Wenn Supreme Court Nein zu Trumps Zöllen sagt: Das wären die Folgen für den Schweizer Deal
Der Zeitplan ist sportlich. Bereits im ersten Quartal des kommenden Jahres wollen die USA und die Schweiz ein rechtlich verbindliches Handelsabkommen zimmern. Diese Vereinbarung soll die Absichtserklärung ersetzen, die am Freitag in Washington und Bern nach langem Zittern vorgestellt werden konnte. So ist es im «Joint Statement» nachzulesen, das vom Weissen Haus veröffentlicht wurde.
Ein Grund, warum das Weisse Haus nun aufs Tempo drückt: Der amerikanische Präsident und seine Berater stehen unter Druck. Sie wollen möglichst schnell Fakten schaffen. Trump läuft nämlich Gefahr, schon in den nächsten Monaten vom höchsten amerikanischen Gericht zurückgepfiffen zu werden.
Derzeit berät der Supreme Court über eine Zivilklage gegen die «reziproken» Strafzölle des Präsidenten. Und eine Mehrheit der neun Verfassungsrichter scheint dem rechtlichen Fundament, auf dem Trump seine wirtschaftspolitischen Vergeltungsmassnahmen gegen souveräne Staaten wie die Schweiz aufbaute, skeptisch gegenüberzustehen.
Sie scheinen zu bezweifeln, dass ein 1977 verabschiedetes Notstandsgesetz dem Präsidenten wirklich die Handhabe gibt, um Importe aus ausgewählten Ländern zu verteuern. So jedenfalls lautete das Fazit von langjährigen Beobachtern des Supreme Courts, als das Gericht am 5. November eine mündliche Anhörung durchführte. Die Regierung Trump sieht es anders. «Ich glaube nicht, dass dieses Urteil gegen uns ausfallen wird», sagte der Finanzminister Scott Bessent am Sonntag in einem TV-Interview.
Bundesrat verweist auf Unverbindlichkeit des «Joint Statement»
Sollte der Supreme Court die Strafzölle kassieren, dann müsste der Präsident seine «reziproken» Importabgaben begraben. Die Strafzölle auf importierten Gütern aus der Schweiz würde damit von neu 15 Prozent quasi automatisch wieder auf das Niveau zurückfallen, das vor dem 2. April in Kraft war.
Welche Folgen hätte dies für die Vereinbarung, die am Freitag vorgestellt wurde? Rechtlich scheint die Antwort auf diese Frage klar. Das «Joint Statement» wäre das Papier nicht mehr Wert, auf dem es verfasst wurde. «Wenn die Rechtsgrundlage für die bestehenden Zölle wegfällt, müssen die Zölle, die auf dieser Rechtsgrundlage beruhen, preisgegeben werden.» Das sagt Alan Sykes, ein Rechtsprofessor an der Stanford Law School in Kalifornien, im Gespräch mit CH Media.
So äusserte sich am Freitag auch Guy Parmelin. Während einer Medienkonferenz in Bern verwies der Bundesrat darauf, dass das «Joint Statement» kein rechtsverbindliches Dokument sei. Theoretisch wäre es deshalb möglich, dass die Schweiz die Vereinbarung «einfach fallenlassen» würde, sagte der Bundesrat – auch wenn sich Bundesbern natürlich bewusst ist, dass Trump nebst dem Notstandsgesetz aus dem Jahr 1977 noch weitere rechtliche Möglichkeiten hat, Strafzölle auf importierten Gütern zu erheben.
Wie würde die Schweiz reagieren?
Etwas kompliziert wäre die Ausgangslage, wenn das Urteil des Supreme Court zu einem Zeitpunkt publik würde, an dem Washington und Bern bereits ein rechtsverbindliches Abkommen ausgehandelt hätten. Direkte Folgen auf eine solche Vereinbarung hätte der Richterspruch eigentlich keine, sagt der Rechtsprofessor Sykes. Aber politisch wären die Folgen sehr wohl spürbar, würde Trumps wichtigstes Druckmittel doch plötzlich wegfallen.
Sykes sagt: Sollte der Supreme Court die Strafzölle kassieren, müsse jedes Land entscheiden, ob es «seine Verpflichtungen» gegenüber den USA weiterhin einhalten wolle. Er jedenfalls empfehle nicht unbedingt, dass die betroffenen Länder – zum Beispiel die Schweiz – dem amerikanischen Präsidenten die kalte Schulter zeigten. «Angesichts Trumps Neigungen» zu wirtschaftspolitischen Schnellschüssen, wären die Handelspartner der USA wohl besser aufgehoben, wenn sie eine schriftliche Vereinbarung mit der amerikanischen Regierung vorweisen könnten, sagt der Stanford-Professor sinngemäss.
Das mag zutreffen, aus Sicht der Amerikaner. In der Schweiz allerdings wäre nach einem Urteil des Supreme Court politisch wohl Feuer im Dach – vor allem dann, wenn auch das Volk über das Abkommen abstimmen könnte.
