Exklusive watson-Umfrage: So schlecht verdienen Zürichs Uber-Fahrer wirklich
Kürzlich fand in Zürich die grösste Demonstration von Uber- und Taxifahrern in der Schweiz statt. Nun liegen erstmals auch Zahlen vor, die zeigen, wie es den Fahrerinnen und Fahrern tatsächlich geht.
Eine exklusive watson-Umfrage mit 120 Teilnehmenden hat ergeben: Viele arbeiten mehr als 11 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und verdienen weniger als 4000 Franken brutto im Monat.
Mehrheit arbeitet über 11 Stunden
«Wir dürfen eigentlich nur neun Stunden pro Tag fahren, aber das reicht nicht zum Leben», sagte Uber-Fahrerin Katharina Toth schon vorletzte Woche zu watson.
Auch die Erhebung zeigt, dass die meisten deutlich länger unterwegs sind, als es das Arbeitsgesetz erlaubt: Rund 60 Prozent der Befragten gaben an, mehr als 11 Stunden pro Tag zu arbeiten – fast ein Viertel sogar über 12 Stunden.
Die ganze Woche im Einsatz
Viele Uber-Fahrerinnen und -Fahrer arbeiten aber nicht nur zu viele Stunden pro Tag, sondern auch zu häufig. Laut der Umfrage sind 61 Prozent an 6 bis 7 Tagen pro Woche im Einsatz. Ruhetage oder Ferien sind eine Seltenheit.
Damit widersprechen die Umfrage-Ergebnisse einem weitverbreiteten Bild: Uber-Fahrer galten lange als Teilzeitkräfte, die nebenbei etwas dazuverdienen. In Zürich aber zeigt sich ein anderes Muster: Die Mehrheit arbeitet Vollzeit oder noch länger für Uber, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Weniger am Steuer zu sitzen, können sich die meisten schlicht nicht leisten. Ein Taxifahrer aus Zürich, der auch für Uber fährt, sagte zu watson:
Mehrheit verdient unter 4000 Franken
Trotz dieses enormen Arbeitsaufwands ist die finanzielle Lage der Uber-Fahrer angespannt. Laut Umfrage verdienen zwei Drittel der Befragten weniger als 4000 Franken brutto im Monat, obwohl die meisten von ihnen über 11 Stunden täglich im Einsatz sind.
«Mit 8 Stunden Arbeit verdiene ich knapp 100 Franken», sagt ein Uber-Fahrer zu watson. «Ein Beispiel: Für eine Fahrt von Zürich nach Zug bekomme ich rund 30 Franken für 30 Kilometer.»
Seit dem Schweizer Markteintritt des Uber-Konkurrenten Bolt im Frühling 2024 hat sich die Situation für die Fahrenden weiter verschärft. Um konkurrenzfähig zu bleiben, senkte Uber die Preise – auf Kosten der Fahrer, deren Einkommen seither massiv eingebrochen sind.
Mit knapp 15 Prozent verdient nur ein kleiner Teil der Befragten mehr als 5000 Franken im Monat. Doch auch sie arbeiten dafür überdurchschnittlich viel, wie ein Fahrer zu watson sagt: «Ich bin pro Tag bis 10 Stunden im Einsatz, 6 Tage pro Woche, und verdiene dadurch etwa 5000 Franken brutto.»
Auf Sozialhilfe angewiesen
Die schlechten Verdienste wirken sich auf das Leben der Uber-Fahrerinnen und -Fahrer aus: Fast jeder fünfte Befragte hat schon einmal Sozialhilfe bezogen oder bezieht sie aktuell.
Einige berichten, dass ihr Einkommen so tief sei, dass sie ohne Unterstützung nicht über die Runden kämen. Taxi-Chauffeur Abdo Amjad sagt zu watson:
Er führt aus: «Das Auto läuft dann auf einen Verwandten oder Kollegen. So können sie weiterfahren und zusätzlich Sozialhilfe erhalten.»
Schwarzarbeit verbreitet
Rund 12 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal ohne Anmeldung oder Versicherung gefahren zu sein – also Schwarzarbeit zu betreiben. Denn wer über Uber oder Bolt fährt, arbeitet gemäss den Plattform-Richtlinien selbstständig und ist selbst dafür verantwortlich, Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.
Das Bundesgericht hat zwar bereits entschieden, dass Uber-Fahrer sozialversicherungspflichtig sind, also wie Angestellte behandelt werden müssten. Trotzdem zahlt Uber die Beiträge nicht.
Mindestpreise als Ziel
Bei Uber und Bolt setzt sich der Preis aus einer Startgebühr, einem Kilometerpreis, einem Minutenpreis, möglichen Zuschlägen bei hoher Nachfrage und der Plattformgebühr zusammen.
Das muss sich laut den Befragten ändern: Rund 38 Prozent wünschen sich behördlich festgelegte Mindestpreise für Fahrten.
Weitere 24 Prozent fordern eine stärkere Regulierung der Plattformen, etwa durch strengere Kontrollen. Knapp ein Viertel sprach sich für eine eigene Schweizer Taxi-App aus, um unabhängiger von internationalen Konzernen zu werden.
Und rund sechs Prozent wünschen sich, dass Uber und Bolt künftig direkt Sozialversicherungsbeiträge einzahlen müssen.
