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«Anzeigen-Hauptmeister»: Dieser 18-jährige Deutsche jagt Parksünder

Niclas Mattheis hat ein Velo mit laminiertem «POLIZFI»-Schild und zeigt als Hobby Parksünder an.
Niclas Mattheis hat ein Velo mit laminiertem «POLIZFI»-Schild und zeigt als Hobby Parksünder an.bild: screenshot «spiegel tv»

Das ist Niclas. Er zeigt in seiner Freizeit Parksünder an. Durchschnittlich 12 pro Tag

29.02.2024, 15:3802.03.2024, 15:10
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Niclas Matthei ist 18-jährig, kommt aus Gräfenhainichen im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt und besitzt ein Velo mit einem laminierten Schild, das mit «POLIZFI» beschriftet ist.

Sein selbst gewählter Spitzname: der Anzeigenhauptmeister.

Sein Hobby: das Anzeigen von Parksündern.

Sein Ziel: Mindestens einen Verstoss in jeder deutschen Gemeinde anzuschwärzen, wie er in einem Dokfilm von «Spiegel TV» erklärt. Die Journalisten begleiteten den Ostdeutschen auf seinen Patrouillen – und landeten damit auf Youtube einen Hit. Fast eine Million sahen den Film seit Release am Mittwoch (Stand: Donnerstagmorgen).

Die Bilanz 2023

Matthei ist richtig gut in seinem Hobby – oder zumindest effizient. Letztes Jahr schrieb er 4247 Anzeigen. In seiner Jahresstatistik schreibt er dazu: «Die bundesweite Gesamtsumme an Buss- und Verwarngeldeinnahmen durch meine Anzeigen beträgt entsprechend dem Bussgeldkatalog 140'995 Euro.» Ob seine Anzeigen tatsächlich auch immer zu Bussen führen, ist nicht bekannt. Er meldet die Verstösse über ein Anzeigenportal für Falschparker im Netz.

Denunziant – na, und?

Dank Deutschland-Ticket ist der 18-Jährige auch in anderen Bundesländern unterwegs. Während der Zugfahrt meint der Spiegel-Journalist: «Sie sind ein Denunziant.» Matthei antwortet:

«Ein Denunziant ist halt einer, der alle anscheisst. Aus der Perspektive kann man das schon so sehen. Also, wäre jetzt jedenfalls nicht verkehrt.»

Findet er das nicht schlimm?

«Nö. Das was ich tue, kommt schlussendlich der Allgemeinheit zugute. Das schadet zwar dem einzelnen Falschparker, aber die Allgemeinheit hat einen Nutzen davon.»

Aber warum?

Der Journalist will von Matthei wissen, was seine Motivation sei. Der 18-Jährige führt aus:

«Um die Strassenverkehrsordnung durchzusetzen. Weil die Leute denken, sie können parken, wie sie wollen. Gerade am Wochenende denken sie, es kommt kein Ordnungsamt. Aber dann kommen halt Leute wie ich.»

In einer anderen Szene meldet Matthei ein Auto, das in Fahrtrichtung links parkierte. «Macht 15 Euro», so der «Anzeigenhauptmeister». Der Journalist fragt nochmals: «Aber warum machen Sie das, das stört doch niemanden?!» Matthei antwortet:

«Ist halt gegen das Gesetz. Mit den 15 Euro können Sie vielleicht im Rathaus zwei neue Glühbirnen kaufen. Also kommt es auch der Staatskasse zugute.»

Darf der das?

In Buxtehude südwestlich von Hamburg gerät Matthei mit einem Anwalt aneinander. Der Anzeigenhauptmeister fotografiert dessen Lieferwagen, der auf einem Trottoir parkiert ist. Für den Anwalt unverständlich: Er habe nur rasch angehalten, um Sachen vom Auto ins Büro zu bringen. Wenige Meter trennen Auto von Tür.

Der Anwalt will, dass Matthei die Polizei ruft. Der willigt prompt ein. Während sie auf den Streifenwagen warten, erkundigt sich der Mann nach Mattheis «POLIZFI»-Schild und wittert Amtsanmassung.

Bild
bild: «spiegel tv»

Vor den Polizisten rechtfertigt sich der Anzeigenhauptmeister: «Das ist ein selbstkreiertes Wort». Der Polizist gibt recht: «Da steht ja nicht ‹POLIZEI›.» Der Journalist fragt: «Ist das keine Amtsanmassung?» – «Überhaupt nicht», antwortet der Polizist. Der Fall scheint geklärt, die Ordnungshüter sind auf dem Absprung. Zum Abschied rät Matthei den Polizisten, mal wieder das Nummernschild ihres Streifenwagens zu putzen. «Wenns nicht mehr lesbar ist, kostet das.»

Peak Kleinlichkeit

Nächste Szene. Vor einem Geschäft befindet sich eine sieben Meter lange Ladezone. Ein Schild weist auf ein Halteverbot hin. Und siehe da: Ein Auto steht verdächtig nahe am Schild. Matthei packt den Meter aus.

Journalist: Muss der Autofahrer einen Zollstock dabei haben?

Matthei: Muss er nicht. Er muss nur gut schätzen können. Hier in dem Fall hat er sich verschätzt.

Journalist: Und was kostet das Verschätzen?

Matthei: Das kostet den jetzt 25 Euro. Der steht ca. einen Meter im absoluten Halteverbot.

Journalist: Ist das nicht ein bisschen kleinlich?

Matthei: Ja. Aber Gesetz ist halt Gesetz.

So sieht das dann aus:

Klarer Fall: Der Autofahrer steht einen Meter im absoluten Halteverbot.
Klarer Fall: Der Autofahrer steht einen Meter im absoluten Halteverbot.bild: spiegel tv

Die Reaktionen

Es verwundert nicht, dass Matthei mit seinem Bünzlitum die Leute auf die Palme bringt. Das Wort Denunziant hört er oft, die mutmasslichen Falschparker reagieren oft mit Unverständnis auf Mattheis Kleinlichkeit. Für seine Facebook-Posts erntet er regelmässig beleidigende Kommentare.

Auch während der Reportage gibt's wütende Reaktionen. Während Matthei dem Journalisten demonstriert, wie ein Auto auf dem Trottoir ihn behindert, kommt die Halterin des Fahrzeuges herausgestürmt. «Willst du dir nicht mal Arbeit suchen?», fährt sie ihn an.

Bild
bild: «Spiegel-tv»

Er weist sie darauf hin, dass sie problemlos auf der Strasse parkieren könnte. «Hallooo, hackt's, Alter?», antwortet die Zurechtgewiesene. Ein weiterer Anwohner ruft aus dem Fenster: «Mach dich ab, du Vogel!» Mattheis antwortet lapidar:

«Das gibt 'ne Anzeige wegen Beleidigung. »

An den Anzeigen wegen Parkvergehen verdient Mattheis nichts, anders sieht es bei Beleidungen aus. Der Anzeigenhauptmeister erklärt:

«Dann erhebe ich Privatklage auf Schadensersatz und dann kann ich damit abkassieren.»

Das heisst? «Da gibt's vielleicht mal fuffzig, mal hundert Euro.»

Die ganze Doku siehst du hier

Das 18-minütige Stück lohnt sich.Video: YouTube/DER SPIEGEL

(jaw)

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286 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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KOHL
29.02.2024 15:41registriert März 2019
Irgendwie lustig, irgendwie bin ich aber auch froh das ich meine Zeit als 18 Jähriger an andere Dinge verschwendet habe:-D.
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GustiGR
29.02.2024 15:43registriert November 2015
Ich konnte es mir fast nicht anschauen... so übel. Ich geb dem noch ein paar Monate, dann macht er das im falschen Viertel.

Und wie er sich ernsthaft als "Anzeigenhauptmeister Matthei" bei der Polizei vorstellt... unglaublich

Der muss doch eingesperrt werden... zu seinem Schutz
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outdoorch
29.02.2024 19:41registriert Dezember 2017
Und ich habe in meinen Jugendjahren meine Zeit mit Partys und Reisen verplempert .

Dabei hätte ich so ein schönes Hobby haben können.
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