Robert Mueller is back. Der ehemalige Sonderermittler in der Russland-Affäre greift den Präsidenten in einem Kommentar in der «Washington Post» scharf an. Grund ist die De-facto-Begnadigung des Trump-Kumpels Roger Stone. Dieser hätte morgen eine Gefängnisstrafe von 40 Monaten antreten müssen. Der Präsident hat ihn nun zwar nicht begnadigt, ihm jedoch die Strafe erlassen.
Für einmal macht Mueller aus seinem Herzen keine Mördergrube. Unmissverständlich hält er in einem Kommentar in der «Washington Post» fest, dass Stone eine zentrale Figur in der Russland-Affäre gewesen sei.
Er widerspricht auch der These, es habe keinerlei «collusion», will heissen, Zusammenarbeit des Trump-Teams mit dem russischen Geheimdienst gegeben. Mueller schreibt:
Für Trump ist dieser Mueller-Kommentar in doppelter Hinsicht ein Schlag ins Gesichts. Sein Justizminister William Barr unternimmt derzeit alles, um die Russland-Affäre in ihr Gegenteil zu verkehren. Will heissen: sie als Verschwörung gegen den Präsidenten darzustellen. Es wird damit gerechnet, dass Barr noch in diesem Sommer Anklagen erheben wird, etwa gegen die ehemaligen FBI-Chefs James Comey und Andrew McCabe.
Barr hatte auch im Stones-Fall interveniert und eine mildere Strafe gefordert. Doch selbst der Justizminister hatte zugegeben, dass das Verfahren gegen Stone korrekt verlaufen sei. Nun steht Barr mit abgesägten Hosen da. Seine Bemühungen in der Russland-Affäre werden immer unglaubwürdiger.
Politisch ist Trumps Vorgehen ebenfalls – milde ausgedrückt – ungeschickt. Roger Stone ist nur bei den Hardcore-Trump-Fans beliebt. Er ist ein vulgärer Rüpel, der vor allem bei den Frauen in den Vorstädten auf Ablehnung stösst. Gerade diese Wählergruppe braucht die Grand Old Party (GOP) jedoch, will sie im November als Siegerin dastehen.
Trumps De-facto-Begnadigung stösst daher auch bei den Republikanern auf wenig Gegenliebe. Senator Mitt Romney spricht vom «schlimmsten Fall von Korruption». Romney ist als Trump-Kritiker bekannt. Doch weitere Grössen der GOP wie etwa der Gouverneur von Maryland, Larry Hogan, oder Patrick Toomey, Senator von Pennsylvania, haben die De-facto-Begnadigung hart kritisiert.
Senator Lindsey Graham, einer der übelsten Trump-Handlanger, will nun gar Mueller zu einem Hearing vor das Justizkomitee des Senats vorladen. Der ehemalige Sonderermittler wird diesem Aufgebot kaum Folge leisten, doch Graham winkt mit dieser Einladung sehr heftig mit dem Zaunpfahl in Richtung Weisses Haus. Dort stellt man sich selbstredend taub. «Er [Mueller] hätte schweigen sollen», klagt Jenna Ellis, Trumps Anwältin für den Wahlkampf.
Warum tut sich Trump dies an? Eine gängige These lautet wie folgt: Der Präsident hat sich bereits damit abgefunden, dass er aus dem Amt verjagt werden wird. Deshalb macht er auf Schadensbegrenzung.
Roger Stone hat wahrscheinlich belastendes Material gegen ihn in der Hand. Das geht aus Aussagen von ehemaligen Personen aus dem engsten Trump-Kreis hervor. Rick Gates, der ehemalige Stellvertreter von Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort, hatte bei seinen Vernehmungen ausgesagt, er sei Zeuge eines Telefonats zwischen Trump und Stone gewesen, in dem es um die Verbindung zu Wikileaks gegangen sei. Gates wurde im Zuge der Mueller-Ermittlungen ebenfalls verurteilt.
Die gleiche Aussage machte auch Michael Cohen, Trumps ehemaliger Anwalt. Er wurde ebenfalls zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Trump hatte jedoch in seinen schriftlichen Antworten auf die Fragen des Sonderermittlers genau das Gegenteil ausgesagt.
Sollte Stone die Aussagen von Gates und Cohen bestätigen, dann hätte Trump ein Verfahren wegen Meineids am Hals. Der Präsident hat somit nicht einem langen Kumpel einen Freundschaftsdienst erwiesen, er hat sich selbst geschützt.
Nicht nur die Begnadigung von Stone wirft Fragen auf. Trump legt sich neuerdings auch öffentlich mit dem Epidemie-Spezialisten Anthony Fauci an. Er sei «ein netter Mann, aber er hat viele Fehler begangen», erklärte der Präsident kürzlich in einem Interview mit Fox News. Gleichzeitig hat das Weisse Haus Faucis TV-Auftritte auf ein Minimum reduziert.
Der Präsident ist über Fauci verärgert, weil dieser die Art und Weise kritisiert, wie die USA mit der Coronakrise umgehen. Während Trump immer wieder betont, die Regierung habe alles im Griff, warnt der Epidemie-Spezialist vor einem «perfekten Sturm». Die Coronakrise könne ausser Kontrolle geraten, so Fauci.
Die Fakten geben Fauci Recht. Die Zahl der Infizierten erreicht täglich neue Rekorde, die Spitäler haben keine Intensiv-Betten mehr und die Anzahl der Toten steigt wieder.
Fauci ist zudem in der Bevölkerung beliebt und respektiert. Mehr als 70 Prozent aller Amerikaner vertrauen ihm, während rund zwei Drittel aller Amerikaner angeben, dass Trump in der Coronakrise versagt habe.
Für die Wiederwahl Trumps wird es immer enger. Die jüngsten Umfragen zeigen, dass sein demokratischer Herausforderer Joe Biden nicht nur national deutlich in Führung liegt. Immer mehr Bundesstaaten, die bisher fest in der Hand der GOP schienen, sind wackelig geworden, selbst Südstaaten wie Texas oder Georgia.
Daher hegen die Demokraten inzwischen die berechtigte Hoffnung, dass sie im November alle drei entscheidenden Gremien gewinnen könnten: das Weisse Haus, das Repräsentantenhaus und den Senat. Die «blaue Welle» bei den Zwischenwahlen 2018 ist demnach nur ein Vorspiel gewesen. «Ein Tsunami wird kommen», jubelt Terry McAuliffe, der ehemalige Vorsitzende des Democratic National Committee.