Einmal mehr steht Mannheim unter Schock – nachdem es dort im vergangenen Jahr bereits zu einem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten gekommen war. Es herrscht Trauer und Entsetzen. Die wichtigsten Erkenntnisse über die Todesfahrt durch die Fussgängerzone:
Die Tat ereignete sich mitten im Herzen Mannheims, der mit rund 320'000 Einwohnern zweitgrössten Stadt Baden-Württembergs – auf den Planken, der Haupteinkaufsstrasse. Die Strasse war laut Polizei nicht mit Pollern oder Absperrungen gesichert, weil es dafür keinen Anlass gegeben habe. Dort fahre die Strassenbahn entlang, zudem habe der Lieferverkehr Zugang zur Strasse, sagt Mannheims Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer.
Am Rosenmontag sind viele Menschen auf den Planken unterwegs, die Sonne scheint, Passanten besuchen den Fasnachtsmarkt mit Dutzenden Imbissbuden und Fahrgeschäften. Um 12.15 Uhr rast ein Wagen mit hoher Geschwindigkeit durch die Fussgängerzone, Hunderte Meter weit. Auf Höhe des Paradeplatzes rammt das Auto mehrere Passanten. Der Fahrer steuert nach Überzeugung der Ermittler bewusst auf seine Opfer zu. Die Polizei nimmt ihn kurze Zeit später fest. Am Ende ist der Tatort übersät mit Trümmern. Auch der schwarze Kleinwagen des Fahrers bleibt völlig demoliert zurück.
Es handelt sich um einen 40-jährigen Deutschen aus Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz). Der Mann war Landschaftsgärtner. Ob er zum Tatzeitpunkt eine Arbeit hatte, wisse man nicht, sagt Staatsanwalt Romeo Schüssler. Er sei ledig, habe nach ersten Erkenntnissen der Ermittler keine Kinder und auch nicht in einer Partnerschaft gelebt. Man gehe davon aus, dass er alleinstehend war, so Schüssler.
Der Mann ist mehrfach vorbestraft. Der Staatsanwalt berichtet von einer Körperverletzung, für die er vor mehr als zehn Jahren eine kurze Freiheitsstrafe verbüsst habe, ausserdem habe es einen Fall von Trunkenheit im Verkehr gegeben. Bei der letzten Tat handle es sich um ein Hassrede-Delikt aus dem Jahr 2018: Damals sei der Mann für einen Facebook-Kommentar zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Nun wird gegen ihn wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes ermittelt. Bei seiner Festnahme soll sich der Mann mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen haben.
Der Verdächtige soll nun vernommen werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist der aus Ludwigshafen stammenden Deutsche nicht mehr in der Klinik, sondern in Polizeigewahrsam. «Wir werden ihn heute vernehmen», sagte der Chef des Landeskriminalamtes, Andreas Stenger.
Die Todesfahrt hatte nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler keinen extremistischen oder religiösen Hintergrund. Die Motivation könne eher in der Person des Täters begründet sein, erklärte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Laut Polizei handelte es sich um eine gezielte Fahrt, bei der bewusst mehrere Personen erfasst wurden. Die Staatsanwaltschaft verwies auf Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Täters, weshalb sich die Ermittler auf diesen Aspekt konzentrieren.
Bei der Todesfahrt starben eine 83-jährige Frau und ein 54-jähriger Mann. Es gebe keine Erkenntnisse, dass Kinder betroffen sind, sagte der Präsident des Landeskriminalamts, Andreas Stenger. Elf Menschen wurden der Polizei zufolge verletzt, mehrere von ihnen schwer. Alle Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht.
Mannheims Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer wurde selbst Augenzeugin der Amokfahrt, schreibt «Bild». Als Schäfer das Auto um 12.14 mit hoher Geschwindigkeit vorbeifahren sah, war sie gerade in der Fussgängerzone unterwegs: «Ich wusste sofort, da stimmt etwas nicht. Der Wagen fuhr einfach ungebremst weiter, mitten durch die Menschen», sagt sie. Sie gab daraufhin sofort ihren Kollegen Bescheid, als das Auto die ersten Passanten erfasste.
Nach der Todesfahrt steht Mannheim unter Schock. Drei grosse Kaufhäuser in der Innenstadt bleiben am Dienstag geschlossen. Die Sängerin Maite Kelly sagte aus Respekt vor den Opfern ein für Mittwoch geplantes Konzert in Mannheim ab. Ausserdem wurden mehrere für Dienstag geplante Fasnachtsumzüge in Baden-Württemberg abgesagt – nicht nur direkt in Mannheim, sondern unter anderem auch in Heidelberg und in Schwetzingen im Rhein-Neckar-Kreis.
Zahlreiche Politiker wie der deutsche Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein mutmasslicher Nachfolger, CDU-Chef Friedrich Merz, bekundeten ihre Anteilnahme. Strobl räumte bei einem Ortsbesuch ein, dass es vollkommene Sicherheit nie geben werde. «Wir können auch nicht unsere Innenstädte zu umzäunten Festungen machen», sagte er. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) versicherte den Bürgerinnen und Bürgern, dass der Staat alles in seiner Macht Stehende tue, um sie zu schützen – und betonte dennoch:
Auch aus dem Ausland kamen Solidaritätsbekundungen: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versicherte den Beistand seines Landes. «An alle Menschen in Mannheim, insbesondere an die Angehörigen der Opfer dieser Gewalttat, an das deutsche Volk. Frankreich steht an Ihrer Seite», schrieb er auf X. (con/sda/dpa)