MAGA entdeckt den Antisemitismus
Die Proteste gegen das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen und den angeblich damit verbundenen Antisemitismus von links nimmt die Trump-Regierung zum Anlass, die Universitäten unter die Knute zu zwingen. Auf dem rechten Auge hingegen ist das Weisse Haus blind. Dabei ist der Antisemitismus innerhalb von MAGA derweil derart angeschwollen, dass selbst das konservative «Wall Street Journal» Alarm schlägt.
«Ein altes Gift greift in der neuen Rechten um sich», warnt das Blatt in einem redaktionellen Kommentar. «Angeführt wird es von Podcastern und Internet-Opportunisten, die sich auf die Juden stürzen. Und dieses Gift verbreitet sich schneller, als wir gedacht haben.»
Ausgelöst wurde dieser Alarm durch ein Interview, dass Tucker Carlson am 27. Oktober mit Nick Fuentes geführt hat. Der 27-jährige rechtsextreme Aktivist macht aus seinem Antisemitismus kein Geheimnis. Er beschönigt den Holocaust, spricht davon, dass Amerika kein geeinigtes Land sein könne, solange das «organisierte Judentum» nicht besiegt sei. Er plädiert für einen «totalen arischen Sieg», lehnt inter-rassische Ehen ab, schwärmt von «katholischen Taliban» und fordert die Todesstrafe für «okkulte Elemente an der Spitze der Gesellschaft, vor allem von Juden», welche «Christen unterdrücken».
Fuentes sorgte kurzzeitig für nationale Schlagzeilen, als er im November 2022 zusammen mit Kanye West in Mar-a-Lago mit dem damaligen Kandidaten Trump lunchen durfte. Auch der Rapper ist für seinen Antisemitismus hinlänglich bekannt. Fuentes hingegen war damals einer breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Inzwischen hat er jedoch nicht nur einen eigenen YouTube-Kanal, er hat auch eine ansehnliche Fan-Gemeinschaft um sich geschart, die sich «Groypers» nennen.
Diese Gruppe macht weder ein Hehl aus ihrer Bewunderung für Hitler, noch schreckt sie vor offen rassistischen Aussagen zurück. Chicago beispielsweise bezeichnen sie als «nigger hell». Fuentes selbst spricht davon, dass er die «Republikanische Partei schreiend und um sich schlagend in eine reaktionäre Ecke zerren wolle».
Das Interview mit Carlson war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Es wurde mehr als vier Millionen mal angeklickt, ein Zehnfaches dessen, was Fuentes normalerweise erzielt. Zusätzlichen Schub hat ihm verliehen, dass es von Kevin Roberts, dem Präsidenten der Heritage Foundation, verteidigt wurde. Diese einst von den Koch-Brüdern mitgegründete Denkfabrik ist eine bedeutende Bastion der amerikanischen Konservativen.
Roberts hat das Carlson-Interview gegenüber Kritikern verteidigt. Er wolle nicht, dass Carlson gecancelt werde, so Roberts. «Das amerikanische Volk erwartet von uns, dass wir uns auf unsere linken Gegner konzentrieren und nicht unsere Freunde auf der rechten Seite attackieren», führte er weiter aus.
Tucker Carlson selbst entwickelt sich vom ehemaligen konservativen Musterschüler mit Fliege zum rechtsradikalen Aktivisten. Seit er 2023 von Fox News gefeuert wurde, hat er den christlichen Glauben wiederentdeckt und etabliert sich als Vordenker der äussersten Rechten. Mit seinen auf X ausgestrahlten Interviews sorgt Carlson regelmässig für Aufsehen, etwa mit einem völlig unkritischen Gespräch mit Wladimir Putin. Oder mit einem Interview mit einem Historiker, der nicht Hitler, sondern Churchill für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich macht. Carlson verbreitet auch die idiotische These, wonach aschkenasische Juden immun gegen Covid seien.
Der ehemalige Fox-News-Star ist nicht der einzige innerhalb von MAGA, der zum Antisemitismus neigt. Steve Bannon vertritt ähnliche Ansichten, und im Podcast des ehemaligen Strategen von Trump ist Marjorie Taylor Greene ein gern gesehener Gast. Diese spekuliert zwar nicht mehr über «jüdische Laserkanonen», die aus dem All Waldbrände in Kalifornien entfachen. Sie spricht aber davon, dass Israel «einmaligen Einfluss und Kontrolle» über die amerikanische Politik ausübe.
Erwähnt sei auch Elon Musk. Seine künstliche Intelligenz Grok war ursprünglich so programmiert, dass sie antisemitische Sprüche von sich gab und sich selbst als «MechaHitler» titulierte. Dass Musk jetzt mit Grokipedia versucht, Wikipedia Konkurrenz zu machen, nährt daher berechtigte Ängste. Wie einst Henry Ford hegt auch der reichste Mann der Welt mehr oder weniger unverhohlene rassistische Ansichten.
Fairerweise sei hier erwähnt, dass es innerhalb von MAGA auch israelfreundliche Stimmen gibt. Dazu gehören etwa Mike Huckabee, der aktuelle amerikanische Botschafter in Jerusalem, oder Senator Ted Cruz. Auch Mark Levin, Josh Hammer und Ben Shapiro, alles einflussreiche Stimmen im rechten Lager, gehören dazu. Gerade diese werden jedoch von Carlson immer wieder hart angegriffen. Zudem versucht der ehemalige Fox-News-Star, die Evangelikalen von ihrem Glauben abzubringen, Jesus Christus kehre erst dann zurück, wenn Palästina wieder in der Hand der Juden sei.
Donald Trump hat ein gutes Argument in der Hand, den Vorwurf des Antisemitismus weit von sich zu weisen. Er hat einen jüdischen Enkel von seiner Tochter Ivanka, die mit Jared Kushner, einem gläubigen Juden verheiratet ist. Trotzdem distanziert sich der Präsident nie wirklich von seinen antisemitischen Anhängern. Nach den von neofaschistischen Aktivisten angezettelten Krawallen in Charlottesville im August 2017 – bei denen übrigens auch Fuentes eine tragende Rolle spielte – sprach er bekanntlich davon, dass es «auf beiden Seiten gute Typen» gebe. Ebenfalls hat Trump schon mehrfach Memes mit antisemitischem Inhalt repostet.
Vor allem jedoch lenkt Trump die USA auf einen Weg, der gerade Juden Angst und Schrecken einflössen muss. Während der konservative Ronald Reagan einst von den Vereinigten Staaten als einer «strahlenden Stadt auf einem Hügel» sprach, werden sie unter Trump zu einem Ort, wo Hass und Vergeltung Triumphe feiern. In diesem Klima fühlen sich bekanntlich Antisemiten besonders wohl.
