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Krieg in Israel: Kosten und Auswirkungen auf den Staatshaushalt

FILE - Israeli Iron Dome air defense system fires to intercept missiles over Tel Aviv, Israel, on June 13, 2025. (AP Photo/Leo Correa, File)
Mideast Wars Netanyahu's Legacy
Inzwischen ein gewohntes Bild: Eine Iron-Dome-Batterie feuert in Tel Aviv Abfangraketen gegen iranische Flugkörper ab.Bild: keystone

Israel führt den teuersten Krieg der Geschichte – wie ist das finanziell machbar?

Israels Kriegskosten sind gewaltig: Der Staatshaushalt gerät aus dem Ruder, die Gesellschaft trägt die Last – mit bemerkenswerter Disziplin, aber zunehmender Kritik an der politischen Führung.
25.06.2025, 07:2425.06.2025, 09:37
Daniel Bettini / ch media
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Israels Militärdoktrin setzte stets auf schnelle Kriegsführung – kurze Operationen, klare Ziele, schnelle Rückkehr zur Normalität. Dahinter steht das Bewusstsein, dass ein kleines Land mit knapp 10 Millionen Einwohnern, begrenzten Ressourcen und einer vergleichsweise kleinen Armee keine langen Kriege durchstehen kann.

Doch seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 befindet sich Israel in einem beispiellosen Dauerkonflikt: über 620 Tage Krieg, an sieben Fronten, und ein Ende ist nicht in Sicht. In den vergangenen beiden Wochen kam zudem Israels offener Krieg gegen den Iran hinzu, nachdem das Militär eine gezielte Offensive gegen das iranische Atom- und Raketenprogramm gestartet hatte.

Die finanziellen und gesellschaftlichen Kosten dieser Auseinandersetzung sind enorm – höher als je zuvor in der Geschichte des Landes. Neben den militärischen Aufwendungen leidet vor allem die Heimatfront: massive Gebäudeschäden, über 10'000 Evakuierte, Hunderte Verletzte und rund 30 zivile Todesopfer allein in den letzten Tagen.

Laut Schätzungen belaufen sich die Kosten des aktuellen Krieges bereits auf über 12 Milliarden Schekel (rund 2,82 Milliarden Franken) – in weniger als zwei Wochen. Der Sachschaden durch iranischen Raketenbeschuss wird auf 1,18 Milliarden Franken veranschlagt.

Das israelische Verteidigungsministerium kalkuliert aktuell mit täglichen Kriegskosten von rund 235 Millionen Franken – mehr als doppelt so viel wie nach dem 7. Oktober, als die Schätzung bei rund 94 Millionen pro Tag lag. Die Regierung hat deshalb beim Parlament einen Nachtragshaushalt von 846 Millionen Franken beantragt – zur Finanzierung der Reserveeinheiten und für humanitäre Hilfen im Gaza-Streifen.

Die grösste Herausforderung ist nun die Finanzierung dieser Ausgaben. Israels Staatshaushalt liegt bei 145,7 Milliarden Franken pro Jahr – zum Vergleich: Die Schweiz wendete 2024 84,3 Milliarden Franken auf. Um den Krieg zu finanzieren, wird das Defizit erhöht, in allen Ministerien – ausser dem Verteidigungsministerium – sollen Kürzungen erfolgen. Gleichzeitig steht eine Steuererhöhung im Raum.

Die Bank von Israel warnt bereits vor mittelfristigen Auswirkungen auf Wachstum und Arbeitsmarkt. Über 2 Millionen Israelis können aktuell nicht arbeiten, zahlreiche Unternehmen bleiben geschlossen. Die Regierung arbeitet an einem landesweiten Wirtschaftshilfsprogramm.

Ein Grossteil der Kosten entfällt auf das Abwehrsystem. Seit Kriegsbeginn feuerte der Iran über 400 Raketen auf Israel. Das israelische Militär reagiert mit einer Vielzahl von Abfangraketen. Jede einzelne ist teuer: Eine Arrow‑2‑Rakete kostet etwa 3 Millionen US-Dollar (rund 2,44 Millionen Franken), eine Arrow-3-Rakete rund 2,04 Millionen Franken. Eine David‑Sling‑Rakete schlägt mit 570'000 Franken zu Buche, eine Iron‑Dome‑Rakete mit rund 57'000 Franken.

Auch die Angriffe Israels auf iranische Ziele haben ihren Preis: Die eingesetzten Bomben kosten bis zu 407'000 Franken pro Stück. Experten beziffern die Verteidigungskosten auf 1,18 Milliarden Franken, die Angriffskosten auf rund 705 Millionen.

Israel ist inzwischen kriegsmüde

Trotz allem zeigt sich die israelische Wirtschaft bemerkenswert stabil. Die Börse sendet positive Signale, der Schekel legt gegenüber dem Dollar zu. Ökonomen erwarten nach Kriegsende einen wirtschaftlichen Aufschwung, insbesondere im Bau- und Infrastrukturbereich.

Die Bevölkerung zeigt sich ebenso resilient. Die Mehrheit unterstützt den Krieg mit dem Bewusstsein, dass es um das Existenzrecht Israels geht. Die Menschen sind diszipliniert, folgen den Sicherheitsanweisungen und versuchen, den Alltag aufrechtzuerhalten – trotz der hohen persönlichen und wirtschaftlichen Belastungen.

Doch gleichzeitig wächst die Kritik an der Regierung. Die Zuweisung von Milliarden Schekeln an ultraorthodoxe Parteien, deren Anhänger weder zur Armee gehen noch zur Wirtschaft wesentlich beitragen, stösst auf grossen Unmut. Viele Israelis fordern eine gerechtere Lastenverteilung – nicht nur finanziell, sondern auch gesellschaftlich. Die Ungleichheiten innerhalb der Bevölkerung treten im Krieg besonders scharf zutage.

Die entscheidende Frage bleibt: Wird Premierminister Benjamin Netanyahu in der Lage sein, diese Kriege politisch und diplomatisch zu beenden? Die israelische Gesellschaft ist kriegsmüde, psychisch erschöpft. Das Trauma sitzt tief. Der Ruf nach Neuwahlen wird lauter, das Vertrauen in die politische Führung schwindet.

Viele sehen den Krieg längst nicht mehr nur als militärisches, sondern auch als politisches Versagen. Die Israelis erwarten, dass ihre Regierung liefert – die Geiseln befreit, den Gaza-Krieg beendet und den Wiederaufbau glaubwürdig einleitet. Nur so kann sich das Land aus der tiefen Krise befreien.

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32 Kommentare
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bokl
25.06.2025 07:50registriert Februar 2014
Und das sind nur die Kosten für/in Israel. Rechnet man auch noch die Schäden/Kosten bei Gegner und Verbündeten hinzu, zeigt sich wie idiotisch es ist Krieg zu führen.
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Celtic Swiss
25.06.2025 08:16registriert Juni 2024
"Der Krug geht solange zum bis zum Brunnen, bis er bricht."

Wie lange noch wird sich die kriegsverbrecherische Regierung unter B.N. halten können?
Tragbar ist sie schon lange nicht mehr.
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In vino veritas
25.06.2025 08:26registriert August 2018
Mit Uncle Sam als Sugardaddy ist das alles kein Problem. Übrigens bezahlen auch wir Europäer für den Krieg über billige U-Boote aus Deutschland oder teures Öl aufgrund der Kriegslust. Anstatt endlich eine Zweistaatenlösung anzustreben wird weiter Öl ins Feuer gegossen und man wundert sich, weshalb die dort überall verhasst sind...
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