International
Schweiz

US-Zölle: So könnten Schweizer Gegenmassnahmen aussehen

Trump lors du désormais infâme «Liberation day».
Donald Trump am «Liberation day».bild: Keystone/watson

US-Zölle: Wie die Schweiz zurückschlagen könnte

Es ist beschlossene Sache: Trump hat der Schweiz massive Zölle auferlegt. Nun stellt sich die Frage: Hat der Bundesrat überhaupt Mittel, um darauf zu reagieren? Das sagt ein ehemaliger Unterhändler für Handelsfragen.
08.08.2025, 16:19
Alexandre Cudré
Alexandre Cudré
Mehr «International»

Donald Trump erlegt der Schweiz Zölle von 39 Prozent auf. Der Bundesrat bestätigte an einer Pressekonferenz am Donnerstag, dass er keine Gegenmassnahmen in Erwägung zieht. Zumindest vorerst nicht.

Aber hat die Schweizer Regierung überhaupt solche Mittel zur Hand? Oder konkret gefragt: Wie kann die kleine Schweiz der Weltmacht USA? Dmitry Grozoubinski, ein ehemaliger Handelsunterhändler, meint dazu:

«Sollte es zu einer Eskalation kommen, ist es offensichtlich, dass die USA die härteren Schläge austeilen werden. Die beiden Länder spielen schlicht nicht in der gleichen Liga.»
Dmitry Grozoubinski
Dmitry Grozoubinski ist geschäftsführender Direktor der Geneva Trade Platform – einer gemeinnützigen Organisation, die dem Graduate Institute angegliedert ist und den Austausch zwischen dem internationalen Handel und der Genfer Diplomatie fördern soll.
infobox image
bild: geneva trade platform

Doch was wäre, wenn die Schweiz dennoch ein paar gezielte Treffer landen will? Könnte das den USA schaden? «Schwierig zu sagen», meint Grozoubinski, «aber die amerikanische Bevölkerung ist äusserst schmerzempfindlich.» Und genau das müsse sich die Schweiz zunutze machen. Denn:

«Am Ende gewinnt die Seite, die mehr Schmerzen zufügen kann, als die andere aushält.»
Dmitry Grozoubinski

Diese Mittel hat die Schweiz dafür und so schätzt der ehemalige Unterhändler für Handelsfragen ihre Effektivität ein:

Die Pharmaindustrie

Der Schweizer Verwaltungshauptsitz des Generika-Konzerns Sandoz in der Suurstoffi in Rotkreuz im Kanton Zug in der Gemeinde Risch im Kanton Zug am Donnerstag, 25. August 2022. Novartis will das Sandoz ...
Die Schweizer Pharma-Giganten könnten ihre Investitionen in den USA drastisch senken.Bild: keystone

Ein besonders empfindlicher Punkt war bereits Thema zwischen Trump und Bern: die Pharmaindustrie. Ein Fakt ist klar: Die Hauptsitze vieler Pharmakonzerne befinden sich in der Schweiz – und das wird auch so bleiben. «Doch die Unternehmen könnten beschliessen, ihre Investitionen in den USA zu kürzen oder gar ganz einzustellen», meint Grozoubinski. Das wäre genau das Gegenteil von dem, was Donald Trump eigentlich fordert.

Was aber, wenn die Schweiz den Export von Medikamenten ganz einstellt? «Das wäre eine ziemlich radikale Massnahme – mit potenziell sehr schmerzhaften Folgen für viele Menschen. Eine schlechte Idee», sagt der ehemalige Unterhändler.

Die Präzisionsinstrumente

Ein weiterer kritischer Bereich: der Export von hochspezialisierten Schweizer Präzisionsmaschinen.

«Hier geht es um Schlüsselkomponenten globaler Lieferketten – zentrale Elemente der kapitalistischen Wirtschaft.»
Dmitry Grozoubinski

Einige Schweizer KMU sind weltweit die einzigen Produzenten bestimmter Einzelteile, auf die ganze Wirtschaftszweige angewiesen sind. «China zum Beispiel hat bei gewissen Magneten, die in der gesamten Elektronik unverzichtbar sind, ein Quasi-Monopol», sagt Grozoubinski.

THEMENBILD ZU SWISSMEM STUDIE NUTZEN DER BILATERALEN VERTRAEGE FUER MASCHINENINDUSTRIE --- An employee of Swiss machine tool producer Tornos at work in the production hall in Moutier, Switzerland, on  ...
Schweizer Maschinen sind auf der ganzen Welt gefragte Ware.Bild: KEYSTONE

China nutzt dieses Monopol auch als politisches Druckmittel. Könnte die Schweiz diesem Vorbild bei der Medtech folgen, wo sie eine führende Rolle innehat? Grozoubinski ist skeptisch:

«Klar, das wäre denkbar – aber in der Medtech gibt es ethische Implikationen.»
Dmitry Grozoubinski

Schweizer Unternehmen würden sich wohl schwer tun, lebenswichtige Bauteile für Diagnosetechnologien zurückzuhalten. «Menschen mit Krebs sterben lassen, nur um Druck auf Trump auszuüben – das ist moralisch verwerflich und hilft der Schweiz nicht weiter», sagt der Experte. Und weiter:

«Das Ziel ist, das Portemonnaie zu treffen – nicht, Menschenleben zu gefährden.»
Dmitry Grozoubinski

Oder wäre es möglich, Schweizer Maschinen statt in die USA nach China zu exportieren? Das kostet enorm viel Zeit und Ressourcen. Es bräuchte neue Infrastrukturen, Partner, Vertriebskanäle und Markenbekanntheit. Der Aufbau eines neuen Marktes kann laut Grozoubinski in gewissen Branchen bis zu zehn Jahre dauern. Auch eine Umstellung auf den Export nach Kanada würde zwei bis drei Jahre benötigen. «Also genauso lange, wie Trumps Amtszeit noch dauert», sagt Grozoubinski.

Der Experte sieht hier einen anderen Ansatz, der funktionieren könnte: Die Schweiz muss Trump klarmachen, dass er Schweizer Hightech braucht, um gegenüber China konkurrenzfähig zu bleiben. «Wenn er erkennt, dass er in dieser Hinsicht auf Schweizer Präzision angewiesen ist, könnte er gezwungen sein, Einfuhrzölle wieder zu senken», so der ehemalige Unterhändler.

Der Finanzsektor

ARCHIVBILD ZUM ENTSCHEID DER EU-KOMMISSION ZUR BOERSENAEQUIVALENZ MIT DER SCHWEIZ, AM DONNERSTAG, 21. DEZEMBER 2017 - Die "Neue Boerse Zuerich-West" des SIX-Hauptsitzes an der Pfingstweidstr ...
Die Schweiz ist klein, ist aber ein wichtiger internationaler Finanzplatz.Bild: KEYSTONE

Die Schweiz ist reich und verfügt über viel Kapital. Auch das könnte sie als Druckmittel einsetzen: «Würde die Schweiz ihre Finanzinvestitionen in den USA drosseln, hätte das spürbare Auswirkungen», sagt Grozoubinski.

Trumps Ziel sei es, möglichst viele ausländische Investitionen in die USA zu ziehen. «Wenn Schweizer Banken und Pensionskassen amerikanische Aktien und Fonds meiden, wird dieses Ziel deutlich schwerer zu erreichen.»

Die Tech-Giganten

«Viele Länder denken darüber nach – unabhängig von Trump –, digitale Dienstleistungen zu besteuern», sagt Grozoubinski. Das stelle eine echte Gefahr für die amerikanische Wirtschaft dar.

epa05724618 The Google logo on the newly opened Google Office in the Sihlpost Building in Zurich, Switzerland 17 January 2017. Google opened its new offices in Zuerich Sihlpost, together with the room ...
Die Schweiz könnte die US-Tech-Giganten ins Visier nehmen.Bild: EPA/KEYSTONE

Fast alle digitalen Dienste in der Schweiz sind US-amerikanischen Ursprungs. «Netflix, Apple, Amazon – nur Spotify ist europäisch», so Grozoubinski.

«Hier gibt es eine Schwachstelle. Wenn die Schweiz an dieser ansetzt, dürfte das weltweit Beachtung finden.»
Dmitry Grozoubinski

Aber: «Alleine voranzugehen – ohne Unterstützung der EU oder Südamerika – wäre riskant.»

Die F-35-Jets

F35 F-35 Kampfjet Ramstein Germany Deutschland
Die Schweiz will sich den F-35-Kampfjet beschaffen.Bild: Keystone

Möglicherweise liegt der grösste Hebel im Rüstungsbereich: Die Schweiz könnte vom Kauf der F-35 zurücktreten. «Militäraufträge sind ein zentraler Handelspfeiler der USA. Keine andere kommerzielle Entscheidung der Vereinigten Staaten fällt derart ins Gewicht», sagt Grozoubinski. Es handelt sich dabei also um eine politische Entscheidung. Doch jemand ist hier bereits vorgeprescht:

«Spanien hat’s vorgemacht.»
Dmitry Grozoubinski

Würde die Schweiz jedoch abspringen, könnten die USA im Gegenzug Verträge mit der Schweizer Rüstungsindustrie kappen. Auch der Gegenschlag würde also sitzen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
216 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Fondue
08.08.2025 16:33registriert Januar 2015
USA ignorieren auch die Finanzmärkte und uns zusammentun mit zuverlässigen Partnern, der EU, Kanada, Asien, usw. gibt viele Länder.

Trump will sein Land isolieren, soll er doch!
2224
Melden
Zum Kommentar
avatar
tss
08.08.2025 16:51registriert Juni 2020
Und wenn wir so tun, als es uns egal wäre?
Es sind die USA die 39% mehr bezahlen. Warum die Panik? Ja das eine oder andere wird weniger verkauft. Auch die Pharma, last sie Bluten, die Normalos werden dann schon reklamieren. Er kann nur dort drohen wo es auf Fruchtbaren Boden fällt. Er ist ein Beller und blender.
22222
Melden
Zum Kommentar
avatar
Güzmo
08.08.2025 16:35registriert Juli 2019
Ein Vorschlag von der Leber weg, der zumindest langfristig helfen könnte:
Braindrain verstärken und schauen welche US-Firma ohne geeignetes Personal auskommt...
US-Studenten ins Erasmus-Programm aufnehmen, somit schweizer und europäisches High-Tech stärken und das (Hochschul-)Lehrpersonal geziehlt abwerben, auch das wird hier gebraucht.

Soll die Zollpolitik dieses Faschisten halt aufgehen, seine rassistische Säuberungspolitik darf es nicht.
Seine Waffen gegen ihn einsetzen, sozusagen.
1755
Melden
Zum Kommentar
216
«Jeder ist müde vom Krieg» – so beschreibt Vitali Klitschko die Lage in der Ukraine
Die Frage, ob die Ukraine für einen Frieden mit Russland Gebiete abtreten soll, sorgt für zwiespältige Reaktionen innerhalb der Bevölkerung.
Mit gemischten Gefühlen blickt man in der Ukraine auf den Alaska-Gipfel vom kommenden Freitag. Wenn sich US-Präsident Donald Trump und  Russlands Präsident Wladimir Putin treffen, um über das Kriegsende zu verhandeln, so bleibt die Ukraine vorerst draussen vor der Tür. Trotzdem betont Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko: «Wir müssen eine diplomatische Lösung finden.»
Zur Story