Seit Tagen wird spekuliert, dass der deutsche Star-Satiriker Jan Böhmermann den «Tausendsassa» Fynn Kliemann im Visier hat. Der als «fimbim» bekannte Musiker, Unternehmer, Investor und YouTuber veröffentlichte Anfang Mai ein Video, in dem er sich mehreren Fragen von Böhmermanns «ZDF Magazin Royale» stellte. Kliemann betonte damals: «Investigativer Journalismus ist total wichtig und wenn man niemanden durchleuchtet, dann machen alle, was sie wollen.»
Im Recherche-Journalismus gilt Kliemanns Vorgehen als verpönt. Das Medienmagazin «Übermedien» warf ihm deshalb vor, dass er die Story von «ZDF Magazin Royale» schlicht sprengen wollte. Das gelang ihm nicht: Seit gestern ist die Recherche draussen, in der Kliemann nichts anderes als strafrechtlich relevanter «Maskenbetrug» vorgeworfen wird.
Wir fassen die Entwicklung in drei Punkten zusammen.
Die «ZDF Magazin Royale»-Sendung liefert Belege dafür, dass der umtriebige Unternehmer zu Beginn der Corona-Pandemie Schutzmasken unter Angabe falscher Herkunftsdaten verkauft haben soll: Sie wurden als «fair» und «in Europa produziert» beworben, tatsächlich sollen sie aber aus Bangladesch und Vietnam gekommen sein.
Veröffentlicht wurden diese Vorwürfe in der Ausgabe «Fynn Kliemann: SCHEISSE bauen (DIY)» sowie auf einer eigens für die Recherche eingerichteten Website «lmaafk.de».
Die Vorwürfe wiegen schwer und werden von Böhmermanns Redaktion in konkreten Worten genannt: Die Recherche spricht von «Maskenbetrug». Betrug kann laut deutschem Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe sanktioniert werden.
Sie wiegen umso schwerer, da Kliemann bislang einen angesehen Ruf genoss: Er spielte sich als «einen der grössten Masken-Produzenten Europas» auf, der während der Corona-Krise nicht möglichst viel verdienen, sondern möglichst vielen Menschen helfen wolle. Er wurde dafür gefeiert, dass er Schutzmasken an Geflüchtetenunterkünfte in Griechenland und Bosnien lieferte. Im Dezember 2022 erhielt er für sein Engagement gar den Deutschen Nachhaltigkeitspreis.
Böhmermanns Redaktion stützt sich eigenen Aussagen zufolge auf mehrere Dokumente und Chatprotokolle, in denen belegt werden soll, dass Kliemann von all dem wusste und mitverantwortlich war. Ein Textilhersteller schrieb dem Influencer am 6. April 2020:
Die flapsige Antwort von Kliemann: «Gut zu wissen», gefolgt von «Dann lass' uns erst mal nur Bangladesch machen?!».
Die Masken seien dann nach Deutschland geliefert worden, jedoch mit verschleierter Herkunftsangabe. Ein Geschäftspartner von Kliemann habe das verlangt, wie es in einer Chatnachricht heisst: «Bekommen wir die Kisten neutral ohne Bangladesch als Ursprung hin?» Im Internet wurden die Masken dann mit Herkunft Portugal oder Serbien beworben.
Derselbe Geschäftspartner sei auch dafür verantwortlich gewesen, dass 50'000 Schutzmasken zu Geflüchteten-Camps nach Griechenland und Bosnien-Herzegowina geliefert wurden. Diese stellten sich einem Gerichtsurteil zufolge als qualitativ minderwertig aus. Belegt wurde das mit einem Chatprotokoll, in dem ebenfalls flapsig über das Vorgehen diskutiert wird:
Die Redaktion von «ZDF Magazin Royale» bat Kliemann, seine Sicht darzulegen. Der Influencer veröffentlichte seine Antwort vor Abschluss der Recherche selbstständig auf Instagram, in der er auf einen Grossteil der Fragen zu anderen Geschäftsbereichen eingeht. Die Fragen umschweift Kliemann teils widersprüchlich.
So dementiert er, dass er die Masken produziert hat – diese seien vom Unternehmen seines Geschäftspartners «Global Tactics» produziert worden. Sekunden später anerkennt er, dass er 2020 selbst sagte: «Wir haben unsere Produktion ….» Er präzisiert, dass er nur von einem «wir» rede, weil er sich als Teil des Projekts sehe.
Zur Frage des Produktionsstandortes wiederholt Kliemann in seinem Video die Behauptung, dass die Masken in Portugal und Serbien produziert worden seien.
Kliemanns Geschäftspartner bestätigt gegenüber dem Magazin die «Übergabe» von Masken an Organisationen, die in Griechenland und Bosnien tätig sind. Zum Vorwurf, dass minderwertige Masken mit deutlich verringertem Infektionsschutz geliefert sein sollen, äussert sich der Geschäftspartner nicht.
Heute Abend veröffentlichte er eine weitere Stellungnahme auf Instagram. Er beginnt mit einer Entschuldigung:
Er nehme die Vorwürfe sehr ernst, fährt er fort. Für einige davon müsse er sich entschuldigen, andere müsse er dringend richtig stellen, da diese Betrugsvorwürfe einfach nicht stimmten.
So habe er zwar Masken in Bangladesch herstellen lassen, diese habe er aber nie verkauft oder beworben. Die angebotenen Masken in seinem Onlineshop stammten «zu 100%» aus Fabriken in Portugal oder Serbien.
Das Umlabeln der Versandpakete - wie dies in zitierten E-Mails diskutiert wurde - bezeichnet Kliemann als «schlimm». Die Formulierung stehe zu Recht in Kritik.
Weiter räumt er ein, den Überblick verloren zu haben:
Ja. Nicht nur seine Fans sind verärgert, sondern auch die Stiftung «Deutscher Nachhaltigkeitspreis», welche Kliemann 2020 zum Preisträger erkor. Nun wird ihm der Preis aberkannt. Die Stiftung begründet dies mit «unlauteren Methoden» und «Greenwashing». Besonders gravierend sei die vorsätzliche Verteilung minderwertiger Masken an Flüchtlingslager gewesen. Die Stiftung kommt zum Schluss:
Reagiert hat auch der Onlineshop About You, welcher Masken Kliemanns im Angebot hatte. Auch wenn es keine Absprachen gegeben habe, dass die Masken explizit aus Portugal kämen, werde der Fall intern geprüft. Aus diesem Grund habe man die Masken von Kliemanns Marke «Oderso» offline genommen.
(pit/saw)
Aber ziemlich mies was der abgezogen hat. Und einmal mehr Hut ab an Böhmi und alle beteiligten für die immer wieder äusserst spannende und interessante Arbeit.