Nordmazedoniens Parlament hat am Samstag den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Verhandlungsrahmen für EU-Beitrittsgespräche gebilligt, der auch einen Kompromissvorschlag im Streit mit dem Nachbarland Bulgarien enthält. Dies nährt Hoffungen der EU-Kommission, dass damit der Weg frei werde für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien sowie mit Albanien, den Bulgarien bisher durch ein Veto blockiert hatte.
Die Anträge Albaniens und Nordmazedoniens werden von der EU-Kommission gemeinsam behandelt. Ob Bulgarien dem Kompromiss zustimmt, war zunächst unklar, zumal dort aktuell eine Regierungskrise herrscht.
Die Entscheidung der Volksvertretung in Skopje erfolgte ohne Gegenstimmen - allerdings in Abwesenheit der nationalistischen Partei VMRO-DPMNE, deren Abgeordnete aus Protest den Saal verlassen hatten, wie die nordmazedonische Nachrichtenagentur Makfax berichtete.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte per Twitter: «Ich begrüsse das Votum des mazedonischen Parlaments, das den Weg für die ersten Beitrittskonferenzen der Europäischen Union mit Nordmazedonien und Albanien frei macht», schrieb er. «Wir wollen, dass Ihr Mitglieder der Europäischen Union werdet und begleiten Euch auf diesem Weg.»
Glückwünsche kamen auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Präsidenten des Europäischen Rats, Charles Michel. «Dies war eine historische Chance», schrieb von der Leyen. «Dies ist ein grosser Schritt auf Ihrem Weg in eine europäische Zukunft.» Michel fügte hinzu: «Unsere Zukunft ist gemeinsam, und wir heissen Sie mit offenen Armen willkommen.» Die USA begrüssten die Parlamentsentscheidung ebenfalls: «Das ist ein entscheidender Moment für Europa», erklärte Aussenminister Antony Blinken auf Twitter.
Nordmazedonien wartet seit 2008 auf den Beginn von Beitrittsgesprächen mit der EU. Zuletzt hatte das Nachbarland und EU-Mitglied Bulgarien dies blockiert. Es wollte Nordmazedonien Zugeständnisse in Minderheiten-, Geschichtsdeutungs- und Sprachfragen abringen. Die bis Ende Juni amtierende französische EU-Ratspräsidentschaft erarbeitete einen Kompromissvorschlag. Das bulgarische Parlament ermächtigte seine Regierung, diesem Vorschlag zuzustimmen. Jedoch hat Bulgarien derzeit nach einem Misstrauensvotum im Parlament nur eine kommissarisch amtierende Regierung. Ob diese oder eine eventuelle Nachfolgeregierung sich an die Parlamentsentscheidung hält, ist offen.
Nordmazedoniens sozialdemokratische Regierung ist auf dieser Grundlage bereit, mit Beitrittsverhandlungen zu beginnen. Die nationalistische Opposition, aber auch liberale Kritiker befürchten, dass der Kompromiss Bulgarien weiter ermöglicht, den Fortgang der Beitrittsverhandlungen zu blockieren.
Von der Leyen trat diesen Bedenken entgegen. Der Vorschlag erkenne die mazedonische Sprache ohne Einschränkungen an, sagte sie vergangene Woche. «Bilaterale Angelegenheiten wie die Interpretation der Geschichte sind keine Bedingungen der Beitrittsgespräche.»
Der Ministerpräsident des mit betroffenen Albaniens, Edi Rama, reagierte erfreut auf die Entscheidung in Skopje. «Für Verhandlungen über die Mitgliedschaft Albaniens in der Europäischen Union gibt es keine Hindernisse mehr», schrieb er bei Facebook. «Albaniens absurde Geiselhaft ist vorbei.» (saw/sda/dpa)