«And here are the all-male nominees», sagt Natalie Portman, als sie den Preis für die beste Regie ankündigt. Also für Guillermo del Toro, Martin McDonagh, Christopher Nolan, Ridley Scott und Steven Spielberg. Es gewinnt dann – thematisch zum Anlass passend – del Toro mit «The Shape of Water»: Ein grünschuppiger Wassermann entpuppt sich darin als zugleich männlicher und sensibler als jeder Normalomenschmann (hier gehts zu allen Gewinnern).
Bei denen, die zuhause vor dem Fernseher sitzen, sorgt einer der multipel ausgestrahlten Werbespots des Abends für wachsende Verwunderung: Winona Ryder wirbt darin für irgendein L'Oréal-Shampoo, das Strohhaar in seidige Locken verwandelt. «Jeder liebt ein Comeback. Auch beschädigtes Haar hat eines verdient», lautet der Slogan. Beschädigtes Haar klingt nach beschädigtem Ruf ... und gibt es da nicht ein paar Comebacks, die man sich nicht mehr wünscht? Moderator Seth Meyers schlägt deshalb ein spezielles Comeback für einen bestimmten Mann vor (es ist ein bisschen geschmacklos):
«Time's up» ist das Motto des Abends, das viele Männer an dieser ersten wichtigen «Post-Harvey-Weinstein-Branchenveranstaltung» wie die 75. Golden Globes auch genannt werden, auf kleinen Pins mit sich herumtragen. Die Zeit ist um, die Zeit von Mann, Sexismus und – in Ansätzen – Weiss.
Oprah Winfrey gewinnt den Cecil B. DeMille-Award für ihr Lebenswerk in der Unterhaltungsbranche. Sie geht dabei zurück in ihre Kindheit, als sie als Tochter einer Putzfrau vor dem Fernseher sass und erlebte, wie Sidney Poitier als erster Schwarzer einen Oscar gewann. Sie erzählt aber auch die Geschichte von Recy Taylor, die 1944 von sechs weissen Männern vergewaltigt wurde und deren Peiniger nie verurteilt wurden. Recy Taylor starb zehn Tage vor den Golden Globes. Und wie so viele im Saal äussert auch sie die Hoffnung, dass eines Tages keine Frau mehr «me too» sagen müsse.
Der schwarze Schauspieler Sterling K. Brown wird mit «This Is Us» bester Serien-Hauptdarsteller. Leider geht «Get out», der Meta-Horrorfilm über eine brutal rassistische weisse Familie, leer aus. Ob er am Ende zu schwarz war für die Nacht der schwarzen Roben? «Wow, the power of women!», wie Nicole Kidman begeistert sagt, wird dafür auf Schritt und Tritt gefeiert.
Wie erwartet gewinnen mit «Big Little Lies» (Miniserie) und «The Handmaid's Tale» (Serie) zwei ausgemachte Damen-Dramen, die äusserst unzimperlich sexuellen Missbrauch thematisieren. Ebenfalls wie erwartet wird Elisabeth Moss als Hauptleidtragende in «The Handmaid's Tale» zur besten Seriendarstellerin gekürt. Sie entscheidet sich für eine literarische Rede, schliesslich gewinnt sie mit der Romanverfilmung von Margaret Atwood:
Nicole Kidman (beste Hauptdarstellerin in einer Miniserie) bedankte sich bei ihrer Mutter, die immer für Frauenrechte gekämpft hatte und bei ihrem Mann:
Und sonst? Die Schauspielerin Ally Sheedy meldet sich über Twitter und schrieb, dass James Franco, der gerade auf der Bühne die Auszeichnung als bester komischer Hauptdarsteller in «The Disaster Artist» erhalten hatte, der Grund dafür sei, dass sie aus dem Unterhaltungsbusiness ausgestiegen sei. Franco also, der seinen «Time's up»-Pin am stolzesten trägt. Sheedy löscht den Tweet allerdings wenig später wieder, der Elefant der #himtoo?-Frage steht jetzt trotzdem irgendwie schief im Raum.
Auch Gary Oldman, der als Winston Churchill in «Darkest Hour» den Preis als bester ernsthafter Hauptdarsteller davonträgt, steht schon wieder im Kreuzfeuer.
2014 gab er dem «Playboy» ein Interview, in dem er die Golden Globes als «bedeutungslose Veranstaltung» (stimmt), Reality-TV als «Museum des sozialen Zerfalls» (jaaa!) politische Korrektheit als «Mist» (na ja) und Nancy Pelosi, die Vorsitzende der amerikanischen Demokraten als «Fotze» (geht's noch?) bezeichnete. Also so:
Das ist natürlich ein indirekter Kunstgriff. Oldman prangert ein System an, das den Kollegen etwas erlaubt, weil die Verzerrung ihr Job ist, ihm selbst das Gleiche aber verbietet (gut, Maher hatte es auch nicht leicht, als er Sarah Palin 2011 mit dem C-Wort bedachte). Wobei er natürlich gar nicht indirekt durchschimmern lässt, was er von Nancy Pelosi hält. Nämlich exakt das, was er nicht zu sagen vorgibt. Äusserst direkt verteidigte er dagegen einen antisemitischen Ausbruch von Mel Gibson und einen homophoben von Alec Baldwin und sagte: «Fuck the Pope.» Er war in einer prima Laune.
Old Man Gary, du sollst eine Frau nicht in der Öffentlichkeit Fotze nennen, auch nicht indirekt. Und auch nicht im «Playboy», wo eine Frau am Ende nicht viel mehr als das darstellt. Vielleicht warst du während des Interviews besoffen. Vielleicht hattest du mal wieder gekokst. Vielleicht hattest du sogar ein bisschen Recht mit deiner Wut gegen alle «Heuchelei». Trotzdem war's enorm unbedacht. Hoffen wir mal, dass du nicht zum Partycrasher dieser Golden Globes wirst.