Grossbritannien hat sich mit den übrigen 27 EU-Staaten auf die von ihm verlangten Reformen geeinigt, die beim «Brexit»-Referendum den Verbleib des Königreichs in der Europäischen Union sichern sollen.
Der britische Premierminister David Cameron hat nach eigener Einschätzung eine Sonderrolle seines Landes in der EU abgesichert. «Ich habe eine Abmachung verhandelt, die dem Vereinigten Königreich einen besonderen Status in der EU verleihen wird», twitterte der konservative Politiker.
«Grossbritannien wird niemals Teil eines europäischen Superstaates sein und niemals den Euro annehmen», fasste Cameron die Ergebnisse zusammen. Jetzt will er für einen Verbleib des Königreichs in der Europäischen Union werben. «Das reicht mir, um es zu empfehlen», sagte er. Am Samstag will Cameron den «Deal» seinem Kabinett vorlegen und anschliessend ein Datum für das Referendum verkünden.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nannte die Einigung sowohl für das Vereinigte Königreich als auch die anderen 27 EU-Staaten fair. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Arbeit daran als «Kraftakt».
Mit der Abmachung wendet die EU zunächst eine existenzbedrohende Krise ab. Ein Scheitern des Gipfels hätte mitten in der Flüchtlingskrise hätte ein verheerendes Signal der Handlungsunfähigkeit gesendet, berichteten Diplomaten. Nun liege der Ball im Feld von Cameron.
Dem nun vereinbarten Kompromisspapier zufolge soll die von der britischen Regierung geforderte «Notbremse», mit der EU-Ausländer von Sozialleistungen ausgeschlossen werden können, maximal sieben Jahre gelten. Der Betroffene selbst bliebe vier Jahre von den Leistungen ausgeschlossen. Kindergeldzahlungen für Kinder, die nicht im Vereinigten Königreich leben, sollen für neue Antragsteller umgehend an die Lebenshaltungskosten im Ausland gekoppelt werden. Ab 2020 können andere EU-Staaten diese Regelung übernehmen. Merkel hatte bereits am Donnerstag gesagt, dass dieser Punkt auch für Deutschland wichtig sei.
Die Ausnahmeregelung für Grossbritannien von einer Verpflichtung zum immer engeren Zusammenschluss der EU soll in einer EU-Vertragsänderung verankert werden. Ein Datum für eine solche Vertragsänderungen wird im Text nicht genannt. Zugleich erhielt Cameron von den anderen Euro-Staaten Zusicherungen, dass Massnahmen des Währungsraumes keine negativen Auswirkungen auf den Finanzplatz London haben sollen.
Der britische Premier hatte im Falle einer Einigung den 23. Juni als Tag für das Referendum ins Auge gefasst. Einer Umfrage von TNS zufolge würden sich bei der Volksabstimmung derzeit 36 Prozent der britischen Bevölkerung für einen Austritt aus der EU entscheiden, 34 Prozent wären dagegen. Sieben Prozent wollen nicht wählen gehen und 23 Prozent haben sich noch nicht entschieden.
Ursprünglich sollten die Teilnehmer des EU-Gipfels bereits am späten Freitagvormittag zusammentreffen. Das geplante Frühstück wurde wegen Meinungsverschiedenheiten unter den EU-Mitgliedern abgesagt.
Insbesondere mittel- und osteuropäische Länder zeigten sich kritisch gegenüber Camerons Forderungen. EU-Parlamentschef Martin Schulzsagte: «Das führt dazu, dass Regierungen, die befürchten müssen, dass Bürgerinnen und Bürger ihrer Länder wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden, bei dieser Ausnahmesituation dreimal nachfragen», sagte er.
(brt/dpa/Reuters/AFP)