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Kommentar

Die Juso-Initiative hilft dem Klima nicht

Ferrari
Die Juso nimmt Reiche ins Visier.bild: keystone
Kommentar

Die Juso-Initiative hilft dem Klima nicht

Mit einer 50-Prozent-Erbschaftssteuer für Superreiche wollen die Jungsozialisten das Klima retten. Die hehre Idee hat viele Haken. Es drohen wirtschaftliche Kollateralschäden – das sehen selbst die Gewerkschaften.
17.11.2025, 06:3317.11.2025, 06:35
Doris Kleck / ch media

In der Welt der Juso ist es eine einfache Rechnung: Je höher die Steuer, desto höher die Einnahmen für den Staat.

Ihre Initiative verlangt, dass Erbschaften ab 50 Millionen Franken künftig mit 50 Prozent besteuert werden. Die allfälligen Mehreinnahmen müsste der Staat für die Bekämpfung des Klimawandels aufwenden. Reiche verursachen mehr CO₂, also sollen sie zahlen – so die Logik.

Nur ist die Welt komplexer als in den Köpfen der Jungpolitiker.

Das fängt bei den erwarteten Mehreinnahmen an. Sechs Milliarden Franken würde die nationale Erbschaftssteuer in die Kassen von Bund und Kantonen spülen, so die Initianten. Das ist unwahrscheinlich. Denn eine neue Steuer – zumal mit einem derart hohen Satz von 50 Prozent – würde zu Verhaltensanpassungen führen. Dass die, um im Juso-Jargon zu bleiben, «Superreichen» die neue Steuer einfach schlucken würden, ist nicht zu erwarten. Sie würden ins Ausland ziehen. Die Folge: Dem Staat würden andere Einnahmen wegbrechen  –  Einkommens- und Vermögenssteuern etwa.

Wer kann, der geht. Und wird auch «superreich» bleiben, wenn die Stimmbevölkerung eine neue Steuer einführt. Gewinnen würde dadurch weder der Staat noch das Klima.

Eigentlich wissen das auch die Initianten. In einem ersten Argumentarium schrieben sie, allfällige Wegzüge seien nicht zu bedauern. Das mache die Schweiz «sympathischer». Allenthalben ist auch zu hören, die Schweiz dürfe sich nicht von «Superreichen» erpressen lassen.

Nicht alle können indes einfach wegziehen. Die Initiative würde besonders Familienunternehmen treffen, die hier verankert sind. Deren Vermögen liegt nicht einfach auf dem Bankkonto herum, sondern steckt in der Firma. Sie brauchen Geld, um in Maschinen und Arbeitsplätze zu investieren – oder auch in konkrete Massnahmen für den Klimaschutz. Wer für die Initiative ist, nimmt in Kauf, dass diese Familienunternehmen verkauft werden müssen, um die Steuern zu bezahlen.

Das Wichtigste zur Juso-Initiative:

Video: watson/Kilian Marti, Michael Shepherd

Auch dieses Problem kennen die Initianten. Die SP-Fraktionsspitze hat deshalb kürzlich einen «unternehmensfreundlichen» Umsetzungsplan für die Initiative publik gemacht. Dieser zeigt, welchen Geist die Initiative atmet. Böse Firmen. Guter Staat. Unternehmen, so eine Idee, könnten die Erbschaftssteuer zum Beispiel mit Firmenanteilen bezahlen, die in einen Staatsfonds fliessen würden.

Die Juso hält das Argument mit den Familienunternehmen für vorgeschoben, eine reine Drohkulisse. Nicht so die Gewerkschaften. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat bei der Juso-Initiative Stimmfreigabe beschlossen. Die Gewerkschaft Travail Suisse lehnt sie gar ab. Ausschlaggebend war die Angst um Arbeitsplätze, wenn Firmen wegen der Erbschaftssteuer verkauft oder neu organisiert werden müssten.

Den Initianten geht es um viel: Sie sprechen von «Turbokapitalismus» und möchten das Wirtschaftssystem grundsätzlich umbauen. Wie sie sich ihre Welt vorstellen, bleibt allerdings äusserst vage. Im Argumentarium schreiben sie, dass «nachhaltige Sektoren» ausgebaut werden sollen. Als Beispiel folgt dann der Care-Sektor. Unbestritten brauchen wir in der Schweiz genügend Pflegefachkräfte und Kita-Mitarbeitende. Doch das hat herzlich wenig damit zu tun, dass unsere Wirtschaft nachhaltiger werden muss. Und daran arbeiten wiederum die meisten Unternehmen jeden Tag.

Klimaschutz ist wichtig, ohne Frage. Aktuell wendet der Bund dafür zwei Milliarden Franken auf. Das kann man viel oder wenig finden. Klar ist, dass die gut situierten Menschen schon heute einen Grossteil dieser Kosten stemmen.

Denn das Schweizer Steuersystem sorgt für eine starke Umverteilung. Die deutsche Zeitung «taz» stellte im letzten Jahr erstaunt fest, dass ausgerechnet die «Steueroase» Schweiz die «Superreichen» stärker besteuert als Österreich und Deutschland. Grund dafür ist die starke Progression bei der Einkommenssteuer – vor allem aber die Vermögenssteuer. Sie ist eine Schweizer Eigenart.

In einer Studie des Momentum Instituts, des Netzwerks Steuergerechtigkeit und Oxfam Deutschland wird gar festgehalten, dass die Vermögenssteuer positive Anreize setze, das Geld gewinnbringend und effizient einzusetzen, um mit den Erträgen die Steuer zu bezahlen. Dagegen mache die Vermögenssteuer den «Kauf und Besitz etwa von klimaschädlichen Privatjets oder Privatjachten unattraktiver», so das Fazit der linken NGOs.

Die Welt, sie ist fürwahr komplex.

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232 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ray7
17.11.2025 06:53registriert Oktober 2020
Bei der Symbolinitiative geht es auch gar nicht ums Klima. Das Klima wird instrumentalisiert um sich die reichen vorzuknöpfen. Wie so oft bei der JUSO, geht es darum zu provozieren, Aufmerksamkeit zu generieren und Gedanken anzuregen, nicht darum, eine tragfähige Lösung auszuarbeiten.
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Müller Lukas
17.11.2025 09:00registriert August 2020
Eine JUSO-Initiative die nichts nützt, oder sogar kontraproduktiv ist?
Ich bin überrascht. Aber sowas von überrascht....😂
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Dachsmann
17.11.2025 07:20registriert März 2023
Es sind die immergleichen Argumente der Gegner. Es ist eine Volksinitiative und noch kein fertig ausgestaltetes Gesetz; Spielraum für gesunde Anpassungen bliebe. Zudem frage ich mich, wie viele KMUs mit über 50 Mio. Wert es in der Schweiz gibt? Viele Kleinbetriebe mögen ein paar Mio. Wert sein, wenn überhaupt; bis 50 Mio. Ist es doch noch ein Stück.

Es ist eine verpasste Chance. In der Schweiz müssen wir echt darüber nachdenken, wie wir die Vermögensungleichheiten anpacken. Was ist aus dem demütigen Volk geworden, dass das Morgenrot des Alpenfirns besingt?
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