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Geleakte Chats: Chinas Geheimdienst nahm wohl Einfluss auf AfD-Politiker

Geleakte Chats: Chinas Geheimdienst nahm wohl Einfluss auf rechte Politiker in Europa

Der chinesische Staat spannt offenbar rechtsextreme Politiker in Europa für seine Zwecke ein. Eines der Hauptziele: einen Keil zu treiben in die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten.
15.12.2023, 22:43
Levent Constabel / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Der chinesische Geheimdienst hat über Jahre Handlanger in Europas extrem rechten Parteien angeworben und für seine Zwecke eingespannt. Das geht aus Hunderten Chatnachrichten zwischen einem chinesischen Geheimdienstagenten und einem Politiker der belgischen rechtsextremen Partei Vlaams Belang hervor. Sie liegen dem «Spiegel» vor, der sie gemeinsam mit der britischen «Financial Times» und der französischen «Le Monde» ausgewertet hat.

Die Nachrichten legen demnach nahe, dass mindestens eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag durch das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (MSS) initiiert wurde. «Letztes Jahr haben wir Druck auf die deutsche Regierung ausgeübt», soll der Agent im Chat mit seiner belgischen Kontaktperson über Oppositionelle in Hongkong geschrieben haben, «um ihre Gewalt und ihre Einwanderungsziele zu zeigen».

Als Beleg soll er einen Link auf eine Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Stefan Keuter gesendet haben. Der hatte die Bundesregierung im Mai 2021 zu Aktivisten der Demokratiebewegung in Hongkong befragt.

Der «AfD-Case»

Der MSS-Mann bat seinen Chatpartner dem Bericht zufolge, den Vlaams-Belang-Politiker Frank Creyelman, den «AfD-Case» in Belgien zu wiederholen, lokal angepasst. Tatsächlich soll Creyelmans Bruder Steven Creyelman knapp zwei Monate später, im Juli 2022, eine ähnliche Anfrage im belgischen Parlament gestellt haben.

Geleakter Chat des chinesischen Geheimdienstes mit einem Politiker in Belgien.
Textauszug aus dem Chat zwischen Woo und Creyelman.Screenshot: spiegel.de

Die Chats sollen sich über einen Zeitraum von Juni 2019 bis November 2022 erstrecken. Sie erlauben dem «Spiegel» zufolge einen einzigartigen Einblick in die Arbeitsweise und die Aufträge des MSS. Der Geheimdienstmann, der sich Daniel Woo nennt, soll dem Belgier zahlreiche Aufträge erteilt haben. Sie reichten von Bestechung über Rufschädigung bis zu Störaktionen im Europäischen Parlament.

«In einem Interview mit dem russischen Propagandasender Sputnik stellte sich Creyelman als zentraler Akteur für den neuen russlandfreundlichen Kurs der europäischen Rechtsaussen dar: ‹Ich war es, der alle rechten Parteien dazu gebracht hat, in Bezug auf Russland umzuschwenken›, wird er dort zitiert.»
quelle: spiegel.de

6000 bis 10'000 Euro Belohnung

Mehrfach gehe es in den Chats darum, für Aufträge weitere Parlamentarier einzubinden. Der Geheimdienstoffizier und sein Gegenüber sollen dann von «unseren Abgeordneten» sprechen – mal bezogen auf das Europäische Parlament, mal auf den deutschen Bundestag. Immer gehe es dabei um Politiker vom rechten Rand.

Ein Name, der dabei gefallen sein soll, ist auch der von Waldemar Herdt, der bis 2021 im Bundestag sass. Aktuell ist er Beisitzer im AfD-Kreisverband Cloppenburg/Vechta.

Mehrere westliche Geheimdienste bestätigten dem «Spiegel», dass sie den Namen Daniel Woo kennen und ihn dem MSS-Regionalbüro in Zhejiang zuordnen, das bereits durch Operationen gegen Europa aufgefallen ist. Die AfD-Leute Keuter und Herdt bestreiten jegliche Zusammenarbeit mit chinesischen Nachrichtendiensten auf Anfrage des «Spiegel»,

Frank und Steven Creyelman soll bis Redaktionsschluss auf wiederholte Anfragen ebenso wenig wie Daniel Woo oder die chinesische Botschaft in Berlin reagiert haben. Die chinesische Vertretung in Brüssel und das chinesische Aussenministerium hätten nur mitgeteilt, man verfüge «nicht über die Informationen, von denen Sie sprechen».

Manipulation des Staatsbesuchs von Scholz

Dem Bericht zufolge wollte der chinesische Geheimdienst auch die Öffentlichkeit rund um den Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Peking im November 2022 manipulieren.

Auch soll Woo den Belgier um Hilfe bei einer Rufmordkampagne gegen einen deutschen Wissenschaftler gebeten haben. Dieser berichtet seit Jahren über den Umgang der Kommunistischen Partei Chinas mit Minderheiten: «Ich habe den Auftrag erhalten, den Ruf von Adrian Zenz zu attackieren», zitiert der «Spiegel» eine Nacht des MSS-Manns Woo am 15. Januar 2021. Er versuche, «jeden seiner Skandale auszugraben».

Pro Auftrag stellt der MSS-Agent, der aus einem Regionalbüro in der ostchinesischen Provinz Zhejiang agiert, seinem Handlanger mal 6000 und mal 10'000 Euro in Aussicht, berichtet der «Spiegel». Das Geld fliesse teils in Digitalwährungen über die Kryptobörse Binance.

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80 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sani-Bär
15.12.2023 23:23registriert April 2021
Keine Sorge, unsere Classe Politique in der Schweiz ist unbestechlich 🥳
In der Schweiz wird nur für China und Russland "lobbyiert" und niemand ist "korrupt" in Bundesbern 🎉🎊🥳🤣

Daher werden u.a. auch die Oligarchen-Vermögen in der Schweiz "nicht gefunden".
Und in Zug kann mit russischem Gold, Gas und Erdöl ungestört gehandelt werden.
China wird gebraucht, da sonst keine lebenswichtigen Medikamente mehr geliefert werden. 🤐🥴🤡
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Test of the test
15.12.2023 23:07registriert Juli 2019
Wundert mich kein bisschen, dass unsere "Volksvertreter" in Europa ihr Land für 10'000 Euro an die Chinesen verkaufen.
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der/die Waldpropaganda
15.12.2023 23:18registriert September 2018
Ach Nein, das kommt aber überraschend....
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