Belgien hat zum Jahreswechsel turnusgemäss den EU-Ratsvorsitz übernommen. Dem Land kommt damit in den kommenden sechs Monaten eine bedeutende Vermittlerrolle in der Europäischen Union zu. Besonders herausfordernd dürften neben dem anhaltenden Krieg in der Ukraine und damit verbundenen schwierigen Diskussionen der EU-Länder zwei im Juni anstehende Wahlen werden: Neben der Wahl zum Europaparlament wählt am selben Tag auch Belgien eine neue Regierung.
Ein Schwerpunkt der belgischen Ratspräsidentschaft liegt auf der Vorbereitung der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau. Die EU-Länder hatten sich im Dezember darauf verständigt, diese zu beginnen, sobald noch ausstehende Verpflichtungen erfüllt sind. «Im Hinblick auf eine mögliche künftige Erweiterung sei klar gesagt, dass wir bereit sind, in dieser Präsidentschaft zu liefern», sagte Belgiens Premierminister Alexander De Croo bei der Vorstellung der Prioritäten der belgischen Ratspräsidentschaft im Dezember.
Dafür soll auch ein Fahrplan für notwendige EU-interne Anpassungen erstellt werden. Diese seien notwendig, um eine funktionierende Union aufrechtzuerhalten, erklärte De Croo.
Darüber hinaus liegt ein besonderes Augenmerk der belgischen Ratspräsidentschaft auf dem Thema Migration. So muss etwa die Reform des Asylsystems, auf die sich die Länder und das Europaparlament kurz vor Weihnachten verständigten, noch formal bestätigt werden. Generell sollen zudem das weitere Vorantreiben der grünen Transformation und auch der Kampf gegen organisiertes Verbrechen und Drogenhandel im Fokus stehen.
Auch der anhaltende Krieg in der Ukraine und die damit einhergehenden Herausforderungen in der Energieversorgung Europas werden unter der belgischen Ratspräsidentschaft weiter Thema sein. Dabei geht es auch um die weitere finanzielle Unterstützung der Ukraine.
Eigentlich hatte beim EU-Gipfel Ende des Jahres ein neues Hilfsprogramm über 50 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre vereinbart werden sollen. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban verhinderte dies aber mit einem Veto. Für den 1. Februar ist ein EU-Sondergipfel zum weiteren Vorgehen angekündigt.
Mit der Europawahl Anfang Juni vor der Brust ist die Zeit für noch offene Gesetzesvorhaben knapp. Bis Mitte Februar müssten die für neue Regelungen jeweils notwendigen Verhandlungen zwischen EU-Ländern und Europaparlament abgeschlossen sein, hiess es. Danach steht der Wahlkampf ins Haus.
Die gleichzeitig stattfindenden Wahlen für eine neue Regierung Belgiens seien eine «kleine Komplikation», sagte jüngst Belgiens Ständiger Vertreter bei der EU, Willem van de Voorde. Sie beunruhigten ihn aber nicht – die Maschinerie funktioniere gut.
Die 27 EU-Mitglieder wechseln sich turnusmässig alle sechs Monate beim EU-Ratsvorsitz ab. Belgien übernimmt die Ratspräsidentschaft nun zum 13. Mal. Das Vorsitzland leitet zahlreiche Sitzungen in Brüssel, Luxemburg – und normalerweise im eigenen Land. Das erübrigt sich nun, da der Hauptsitz der EU in der belgischen Hauptstadt ist. Allerdings sind einige Treffen auf Ministerebene in anderen Städten des westlichen Nachbarlandes geplant.
Die jeweilige Präsidentschaft setzt eigene Schwerpunkte und versucht bei Kontroversen zu vermitteln: Ihr kommt eine wichtige Rolle bei der Verhandlung von Kompromissen zwischen den EU-Staaten, aber auch zwischen den EU-Staaten und dem Parlament zu. Vor Belgien hatte Spanien den Vorsitz inne, davor Schweden. Deutschland war zuletzt in der zweiten Jahreshälfte 2020 dran. (sda/dpa)