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«Wir stehen an Ihrer Seite» – was du zur Lage in Deutschland wissen musst

Merkel verspricht Hochwasseropfern Hilfe – was du zur Lage in Deutschland wissen musst

18.07.2021, 17:43
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Nach den verheerenden Unwettern in Westdeutschland hat sich Kanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch im Katastrophengebiet erschüttert gezeigt und schnelle Hilfen versprochen. Es herrsche eine «surreale, gespenstische Situation», sagte die CDU-Politikerin am Sonntag nach einem Rundgang durch die Eifelgemeinde Schuld, wo die Fluten Trümmerberge und zerstörte Häuser hinterliessen. «Die deutsche Sprache kennt kaum ein Wort für die Verwüstungen, die hier angerichtet wurden.» Anschliessend besuchte sie mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) den nahe gelegenen Ort Adenau, der ebenfalls schwer getroffen wurde.

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Merkel machte sich vor Ort ein Bild.Bild: keystone

Die Zahl der bestätigten Todesopfer in Deutschland stieg am Wochenende auf fast 160. Während die Wassermassen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vielerorts zurückgingen und die Aufräumarbeiten laufen, verursachten heftige Regenfälle in Südostbayern, in der Sächsischen Schweiz und in Österreich weitere Überschwemmungen und Erdrutsche. Sie hatten aber nicht die Ausmasse wie im Westen.

Merkel und Dreyer machten sich vor Ort ein Bild der Lage und redeten mit Einsatzkräften und Anwohnern. Schuld im Ahrtal und auch das knapp zehn Kilometer entfernte Adenau waren von Wasser-, Schlamm- und Trümmermassen erfasst worden. Merkel sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz, Deutschland sei ein starkes Land und könne sich die kurz- und mittelfristigen Hilfen leisten. «Wir stehen an Ihrer Seite.» Zudem werde man das Klima und die Natur stärker in den Blick nehmen.

Schwerste Katastrophe seit Jahrzehnten

Die Hochwasserkatastrophe ist die schwerste in Deutschland seit Jahrzehnten. Im Kreis Ahrweiler, in dem auch Schuld und Adenau liegen, sind nach Polizeiangaben 110 Todesopfer zu beklagen, während die Zahl in NRW auf 46 stieg. Zudem kam mindestens ein Mensch in Oberbayern ums Leben.

Vor allem im Westen Deutschlands hatte es Mitte der Woche ungewöhnlich heftig geregnet. Zum Teil gab es innerhalb von 24 Stunden so viel Niederschlag wie sonst in ein oder zwei Monaten. Viele Strassen und Brücken liegen in Trümmern. Etliche Wohnhäuser sind beschädigt. Bei der Bahn sind Strecken auf 600 Kilometern Länge betroffen.

Nach wie vor gibt es Vermisste. So suchen in Erftstadt westlich von Köln zahlreiche Menschen nach ihren Angehörigen. Bisher wurden nach Angaben der Stadt bei der «Personenauskunftsstelle» 34 Menschen gemeldet, deren Aufenthaltsort ungewiss ist. Noch am Samstag lag die Zahl bei 59. Im Stadtteil Blessem, wo die Lage weiter angespannt war, wollten Fachleute am Sonntag die Stabilität des Untergrunds prüfen. Dort war durch die Fluten ein riesiger Krater entstanden. Mindestens drei Wohnhäuser und ein Teil einer Burg stürzten ein.

Einen Rückschlag gab es an der Steinbachtalsperre südwestlich von Bonn. Dort fliesst das Wasser langsamer als erwartet ab. Deshalb sollten Experten am Sonntag die Lage des von einem Bruch bedrohten Staudamms neu bewerten, wie die Bezirksregierung Köln mitteilte. Eigentlich hatten die Behörden gehofft, am Sonntagnachmittag Entwarnung geben zu können. Aus der Talsperre wird Wasser abgelassen, um Druck von dem Damm zu nehmen.

Die Politik verspricht finanzielle Hilfe

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Samstag bei einem Besuch in Erftstadt von Schäden, «die unsere Vorstellungskraft übersteigen». Er informierte sich zusammen mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) über die Lage in Erftstadt. Auch Laschet versprach Direkthilfe und sagte zu, dass «sehr unbürokratisch Geld ausgezahlt» werde.

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Bundesfinanzminister Olaf Scholz versprach Soforthilfen. Bild: keystone

Nach Worten von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geht es um Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe. «Es braucht einen nationalen Kraftakt», sagte er der «Bild am Sonntag». Am Mittwoch will der Vizekanzler im Kabinett zwei Dinge behandeln: «Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht», erläuterte Scholz. Zudem geht es nach seinen Worten um die Grundlage für ein Aufbauprogramm, um Häuser, Strassen und Brücken zügig zu reparieren. «Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliarden Euro.» Merkel kündigte an, dass Geld über die Länder verteilt wird.

Auch Bayern betroffen

Im bayerischen Hochwassergebiet im Berchtesgadener Land waren nach offiziellen Angaben 890 Hilfskräfte in den besonders betroffenen Orten im Einsatz. Einsatzleiter Anton Brandner sprach von dramatischen Szenen. Heftige Regenfälle hatten am Samstagabend den Fluss Ache über die Ufer treten und Hänge abrutschen lassen. Zwei Menschen kamen nach Behördenangaben ums Leben. Ein Opfer starb dem Landkreis zufolge an einer natürlichen Ursache. Aber auch das könne mit dem Unwetter zusammenhängen.

Betroffen waren vor allem die Orte Berchtesgaden, Bischofswiesen, Schönau am Königssee, Marktschellenberg und Ramsau. Feuerwehr und andere Hilfskräfte mussten zu Hunderten Einsätzen ausrücken – auch um Menschenleben zu retten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) wollten am Nachmittag in die Region fahren. Von den Unwettern betroffen waren weiter nördlich auch Passau und der Bayerische Wald. Der Deutsche Wetterdienst warnte vor weiteren Regenfällen in den Berchtesgadener und Chiemgauer Alpen. Dagegen können die Rettungskräfte und Anwohner im Westen in den kommenden Tagen mit trockenem Wetter rechnen.

Water flows over a square in front of a house in Bischofswiesen, Germany, Saturday, July 17, 2021. The Berchtesgadener Land district has declared the situation a disaster after heavy rain caused sever ...
Auch Bischofswiesen war vom Hochwasser betroffen.Bild: keystone

Immense Regenfälle verursachten am Samstag auch in Teilen Sachsens Überschwemmungen und Erdrutsche. Örtlich fielen innerhalb von 24 Stunden mehr als 100 Liter pro Quadratmeter. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden vorübergehend nicht erreichbar. Am Sonntag entspannte sich die Lage. (sda/dpa)

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