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Finnland verweigert russischem Deserteur Asyl – der Grund überrascht

Finnland verweigert russischem Deserteur Asyl – der Grund überrascht

Er floh vor einer Einberufung in den Ukraine-Krieg. Doch Finnland lehnt Asyl für einen Russen ab – mit einer erstaunlichen Begründung.
03.11.2025, 04:4403.11.2025, 04:44
Thomas Wanhoff / t-online
Ein Artikel von
t-online

Im Frühjahr erhielt der 21-jährige Russe Daniil Muchametow den Einberufungsbefehl: Er soll in den Krieg gegen die Ukraine ziehen. Doch ihm gelang die Flucht, nach eigenen Angaben sprang er von einem Zug in Litauen und gelangte von dort nach Finnland, um Asyl zu beantragen. Das allerdings gestaltet sich schwierig.

Denn die finnischen Behörden haben einen Asylantrag abgelehnt, berichtet der russischsprachige Sender «Nastojascheje wremja», der mit US-Steuergeldern finanziert wird. Wehrdienst sei kein Grund für Asyl, so die Begründung.

russen deserteur
Daniil Muchametow in einem Interview: Der Russe floh vor dem Krieg gegen die Ukraine.Bild: Screenshot Daniil Muchametow/Nastojascheje wremja

Mitte Juni war bekannt geworden, dass in Litauen ein russischer Staatsbürger in der Nähe der Stadt Kybartai gesprungen sei. Der Zug war von der russischen Stadt Adler nach Kaliningrad unterwegs gewesen. Er fährt dabei auch durch Litauen. Muchametow nutzte am 17. Juni 2025 die Gelegenheit und sprang. Die Aktion wurde bemerkt, Litauen begann eine Suchaktion, mit Hunden, Helikoptern und Drohnen, wie die das Nachrichtenportal LRT schrieb. Er hatte ein Transitvisum, sagten damals die Behörden. Damit durfte er aber den Zug nicht verlassen. Zwei Monate lang suchten die litauischen Behörden nach ihm, berichtet «Nastojascheje wremja».

«Ich habe mich geweigert, zu den Waffen zu greifen»

«Für mich war es die richtige Entscheidung, den Militärdienst zu verweigern. Ich habe mich geweigert, zu den Waffen zu greifen. Ich sah keine andere Möglichkeit, als die Russische Föderation zu verlassen. Ich habe diese Entscheidung getroffen», sagt Daniil.

Nachdem er in Litauen gesucht wurde, entschloss er sich, nach Finnland zu fliehen und dort Asyl zu beantragen, berichtet er dem russischsprachigen Sender in einem Videoanruf. Die finnischen Einwanderungsbehörden ordneten jedoch an, Daniil nach Litauen, seinem ersten Einreiseland in die Europäische Union, zurückzuschicken, wo er gesucht wurde. Dort hatte man bereits einen Russen, der über einen Grenzfluss ins Nato-Land geschwommen war, zurückgeschickt, berichtete der Innenminister Vladislav Kondratovič.

Verdächtigungen in Finnland

Doch stattdessen hagelte es Kritik an dem russischen Geflüchteten. «Die Menschen wussten nichts über Danila. Und sie erklärten ihn sofort zu einem möglichen russischen Saboteur: Vielleicht hatte er Verbindungen zum russischen Geheimdienst, vielleicht war es auch etwas ganz anderes. Aber mit anderen Worten, er wurde in allen Medien als russischer Spion, als James Bond dargestellt», sagte die Menschenrechtsaktivistin Olga Karach «Nastojascheje wremja».

Muchametow klagt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In der Zwischenzeit hat er eine Videonachricht an seine Eltern geschickt.

«Hallo, Mama und Papa. Hallo, meine lieben Schwestern. Ich möchte euch sagen, dass es mir gut geht. Ich bin an einem sicheren und friedlichen Ort. Ich hoffe, euch geht es auch gut. Ich vermisse euch sehr. Ich denke jeden Tag an euch. Grüsst die ganze Familie von mir. Ich liebe euch.»

In Finnland haben seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine 104 Russen Asyl beantragt, weil sie nicht in den Krieg ziehen wollen und deshalb in ihrer Heimat verfolgt werden. 90 Prozent der Anträge wurden abgelehnt. Laut Recherchen des US-finanzierten Senders wurde als Begründung angegeben, dass es in Russland keine Mobilmachung mehr gebe. Das hätte Präsident Putin bekanntgegeben. Im Herbst 2022 gab eine Teilmobilmachung, um 300'000 Soldaten zu rekrutieren. Die Anordnung wurde später aufgehoben. Finnland bezieht sich auf eine Konvention der Vereinten Nationen, nach der Wehrdienst alleine kein Grund für das Recht auf Asyl sei.

Tatsächlich bedeutet aber alleine die Wehrpflicht, dass man mit grosser Wahrscheinlichkeit in den Krieg geschickt wird. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete zum Beispiel über Wehrpflichtige, die ohne ausreichende Ausbildung und Ausrüstung an die Front im Donbass geschickt wurden. Der Kreml und das russische Verteidigungsministerium betonen, dass Wehrpflichtige nicht in den Kampf geschickt werden und dass die Wehrpflicht nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun hat. Die Ukraine hat jedoch wiederholt behauptet, russische Wehrpflichtige gefangen genommen zu haben, und Putin hat zuvor zugegeben, dass einige von ihnen zu Beginn der Invasion 2022 versehentlich eingesetzt wurden.

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99 Kommentare
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Mondblüemli
03.11.2025 07:14registriert Oktober 2021
Also wenn Putin sagt, dass keine Wehrpflichtigen in den Krieg geschickt werden, dann glaube ich ihm das natürlich.
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LuLuke
03.11.2025 07:23registriert Februar 2021
Bali und auch andere Gebiete sind zu Fluchtorten von Russen geworden. Diese sind aber zu einem grossen Teil nicht etwa jene welche gegen den Krieg sind, es sind diejenigen welche das Risiko nicht eingehen wollen persönlich daran teilzunehmen.
Es sind die Kinder jener welche vom Regime Putin profitiert haben und dieses Regime auch weiter unterstützen solange sie selber am Krieg nicht teilnehmen müssen.
Wenn Väterchen Putin Krieg anzettelt, sollen diejenigen welche ihn unterstützen dies nicht als Grund für Asyl benutzen.
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FACTS
03.11.2025 07:41registriert April 2020
Warum fand hier eigentlich überhaupt eine materielle Prüfung von Asylgründen in Finnland statt? Der Mann ist ja in Litauen vom Zug gesprungen und erst dann irregulär nach Finnland gereist, womit Litauen nach Dublinabkommen zuständig wäre. Und er wurde ja auch (wohl gestützt auf Dublin) nach Litauen rücküberführt.
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