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Drohender Brexit: Europäer bieten Cameron «Notbremse» bei Sozialleistungen an

Unterredung in Downing Street No 10: EU-Gipfelchef Donald Tusk und Grossbritanniens Premier David Cameron.
Unterredung in Downing Street No 10: EU-Gipfelchef Donald Tusk und Grossbritanniens Premier David Cameron.
Bild: Getty Images Europe

Drohender Brexit: Europäer bieten Cameron «Notbremse» bei Sozialleistungen an

In der Brexit-Debatte geht die EU auf Grossbritannien zu: Sie bietet eine neue «Notbremse» an, um das Land in der EU zu halten.
31.01.2016, 23:5201.02.2016, 00:28
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Dieses Verfahren soll Mitgliedsländern unter bestimmten Bedingungen erlauben, Sozialleistungen für Bürger aus anderen EU-Staaten zu kürzen. Über die Ausgestaltung werde immer noch verhandelt, hiess es am Sonntag in britischen Regierungskreisen.

Die «Notbremse» könnte laut Medienberichten bei starker Zuwanderung gezogen werden. Bedingung sei, dass soziale Sicherungssysteme oder öffentliche Dienstleistungen dadurch erheblich beeinträchtigt werden. Am Abend kam der britische Premier David Cameron in London mit EU-Gipfelchef Donald Tusk zusammen.

Cameron will möglicherweise schon im laufenden Jahr seine Landsleute über den Verbleib seines Landes in der EU abstimmen lassen. Beim EU-Gipfel am 18. und 19. Februar soll ein Kompromiss zu den Reformforderungen gefunden werden. Ob dies gelingt, ist laut Diplomaten noch offen.

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Cameron will mehr

Cameron fordert laut Diplomaten, dass die «Notbremse» direkt nach der Volksabstimmung aktiviert werden kann. Dem konservativen Regierungschef gehe das Angebot insgesamt noch nicht weit genug, er erwarte deshalb weitere Zugeständnisse.

Er hatte gefordert, dass zugewanderte EU-Bürger mindestens vier Jahre in Grossbritannien gearbeitet haben müssen, bevor sie einen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen haben. Es ist die rechtlich und politisch heikelste seiner Reformforderungen an die EU.

«Aber alles, was wir an Massnahmen ergreifen, muss mit EU-Recht und den EU-Grundwerten vereinbar sein, und da liegt der Teufel im Detail.»
EU-Parlamentschef Martin Schulz

Der Mechanismus der «Notbremse» sei nicht auf Grossbritannien beschränkt, sondern stehe allen EU-Staaten offen. Der EU-Ministerrat, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind, müsse einem Aktivieren der «Notbremse» zustimmen, berichtete die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung/FAS». Auch der EU-Informationsdienst «Politico» berichtete über den Vorschlag.

Das Entgegenkommen in den Verhandlungen hat nach Angaben von EU-Parlamentschef Martin Schulz Grenzen. Er sei zwar zur konstruktiven Zusammenarbeit bereit und werde alles dafür tun, die Briten in der EU zu halten, sagte Schulz der FAS. «Aber alles, was wir an Massnahmen ergreifen, muss mit EU-Recht und den EU-Grundwerten vereinbar sein, und da liegt der Teufel im Detail.»

Martin Schulz; Das Entgegenkommen der EU hat Grenzen.
Martin Schulz; Das Entgegenkommen der EU hat Grenzen.
Bild: LAURENT DUBRULE/EPA/KEYSTONE

Tusk mit Kompromissvorschlag

Tusk will seinen Kompromissvorschlag am Montag veröffentlichen, wie er am Sonntagabend beim Kurznachrichtendienst Twitter ankündigte. Voraussetzung sei aber, dass es im Gespräch mit Cameron Fortschritte gebe.

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Bis am späten Sonntagabend gelang jedoch noch kein Durchbruch. «Noch keine Vereinbarung», schrieb Tusk. Er setze auf «intensive Arbeit» in den nächsten 24 Stunden, um eine Lösung zu finden. Erst dann werde entschieden, ob er seine Vorschläge den übrigen EU-Partnern vorlegen werde, war in EU-Kreisen zu hören

Tusk teilte mit, er werde Cameron «Lösungen» in allen Bereichen anbieten, in denen dieser Reformen fordere. Ein Abkommen müsse aber für die Gesamtheit der EU akzeptabel sein, und es werde «keinen Kompromiss bei fundamentalen Freiheiten» geben.

Dem Vernehmen nach lehnt es der liberalkonservative Pole ab, bei der Arbeitnehmer-Freizügigkeit eine künftige Änderung der EU-Verträge anzubieten. Vertragsänderungen müssen von den EU-Staaten einstimmig gebilligt werden und sind äusserst kompliziert. (wst/sda/dpa)

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2 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hackphresse
01.02.2016 00:25registriert Juli 2014
Schon Krass. Für Banken werden Billionen mal schnell locker gemacht. Aber wenn dann Menschen geholfen werden soll heissts die Kassen sind zu. Diese Finanzarschküsserei sollte allmählich aufhören. Wenn die Konsumenten ständig entlassen oder outgesourced werden und pleite gehen, wird gar nicht mehr konsumiert.
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