährigen deutschen Staatsangehörigen ausgelöst, der mit seiner Mutter in der Wohnung lebte. Er konnte vor Ort festgenommen werden. Gegen ihn wird wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt.
Ob der Mann bei der Festnahme Gegenwehr leistete, dazu sagen Polizei und Innenministerium zunächst nichts. Mit schwersten Verletzungen, eingehüllt in eine Rettungsdecke und mit einer Atemmaske, wurde er aus dem Haus und zu einem Krankenwagen gebracht. Darüber, ob er durch die Explosion oder bei der Festnahme verletzt wurde, machte die Polizei ebenfalls bislang keine Angaben.
Recherchen in den sozialen Medien hätten ergeben, dass sich der Mann «im Corona-Leugner-Umfeld gedanklich aufgehalten» habe, berichtete Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) später im Fachausschuss des Düsseldorfer Landtags. Es gebe auch kriminalpolizeiliche Erkenntnisse zu ihm. Nach Informationen des «Kölner Stadtanzeigers» lag gegen den Mann bereits ein Haftbefehl vor, weil er nach einer Verurteilung wegen Körperverletzung die Strafe nicht bezahlt hatte.
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt wegen eines versuchten Tötungsdelikts. «Ob es sich um versuchten Totschlag oder versuchten Mord handelt und in wie vielen Fällen, müssen die weiteren Ermittlungen zeigen», sagte eine Sprecherin am Donnerstagabend. Zudem werde geprüft, wie die aufgefundene Tote gestorben sei.
Laut Innenminister Reul könne man auch noch nicht sagen, ob die Explosion ein gezielter Angriff auf die Einsatzkräfte gewesen sei. Spekuliert wird, dass sich der Mann absichtlich in der Wohnung verbarrikadiert haben könnte und die Beamten möglicherweise bewusst in eine Falle laufen liess. Offiziell bestätigt oder dementiert werden diese Gerüchte von Polizei und Innenministerium nicht.
Reul betonte, dass die Polizei «mit Hochdruck» zu den Hintergründen der Explosion ermittle. Es sei für ihn «irre und unbegreiflich», dass Menschen wie Polizisten und Feuerwehrleute zu einem Einsatz gingen und helfen wollten und «am Ende ihr Leben riskieren», so der Innenminister. «Meine Gedanken sind bei den Schwerstverletzten und den Familien.»
Ich bin tief erschüttert über die Nachrichten von der Explosion in #Ratingen. Meine Gedanken sind bei den verletzten Einsatzkräften, die um ihr Leben ringen. Die Ermittlungen laufen. Ich habe mit NRW-Innenminister Reul gesprochen & jede mögliche Unterstützung vom Bund zugesagt.
— Nancy Faeser (@NancyFaeser) May 11, 2023
Vor Ort zeigte sich ein Polizist erschüttert: «So viele verletzte Kollegen, das lässt einen nicht kalt», sagt er mit belegter Stimme. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekundete ihre Trauer über den Vorfall. Sie sei in Gedanken bei den Verletzten. «Das ist wirklich etwas unvorstellbar Schreckliches für diejenigen, die sich Tag für Tag für andere Menschen und für deren Sicherheit einsetzen.»
(oee)
Es wurde nach der Explosion eine tote Person gefunden, aber die war offenbar schon zuvor tot. Steht zumindest so im Text?