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Demonstrationen in Deutschland zum Jahrestag des Hamas-Überfalls

Police officers detain a demonstrator during a pro-Palestinian rally in Berlin, Germany, Sunday, Oct. 6, 2024. (AP Photo/ Ebrahim Noroozi)
Polizisten halten einen Demonstranten während einer pro-palästinensischen Kundgebung in Berlin fest.Bild: keystone

Demonstrationen in Deutschland zum Jahrestag des Hamas-Überfalls – es kommt zu Tumulten

06.10.2024, 20:2806.10.2024, 20:28
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Unmittelbar vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers in Israel und dem darauf folgenden Gaza-Krieg sind in mehreren deutschen Städten Tausende Menschen auf die Strasse gegangen. Grössere Demonstrationen gab es in Berlin, Düsseldorf, Hamburg und München. In der Hauptstadt kam es am Sonntagabend bei einer Pro-Palästina-Kundgebung zu Tumulten. Die Polizei hatte vor Ausschreitungen gewarnt, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein hartes Durchgreifen gegen Antisemitismus angekündigt.

Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1'200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den Gaza-Krieg, in dem nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher rund 42'000 Palästinenser getötet wurden, etwa ein Drittel davon Kinder und Jugendliche.

In Berlin-Kreuzberg versammelten sich am Sonntag zu einem propalästinensischen Protestzug mit dem Titel «Demo gegen Genozid in Gaza» nach Angaben einer Polizeisprecherin rund 3'500 Menschen. Am Abend gab es Stein- und Flaschenwürfe auf Polizisten. Demonstranten versuchten, eine Polizeikette zu durchbrechen, Böller wurden gezündet. Mehrere Menschen wurden festgenommen, «Aufgrund der Unfriedlichkeiten wurde die Versammlung abgebrochen», erklärte eine Polizeisprecherin.

Am Brandenburger Tor hatten sich Menschen zu einer proisraelischen Demonstration versammelt. Vor dem Wahrzeichen der Stadt wurde eine grosse Israel-Flagge ausgebreitet. Laut Polizei zogen dann rund etwa 500 Menschen zum etwa ein Kilometer entfernten Bebelplatz. Dieser ist symbolisch wieder zum «Platz der Hamas-Geiseln» geworden. Unter anderem erinnern dort leere Stühlen an die Opfer.

«Run for their lives» – Erinnerung an Geiseln

In München kamen nach Polizeiangaben mehr als 8'000 Menschen zur Gedenkveranstaltung «365 Tage – München gegen Antisemitismus» zusammen. Daran nahmen der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, teil. Nahezu in Sichtweite fand eine Gegendemonstration der Gruppierung «Palästina spricht München» unter dem Slogan «365 Tage Genozid» statt, an der rund 1'200 Menschen teilnahmen.

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Ein Demonstrant in Berlin mit einem Plakat mit der Aufschrift «Ihr steht wieder auf der falschen Seite der Geschichte».Bild: keystone

In Düsseldorf beteiligten sich an einem Gedenkmarsch der weltweiten Bewegung «Run for their lives» laut Polizei knapp 1'000 Menschen, in Hamburg waren es rund 400 Teilnehmer bei einem Protestmarsch. Die Bewegung erinnert die regelmässig mit Gedenkspaziergängen an die Geiseln und die Opfer des Hamas-Überfalls.

Bereits am Samstag hatte es bundesweit in mehreren deutschen Städten Demonstrationen gegeben. In Berlin beteiligten sich laut Polizei weit mehr als 1'000 Menschen an einer Pro-Palästina-Kundgebung. Rund 650 kamen zu einer proisraelischen Versammlung. Nach Angaben der Polizei gab es 49 kurzzeitige Festnahmen und bei der proisraelischen Kundgebung in Berlin-Mitte auch Rangeleien.

In der Nacht zum Sonntag wurde auf die CDU-Parteizentrale in Berlin eine Farbattacke verübt. Laut Polizei wurde ein roter Schriftzug an das Gebäude in Berlin-Tiergarten geschmiert, der im Kontext zum Nahostkonflikt stehen soll. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz ermittelt. Der Täter konnte unerkannt entkommen.

In Hamburg zogen nach Polizeischätzungen rund 950 Menschen und in Düsseldorf mehr als 1'000 Menschen bei Pro-Palästina-Demonstrationen durch die Städte.

Deutlich grösser war eine propalästinensische Demonstration in London mit Zehntausenden Menschen. In Rom gab es bei einer nicht genehmigten Pro-Palästina-Demonstration mit mehreren tausend Teilnehmern teils heftige Zusammenstösse zwischen Demonstranten und Polizisten.

Zentralrat sieht «Explosion antisemitischer Taten»

In Deutschland gibt es seit einem Jahr immer wieder propalästinensische Demonstrationen mit schweren Vorwürfen an die Adresse Israels. Der Zentralrat der Juden sieht erhebliche Gefahren für jüdisches Leben in Deutschland. «Die Hemmschwelle, zu Gewalt gegen Juden aufzurufen und auch auszuüben, sinkt», sagte Zentralratspräsident Schuster der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe eine «anhaltende Explosion antisemitischer Taten» und einen «Mechanismus des Hasses». Die Politik müsse den Kampf gegen Antisemitismus nicht nur rhetorisch, sondern «konkret durch staatliche Massnahmen und Schutzmechanismen» stärken.

Regierung stellt sich Israel-Hass entgegen

Die Bundesregierung zeigte sich anlässlich des Jahrestages mit Israel sowie den in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden solidarisch. Es dürfe niemals sein, dass Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens in Deutschland in Angst und Schrecken leben müssten, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seinem Podcast. «Antisemitismus und blinden Israel-Hass werden wir niemals hinnehmen. Den Jüdinnen und Juden hier in Deutschland gilt die volle Solidarität unseres Staates – und die Solidarität aller Anständigen in diesem Land», sagte Scholz.

Aussenministerin Annalena Baerbock zeigte sich in einem Gastbeitrag für die «Bild am Sonntag» beschämt, dass sich Jüdinnen und Juden auch in Deutschland unsicherer fühlten und antisemitische Angriffe zugenommen hätten. «Wir stellen uns dem entgegen. Mit der ganzen Härte des Gesetzes», betonte die Grünen-Politikerin. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) machte deutlich: «Wir schützen jüdisches Leben. Wir tun das, weil der Rechtsstaat alle seine Mitbürgerinnen und Mitbürger schützt, und eben das sind die Jüdinnen und Juden Deutschlands: Mitbürgerinnen und Mitbürger.»

Steinmeier spricht bei zentralem Gedenken in Berlin

Am Montag, dem eigentlichen Jahrestag des Hamas-Überfalls, sind bundesweit erneut Demonstrationen sowie Gedenkveranstaltungen geplant. Die Berliner Polizei ist mit rund 2'000 Kräften im Einsatz. Zu einem interreligiösen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen. Im Anschluss wollen sich Teilnehmer auf einen stillen Gedenkweg zum nahegelegenen Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstrasse begeben. In München wird in der Synagoge Ohel Jakob der Opfer des Terroranschlags der Hamas gedacht. (sda/dpa)

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Esther R.
06.10.2024 21:18registriert November 2018
Die Pro Palestine Demos mussten wegen Tumulten und Aggressionen gegen die Polizei abgebrochen werden, die Pro Israel Demos hingegen verlaufen friedlich.
Wer ist hier noch überrascht?
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bubru
06.10.2024 20:59registriert Mai 2024
Diese Randalierer festsetzen und anschliessend mit freundlichem Gruss in ihre Heimat zurück. Für die Anderen ist Deutschland selber verantwortlich.
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    Russlands Parlamentschef warnt Merz vor Eskalation

    Der russische Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin hat in einer Botschaft an den Bundestag vor einer Eskalation der Lage zwischen beiden Ländern gewarnt. «Die heutige deutsche Regierungselite schafft die Voraussetzungen für eine Verschärfung der Situation und provoziert Zusammenstösse zwischen unseren Ländern», sagte Wolodin in einer auch als Video verbreiteten Botschaft. Es sei die Frage, ob die deutsche Bevölkerung eine Konfrontation wolle. «Wir wollen das nicht. Aber wenn es dazu kommt, dann sind wir dazu bereit», sagte Wolodin.

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