Ich begann, LA zu mögen. Trotz der Distanzen. Trotz der horrenden Preise für alles. Trotz des affektierten Getues einiger Leute. Vielleicht mochte ich es auch, weil ich im Gegensatz zur Schweiz einen wirklich wahnsinnig hohen Match-Score hatte.
Ich habe mir natürlich all die Apps runtergeladen, Bumble, Tinder, Hinge, you name it. Ich hatte ja Zeit, war ja im Urlaub. Also chattete ich mit Dutzenden Frauen, freute mich, dass Schweizer-Sein so gut ankam, alle reagierten mit überschwänglicher Emoji-Freude oder einem Ausrufezeichen-bepackten «Oh I loooove Swiss cheese!». Manchmal war ich versucht, zu schreiben, dass der Swiss Cheese, den sie hier verkaufen, so rein gar nichts mit Schweizer Käse zu tun hat, aber ich bin sicher, das wäre als Mansplaining kritisiert worden.
All diese Begriffe, die wir in der Schweiz halbherzig und halb-ironisch verwenden, sind hier ständig in Gebrauch. Eine schlechte Angewohnheit ist eine Red Flag. Jemand sagt Danke: Green Flag. Du wirst gefragt, ob du eher einen Avoidant oder Anxious Attachment Style hast, obwohl ich, wenn ich höre, was das bedeutet, sicher bin, dass alle, inklusive mir, zu beiden Gruppen gehören, was die Frage und die ganze Einteilerei etwas obsolet macht.
Aber ich will mich nicht beklagen. Die Frauen hier sind überdurchschnittlich hot und zu meinem Glück finden sie meine Herkunft «so interesting», meinen Job «so amazing» und dass ich vier Sprachen spreche «so fu***ing cool».
An einem Freitag traf ich mich mit einer Frau namens Kyra, mit der ich als allererstes matchte, als ich hier war. Kyra ist ursprünglich aus Montana, lebt aber seit vierzehn Jahren in Los Angeles. Sie arbeitet irgendwas in der Fashion Industry, stylt, wie sie sagt, die wichtigen Leute, aber nicht die, die ich kennen könnte, sondern die wichtigen Leute ausserhalb des Showbiz. Ich sagte ihr, ich würde eh niemanden kennen und sie lachte. Keine Ahnung, warum, aber sie lachte ohnehin viel. Vielleicht weil sie zugegeben die schönsten Zähne ausserhalb einer Colgate-Werbung hatte. Alles an ihr war ein bisschen wie aus einer Werbung. Perfekt gestylt und gebügelt.
Wir tranken einen Cocktail in einer Tiki-Tiki-Bar in Silverlake, nachdem wir dafür vierzig Minuten angestanden waren. Ich werde nie verstehen, warum die Amis das so einfach hinnehmen. Vierzig Minuten! Für eine Bar! Die Bar war okay, der Drink auch, aber vierzig Minuten dafür anstehen!?!
Aber: egal. Kyra und ich verstanden uns gut. Wir gingen weiter in eine andere Bar, eher ein Club, wo viele sehr junge Leute hüpften, als würde Punk Rock gespielt werden, dabei stand beim Eingang, es würde Disco gespielt, was wohl ein dehnbarer Begriff war, denn ich hätte die Musik ganz klar schlechtem Funk zugeteilt. Aber auch das: egal, denn Kyra hatte Spass, war sehr fröhlich entspannt, ich machte einen Schritt auf sie zu, sie küsste mich. Leute, es lief «wie am Schnüerli».
Kurz nach eins machte der Club zu. Mit dem Uber zu ihr, sie wohnte in North Hollywood, was eine Ewigkeit dauerte, bis wir da waren, aber zu meinem Kumpel auf die Couch konnte ich sie ja wohl nicht nehmen.
Sie öffnete die Tür zu ihrer Wohnung, ein kleiner Hund hüpfte heraus, «that's me», sagte sie, und zeigte auf «ihr Reich», und ich wäre am liebsten wieder ins Uber gestiegen.
Es war ein einziger Raum, so gross wie mein Schlafzimmer in meiner WG in der Schweiz. Das will ich ja gar nicht kritisieren, denn die Mieten in LA, das weiss ich, die sind völlig absurd. Aber die Grösse des Raumes war nicht das Problem. Das Problem war, dass sie wohl glaubte, in einer Mansion zu wohnen und entsprechend Sachen gekauft hat.
Überall stand und lag irgendwas. Dutzende «Star Wars»-Figuren, 18 Hand-Sanitizer, ja, ich zählte, als sie kurz mit dem Hund draussen war, 14 Haushaltspapier-Rollen, sehr viel Undefinierbares. Ihr Bett war erhöht, wegen des Stauraumes, erklärte sie, da könne man super Dinge verstauen darunter. Die Badezimmertür konnte man nicht schliessen, weil so viel Zeug im winzigen Bad lag, unter anderem in einer Kartonbox: vier Haarföhne und fünf Haarbürsten.
Das Schlimmste aber war der Gestank. Es roch, als würde irgendwas irgendwo vermodern – was vielleicht auch der Fall war.
Ich wäre gegangen, Sex hin oder her, aber ich wollte sie nicht beleidigen. Wie hätte ich ihr auch erklären sollen, dass ich um 2 Uhr morgens notfallmässig irgendwohin muss? Ich tat also, was Mann in so einer Situation tut: «Power through».
Der Hund schaute beim Sex zu, logisch, wo hätte er auch hin sollen, aber er lenkte mich weniger ab als der Geruch.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, es war noch nicht mal sechs Uhr früh, wollte ich abschleichen. Ging natürlich nicht. Zuerst musste ich vom Hochbett steigen, was den Hund aufschreckte, dann stiess ich mir an irgendeiner «Star Wars»-Figur das Knie an. Kyra erwachte.
Ich hätte einen Call, sagte ich. Zeitverschiebung. Zürich – Los Angeles. Neun Stunden. Sie nickte nur und murmelte, ich solle mich melden, wenn ich Lust hätte, vor meiner Abreise nochmals vorbeizukommen.
Habe ich das getan? Ihr kennt die Antwort.
So long,
Ben
Ein wahrer Meister seines Fachs! 👍
die knausrige, spiessige, ständig übellaunige schweizer Papa Moll Version von Andrew Tate.
ja ich weiss dass Empörung klickt, aber so machts echt keinen Spass mehr 🤷♂️