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Robert Fico angeschossen: Slowakischer Ministerpräsident verletzt

Fico
Bodyguards kümmern sich um Robert Fico in Handlova. screenshot: twitter

Slowakischer Premierminister Fico nach OP bei Bewusstsein – Täter meldet sich aus Spital

15.05.2024, 16:3116.05.2024, 06:52
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Was ist passiert?

Der slowakische linksnationale Regierungschef Robert Fico (Partei Smer) ist nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen und verletzt worden.

Auf seinem Facebook-Kanal gab es am Mittwochnachmittag ein Update:

«Auf R. Fico wurde heute ein Attentat verübt. Er wurde mehrfach angeschossen und befindet sich derzeit in einem lebensbedrohlichen Zustand. Im Moment wird er mit einem Hubschrauber nach Banská Bystrica transportiert, da es zu lange dauern würde, um nach Bratislava zu gelangen, da eine akute Intervention notwendig ist. Die nächsten Stunden werden darüber entscheiden.»

In der Nacht auf Donnerstag berichteten slowakische Medien, dass Fico nach einer mehrstündigen Operation bei Bewusstsein sei. Weitere Details sind aber bisher nicht bekannt. Eine erneute Stellungnahme der Regierung gibt es bisher nicht.

Augenzeugen berichteten dem TV-Nachrichtensender TA3, vor dem Kulturhaus in Handlova seien mindestens vier Schüsse zu hören gewesen, als Fico nach der Kabinettssitzung ins Freie ging, um sich unter die Bevölkerung zu mischen und Hände zu schütteln. Ein Schuss habe ihn in die Brust getroffen. Der Ministerpräsident sei daraufhin zu Boden gestürzt.

Der Angreifer wurde den Angaben zufolge festgenommen. Nach Medienberichten soll es sich bei dem Angreifer um einen 71-jährigen Mann handeln. Ein Reporter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens RTVS, der den Täter nach der Festnahme aus der Nähe sehen konnte, schilderte ihn als älteren Mann. Er habe desorientiert gewirkt und Blut auf der Stirn gehabt. Das komme aber wohl daher, dass ihn die Polizisten überwältigten und auf den Boden drückten.

FILE - Chairman of SMER-Social Democracy party Robert Fico arrives at his party's headquarters in Bratislava, Slovakia, Sunday, Oct. 1, 2023 the day after an early parliamentary election. Media r ...
Robert Fico. Bild: keystone

Verteidigungsminister Robert Kalinak nannte Ficos Zustand nach der Tat «ausserordentlich ernst». Bei diesen Worten kämpfte Kalinak, einer von Ficos Stellvertretern in Partei und Regierung, mit den Tränen.

Der Rettungsdienst teilte TASR mit, ein Hubschrauber mit einem Notarzt sei nach dem Vorfall zu Fico geschickt worden. Die Polizei evakuierte das Kulturhaus, in dem die Regierungssitzung abgehalten worden war.

Fico hatte vor wenigen Tagen der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen die Regierung zu schaffen. Es sei nicht auszuschliessen, dass es in einem solchen Klima irgendwann zu einer Gewalttat komme.

Der Gründer und Chef der zuletzt immer nationalistischer gewordenen Linkspartei Smer-SSD ist seit fast 30 Jahren einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er polarisiert aber zugleich wie kaum ein anderer. Gegner nennen ihn «prorussisch» und werfen ihm vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Viktor Orbans Ungarn führen zu wollen.

Wer ist der mutmassliche Täter?

Das Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico hatte nach Einschätzung der Regierung ein «politisches Motiv». Das sagte Innenminister Matus Sutaj Estok am Mittwochabend vor Journalisten in der Klinik in Banska Bystrica, wo Fico operiert wurde.

Wie der «Blick »schreibt, soll sich der mutmassliche Täter zu seiner Tat via Social Media geäussert haben. Das Video ist auf einer slowakischen Newsseite auf Instagram zu sehen. Darin sagte der benommen wirkende mutmassliche Attentäter: «Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu.» Als konkretes Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS, gegen das seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren.

Nach Informationen des TV-Senders TA3 soll es sich bei dem Täter um Juraj C., einen ehemaligen Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes handeln. Offiziell bestätigt wurde das zunächst nicht.

Wie sind die Reaktionen aus dem Ausland?

Bundespräsidentin schockiert nach Angriff auf Premierminister Fico

Die Schweizer Bundespräsidentin zeigte sich zutiefst schockiert über den Angriff auf den slowakischen Premierminister Robert Fico. Die Schweiz verurteilt alle Gewalttaten, wie Bundespräsidentin Viola Amherd am Mittwoch auf dem Kurznachrichtendienst X schrieb.

«In diesen unruhigen Zeiten müssen wir unser Bestes tun, um die Demokratie zu schützen», so Amherd auf Englisch weiter. Dem Premierminister, seiner Familie und dem slowakischen Volk spreche die Schweiz ihre Unterstützung aus.

Putin: «Abscheuliches Verbrechen»

Kremlchef Wladimir Putin hat mit Entsetzen auf das Attentat auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico reagiert. «Dieses abscheuliche Verbrechen ist durch nichts zu rechtfertigen», heisst es in einem am Mittwoch in Moskau auf der Kremlseite veröffentlichten Telegramm Putins an die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova. Russlands Beziehungen zur Slowakei gelten im EU-Vergleich als vergleichsweise gut.

Politische Gegner werfen Fico immer wieder «russlandfreundliche» Positionen vor – ungeachtet von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine.

«Ich kenne Robert Fico als einen mutigen und willensstarken Menschen. Ich hoffe sehr, dass diese Eigenschaften ihm helfen werden, diese schwierige Situation zu überstehen. Bitte übermitteln Sie ihm meine aufrichtigen Worte der Unterstützung und meine Wünsche für eine rasche und vollständige Genesung», schrieb Putin weiter.

Guterres spricht von «schockierendem Angriff» auf Fico

UN-Generalsekretär António Guterres hat die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico «aufs Schärfste» verurteilt. Die Vereinten Nationen sprachen von einem schockierenden Angriff. «Die Gedanken des Generalsekretärs sind in diesem schwierigen Moment beim Ministerpräsidenten und seinen Angehörigen», sagte ein Sprecher am Mittwoch in New York.

Zahlreiche weitere Politiker zeigen sich entsetzt

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich «schockiert und entsetzt» über die Attacke auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico gezeigt. «Ich wünsche ihm Kraft für eine schnelle Genesung», schrieb er am Mittwoch auf X.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Attentat in dem Nachbarland Slowakei auf Regierungschef Robert Fico aufs Schärfste verurteilt. «Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit Gewalt in keinem Land, in keiner Form oder Sphäre zur Norm wird», teilte Selenskyj im sozialen Netzwerk X am Mittwoch mit. Die Ukraine sei solidarisch mit der Slowakei.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico als «unerträglich» verurteilt. «Ich wünsche ihm, dass er sich gut von diesem feigen Anschlag erholt», sagte Scholz am Mittwoch nach einem Treffen mit der Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd in Berlin.

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat sich ebenfalls entsetzt gezeigt über die Schüsse auf den slowakischen Regierungschefs Robert Fico. «Schockiert über diese furchtbaren Neuigkeiten. Alle unseren Gedanken sind bei Premierminister Fico und seiner Familie», schrieb der konservative Politiker auf X.

US-Präsident Joe Biden hat die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico als «schreckliche Gewalttat» verurteilt. Die US-Botschaft stehe in engem Kontakt mit der slowakischen Regierung und sei bereit zu helfen.

Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat sich schockiert über den Angriff auf seinen slowakischen Kollegen Robert Fico gezeigt. «Tief erschüttert erfuhr ich vom schrecklichen Angriff auf meinen Freund Robert Fico», schrieb Orban am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite. «Wir beten für seine möglichst baldige Genesung», fügte er hinzu.

Wie sind die Reaktionen in der Slowakei?

Künftiger slowakischer Präsident warnt vor Gefahr für die Demokratie

Der designierte slowakische Präsident Peter Pellegrini hat den Anschlag auf Ministerpräsident Robert Fico als eine «noch nie dagewesene Gefährdung der slowakischen Demokratie» verurteilt. «Wenn wir andere politische Meinungen mit Pistolen auf den Plätzen ausdrücken und nicht in den Wahllokalen, gefährden wir alles, was wir in den 31 Jahren der slowakischen Unabhängigkeit gemeinsam aufgebaut haben», warnte der sozialdemokratische Politiker am Mittwoch.

Oppositionsführer Michal Simecka sagt alle geplanten politischen Aktionen ab

Der liberale Oppositionsführer Michal Simecka sagte am Mittwochabend alle geplanten politischen Aktionen für unbestimmte Zeit ab. Das betreffe auch eine für Mittwochabend geplante Demonstration gegen die Regierung in Bratislava, sagte er vor Journalisten im Parlament. Eine am Mittwoch laufende Parlamentssitzung wurde schon davor für unbestimmte Zeit unterbrochen.

Slowakischer Innenminister ruft zur Mässigung auf

Der slowakische Innenminister Matus Sutaj Estok hat nach dem Attentat auf Regierungschef Robert Fico zur Mässigung aufgerufen. «Es ist völlig natürlich, dass die Emotionen aufgepeitscht sind, aber es wäre sehr schlimm, diesen gefährlichen Zustand noch weiter zu verschärfen», warnte der Politiker am Mittwoch bei Facebook. Die Schüsse auf Fico nach einer Kabinettssitzung in Handlova bezeichnete er als ein «Attentat auf die Demokratie». Unter dem Eindruck des Angriffs hatten einzelne Politiker der Regierungsparteien der Opposition eine Mitverantwortung für die Gewalttat angelastet, was auf Proteste stiess.

«Es ist für mich persönlich eine schreckliche Enttäuschung, dass unsere gemeinsamen Bemühungen, zur zivilisierten Welt der am weitesten entwickelten Ländern zu gehören, fruchtlos gewesen sind», führte der Innenminister aus. Es sei nun die gemeinsame Aufgabe aller in der Slowakei, die Verbreitung von politischem Hass sofort zu beenden.

(lak/cma/hkl/con/sda/dpa)

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147 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ius_Aeterna_93
15.05.2024 17:35registriert April 2024
Fico ist ein absoluter Putin Freund durch und durch ohne Skrupel, wurde aber fair und demokratisch von den Slowaken gewählt. Muss man etwas frustriert und zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dem Narrativ „Geldverschwendung für die Ukraine“ wurde mehrheitlich geglaubt ist halt so. Ein echter Demokrat gesteht die Niederlage aber ein und wird die Tat mit erhobenen Hauptes verurteilen. Wo kämen wir mit der Bigoterie hin, wenn ähnlich wie in Diktaturen der Tod politischer Gegner gewünscht wird, man wäre kein Deut besser.
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Weisch na?
15.05.2024 16:19registriert November 2022
Ich glaube, dass im Umfeld von Ficos „Freunden“ mehr Gewaltpotenzial vorhanden ist als bei der Opposition.
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Dominik Egloff
15.05.2024 18:15registriert November 2015
Einen demokratisch gewählten Politiker zu erschiessen (oder es zu versuchen) ist, völlig unabhängig seiner politischen Meinung, ein unmenschliches Unrecht. Ich wünsche ihm, als entschiedener politischer Gegner seiner Position, dass er es schafft zu überleben! Ich bin schockiert.
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